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Safari – Giraffe, wo bist du?

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Safari – Giraffe, wo bist du?

  • Text: Astrid JoostenFotos: Bernd Jonkmanns

Von Ferien in Namibia profitieren alle: Die Touristen, die Bevölkerung und die Tiere. Lesen Sie die Hoteltipps zur Fairtrade-Safari.

Von diesen Safaris profitieren alle: Die Einheimischen, die Natur, die Tiere und nicht zuletzt die Touristen. Auf Fairtrade-Entdeckungsreise in Namibia.

Als die Sonne gerade ihre ersten Strahlen über den Horizont schickt, tritt Alexia Awaras auf die Bremse. Wir halten uns am Gestänge des Landrovers fest, um nicht nach vorn zu fliegen. In ihrem Walkie-Talkie rauscht und krächzt es, Alexia sagt «Aha». Haut einen Gang rein, gibt Gas, rumpelt weiter. Über trockene, verbrannte Erde, von Steinen übersät. Die Luft so klar, dass das Braun der Landschaft und das Blau des Himmels beinahe in den Augen brennen. Ein Weisskopfgeier kreist über der Schotterpiste auf der Suche nach Aas. Ein Büschel Gras rollt vorbei, vom Wind zu einer Kugel gedreht, als wäre es schon seit Tagen unterwegs. Wereldsend heisst das karge Land, Ende der Welt. «Gleich sind wir da», ruft unser Guide Alexia nach hinten.

Auf einer Anhöhe eine Silhouette im Gegenlicht. Es ist Martin Navaseb, ein Fährtenleser, ernste Augen in einem dunklen, sanften Gesicht.Er winkt kurz, als wir aus dem Geländewagen steigen. Nicht gegen Steine stossen, keine Geräusche machen, deutet er uns an, wir pirschen hinter ihm her. Die Sonne fängt an zu drücken, während wir uns vorwärtsarbeiten. Staub setzt sich aufs Gesicht. Da, endlich, Martin stoppt. Auf der anderen Seite eines breiten, ausgetrockneten Flusslaufs ein Spitzmaulnashorn, eines der seltensten und gefährlichsten Tiere Namibias. Auf «tausend Kilo» schätzt Martin unser Gegenüber, einen hellgrauen Koloss, der gerade im Schatten einer Giftpflanze eine Pause macht. Wir hocken uns auf die Erde, ducken uns, um mit der Umgebung zu verschmelzen, als gehörten wir für einen Moment hierher.

Wir sind im Damaraland im Nordwesten Namibias. Dort, wo Löwen und Elefanten, Antilopen, Leoparden und Nashörner in freier Wildbahn leben und sich vermehren wie in keinem anderen Land Afrikas. «Die grösste Erfolgsstory des Kontinents» nennt es der WWF, denn überall in Afrika passiert das genaue Gegenteil – die Tierwelt schrumpft. Lange Zeit war das auch in Namibia so. Bis die Regierung mit der Natur und den Menschen einen Pakt schloss. Einen Pakt, der uns auf dieser Reise begleiten wird.

Eine Herde Zebras donnert über die Ebene, dass die Hufe stieben, als Alexia uns zum Leopard Drive, der Hauptstrasse, fährt. Springböcke hüpfen wie von Federn getrieben durch die Savanne. Hinter einem Baum tauchen zwei Giraffen auf, erst die Mutter, dann das Junge. Die Berge, die vorher wie eine kleine Welle am Horizont aussahen, rücken näher. Wir versinken mit den Augen in der Landschaft. Roter Sand, roter Fels, überirdisch, wie auf dem Mars.

Um das alles zu schützen, schlug Namibia 1996, kurz nach der Unabhängigkeit und auf Drängen von Naturschutzorganisationen, neue Wege ein. Nicht mehr die Regierung in der Hauptstadt Windhuk, sondern die Gemeinden auf dem Land sollen auf die Natur aufpassen – und die Wilderei eindämmen, die die Tierwelt massiv bedroht. Die Kommunen haben seitdem die Möglichkeit, sich in Schutzgebiete, Communal Conservancies, umzuwandeln, und dafür das Recht, ihr Land und ihre Tiere selbst, aber nachhaltig und im Einklang mit der Natur zu nutzen. 59 Gemeinden, vor allem im Nordwesten, sind inzwischen Schutzzonen, das sind 16 Prozent des Landes. Und 30 Kommunen bereiten sich gerade darauf vor, sich dem Pakt anzuschliessen. Um Geld zu verdienen, bauen die Conservancies Lodges für Feriengäste. Und sie verfolgen jeden in der Nachbarschaft, der es wagen sollte, sich im Busch ein Stück Fleisch zu schiessen und die Felle und Hörner zu verkaufen. Schliesslich wollen die Touristen Tiere sehen. Genau.

Ein Haufen, mitten auf der Strasse. Sieht durchs Autofenster aus wie Sägespäne. Ist aber Elefantenkot. «Losung», sagt Alexia dazu, «drei Tage alt». Von einem betagten Dickhäuter, der schlechte Zähne hat und die Äste und Blätter nicht mehr richtig zermalmt. Alexia ist auf einer kleinen Farm aufgewachsen und hat, bis sie mit sieben Jahren zur Schule kam, die Ziegen der Familie gehütet. «Im Busch musst du wissen, was für Spuren die Tiere hinterlassen und wie alt sie sind. Sonst ist dein Vieh in Gefahr. Oder du selbst.» Die 28-Jährige zeigt auf einen Schakal in einer Bodensenke, wir erkennen nichts ausser goldfarbenem Sand. Alexia streicht ihre sorgfältig aufgedrehten Locken aus dem Gesicht und lacht. Weiter gehts, das Huabtal hinauf. Drei Elefantenherden leben hier.

In De Riet, einer Ansammlung lose verstreuter Hütten, entdecken wir plötzlich die ersten Rüsseltiere. Elefanten in einem Dorf? Sie stehen an einem Wasserreservoir am Rand der Siedlung.Wir parkieren unseren Landrover in respektvoller Entfernung. 18 Dickhäuter drängeln sich um den mehr als mannshohen Betonring. Es ist Trockenzeit, das Wasser knapp. Sie hängen ihre Rüssel ins kühle Nass, spritzen es sich ins Maul und über den Rücken. Schubsen sich, ziehen sich an den Schwänzen, trinken. Bis die Leitkuh laut trompetet und ein Elefant hinter dem andern wieder in den Busch marschiert. Haben sie keine Angst vor Menschen? Nein.

Vor ihrer Lehmhütte steht Vallery Basson, barfuss, ein Tuch um den Kopf gewickelt gegen die Hitze. Sie hat ein paar Holzscheite unterm Arm, um an der Feuerstelle das Abendessen zu kochen, Maisbrei für sich, ihren Bruder und ihre drei Kinder. «Die Elefanten kommen fast jeden Tag», erzählt sie uns, während sie das Holz aufschichtet, «wir leben mit ihnen.» Manchmal machen sie die Wasserleitungen kaputt. Manchmal machen sie sich über den Garten einer Familie her und fressen das Gemüse weg. Und manchmal trampeln sie jemanden tot, weil ein Ziegenhirt unvermittelt hinter einem Busch auftaucht oder ein Betrunkener durch die Wildnis nachhause läuft. Vallery zündet das Holz an und rