
Nachgekocht: 3 vegetarische Rezepte aus der orientalischen Küche
Die orientalische Küche ist berühmt für ihre anspruchsvolle Raffinesse. Doch es geht auch mit etwas weniger Aufwand.
- Von: Evelyne Emmisberger
- Bild: Florence Stoiber / Brandstätter Verlag
Ich liebe die Küche des Orients und speziell der Levante, ihr Reichtum an Aromen, Kräutern und Gewürzen, das Spiel mit Süsse und Säure, die Umami-Boosts, die Texturen. Dass ich dafür stunden-, wenn nicht tagelang in der Küche stand, empfand ich stets als dem Ergebnis angemessen, sprach jeweils von der Liebe, die es für die Zubereitung halt braucht. Und meinte eigentlich: verdammt viel Arbeit.
Parvin Razavi gehört zu den besten Köchinnen Österreichs (Gault-Millau-Newcomerin 2023), sie erkochte aus dem Stand drei Hauben und rockt die Küche des «&flora» im Hotel Gilbert in Wien. Die Autodidaktin mit iranischen Wurzeln pflegt eine weltoffene, bunte und vorwiegend vegetarische Küche – und zeigt mit ihrem neuesten Kochbuch: Es geht auch einfacher. Verstehen Sie mich nicht falsch, es gibt immer noch genug zu tun. Rohe, vollreife Tomaten an einer Röstiraffel zu reiben, tönt easy, ist aber nichts für schwache Nerven (und helle T-Shirts). Hingegen ist die Füllung für die Krautstiel-Röllchen im Handumdrehen fertig und Razavis dekonstruiertes Baba Ghanoush fast ein Selbstläufer. Dass es mir dank knackig-frischem Topping fast noch besser schmeckt als das Original, will etwas heissen.
Was mir jedoch am besten gefällt: Parvin Razavi ermuntert ihre Leser:innen zum Experimentieren, mit wunderbaren Unterkapiteln zu jedem Gemüse («Darum feiere ich Tomaten», «Kombis, die immer gehen» oder «Am liebsten so») – von Auberginen über Kürbis bis Okras, Pilzen und Zucchini. Danke auch für die Hacks zum kollateralschadenfreien Entkernen von Granatäpfeln, Mörsern von Safran und zum Eiswürfel im Hummus.
Bei Pfirsichdressing zu Melonen-Gurkensalat, Orzo-Pasta mit Zucchini, Zitrone und Buttersauce oder marinierten Shiitake-Spiessli auf Tahina-Miso-Sauce reagiert mein Organismus mit ziemlich ordinären Pawlowschen Ref lexen. Der Brotsalat-Klassiker Panzanella mit Erdbeeren, Brombeeren, Pinienkernen, Sumach und Granatapfel? Schluck.
Überhaupt noch zu erwähnen, dass alle Gerichte vegetarisch sind, finde ich ziemlich Last Season. Es sind schlicht grossartige Rezepte, wie gemacht für alle, die sich endlich an die anspruchsvolle Küche des Orients wagen wollen.
Gebratene Okras auf geriebenen bunten Sommertomaten
Für 2–3 Personen
1 Knoblauchzehe
Olivenöl 180–200 g
Okraschoten
300 g bunte Sommertomaten
Salz
Thai-Basilikumblätter zum Garnieren
Knoblauch schälen, in hauchdünne Scheiben schneiden und in 2 Esslöffel Olivenöl goldbraun braten. Knoblauch aus dem Öl nehmen und beiseitestellen.
Okras nach dem Waschen gut trocknen und im Knoblauchöl rundum scharf anbraten. Tomaten auf der groben Seite einer Vierkantreibe raspeln – sie lassen sich je nach Farbe wie ein Bild direkt auf den Teller reiben.
Gebratene Okraschoten leicht salzen, auf geriebenen Tomaten anrichten und mit dem knusprigen Knoblauch garnieren. Thai-Basilikum darüber verteilen und alles mit ein paar Spritzern Olivenöl beträufeln. Das Wichtigste bei diesem simplen Gericht sind optimal reife Tomaten. Bis auf saft arme Ochsenherztomaten eignen sich so gut wie alle Fleisch- und Cherrytomatensorten dafür. Je bunter, desto besser! Okras lassen sich durch kleine Zucchini ersetzen: längs vierteln, in Öl braten und mit der Hautseite nach oben auf dem Tomatenspiegel anrichten. Kein Thai-Basilikum zur Hand? Gewöhnliches Basilikum tuts auch.
Meine Tipps
– Wie aus so wenigen Zutaten etwas so Feines entstehen kann, wow.
– Falls Sie die ursprünglich aus Afrika stammenden Okraschoten noch nicht kennen: Freuen Sie sich auf das erste Date. Okay, die schleimige Oberfläche ist etwas unangenehm – die Dingerchen sind aber wirklich köstlich.
– Tomaten reiben, ich verwendete eine Röstiraffel, tönt entspannter als es ist. Die Saftmenge war überwältigend, sodass ich etwas davon wegleeren musste. Die Sauerei war übrigens auch beträchtlich. Doch weil geriebene Tomaten so klasse sind, überlege ich ernsthaft, mir dafür eine dieser ansonsten unbrauchbaren Vierkantreiben zuzulegen.
Baba Ghanoush deconstructed
Für 2–3 Personen
1 Aubergine
1 EL Tahina
2 EL Olivenöl
1/2 Zitrone, Saft
Salz und Pfeffer
Topping
1 kleine Knoblauchzehe
3 Petersilienzweige
2 EL Granatapfelkerne
1 EL Zitronensaft
1 EL Olivenöl
Backofen auf 220 Grad Heissluft vorheizen. Aubergine mehrfach mit einer Gabel einstechen und im vorgeheizten Ofen 20 bis 30 Minuten (oder bis die Haut verkohlt ist) rösten. Danach schälen und auf einem Teller mit einem breiten Messer flach drücken. Für das Topping Knoblauch schälen und in feine Scheiben schneiden, Petersilienblätter abzupfen und hacken. Bei-des mit Granatapfelkernen, Zitronensaft und Olivenöl vermischen. Tahina mit Olivenöl, Zitronensaft, 50 Milliliter Wasser, Salz und Pfeffer verrühren und auf der Aubergine verteilen. Topping darübergeben.
Aubergine, Tahinasauce und Petersiliensalsa lassen sich gut separat vorbereiten und vor dem Servieren zusam-menfügen.
Meine Tipps
– Noch bevor jemand «Baba Ghanoush» sagen kann, stehe ich schon in der ersten Reihe, ich könnte darin baden. Aber auch in seine Einzelteile zerlegt ist es ein Kandidat für die kulinarische Hall of Fame.
– Das Dressing aus Tahina, Olivenöl und Zitronensaft habe ich trotz mehreren Versuchen nicht so crèmig hingekriegt, wie es auf dem Foto aussieht. Es war zu flüssig, geschmacklich jedoch genau richtig.
– Viel Freude hatte ich am üppigen Topping aus Granatapfelkernen, Peterli, Knobli und Zitronensaft. Gern noch mehr davon.
Krautstiel-Röllchen mit Pinienkernen und Rosinen
Für 2–3 Personen
300 g Krautstiele
100 g Schalotten oder gelbe Zwiebeln
Olivenöl
Je 1 gestr. TL Kurkuma und Ras el Hanout
30 g Rosinen
20 g Pinienkerne
1 EL Zitronensaft
1/2 Zitrone, Abrieb + mehr Zitronenabrieb zum Garnieren
4 Lagen Filoteig
50 g Joghurt
Salz und Pfeffer
Krautstiele in dünne Streifen schneiden. Zwiebeln schälen, würfeln und in etwas Öl goldbraun anbraten. Gewürze hinzufügen und 1 Minute weiterbraten. Dann Krautstiele, Rosinen und Pinienkerne dazugeben und etwa 5 Minuten weichbraten. Mit Zitronensaft und -abrieb, Salz und Pfeffer abschmecken und gut auskühlen lassen.
Backofen auf 180 Grad Heissluft vorheizen.
Eine Lage Filoteig auf der Arbeitsfläche auflegen, mit etwas Olivenöl bestreichen und mit einer zweiten Lage bedecken. In etwa 10 Zentimeter breite Streifen schneiden. Diese am unteren Ende jeweils mit 1 bis 2 Esslöffel Krautstielmischung belegen und von unten nach oben einrollen. Den restlichen Filoteig ebenso verarbeiten. Die Teigröllchen mit etwas Olivenöl bepinseln und im vorgeheizten Ofen etwa 20 Minuten goldbraun backen.
Krautstiel-Röllchen anrichten, mit Joghurt beträufeln und mit Zitronenabrieb garnieren.
Die Röllchen lassen sich auch mit Spinat zubereiten und entweder im Ganzen oder schräg halbiert servieren. Für einen stressfreien Abend die Krautstiel-Röllchen vorab backen und vor dem Servieren im vorgeheizten Ofen zirka 5 Minuten bei 150 Grad erhitzen – falls sie im Kühlschrank aufbewahrt wurden, zuerst auf Raumtemperatur bringen. Statt Filoteig geht auch Strudelteig.
Meine Tipps
– Köstlicher Fingerfood mit erfrischendem Dip – ein knusprig-süsslich-pikantes Highlight.
– Meine Krautstiele waren nach 5 Minuten noch weit entfernt von weich. Rechnen Sie hier mehr Zeit ein, knapp 15 Minuten, oder schneiden Sie sie sehr klein.
– An alle Rosinen-Hater:innen da draussen: Fasst euch ein Herz und lasst sie für einmal nicht weg, nicht in diesem Rezept. Der Rosinen-Verachter an meiner Seite brummte mit vollem Mund «passt schon» in den Bart und griff sich eilig das nächste Röllchen.

Parvin Razavi: Ein Fest für Gemüse. Orientalisch vegetarisch. Brandstätter-Verlag, Wien 2025, 248 Seiten, ca. 50 Fr.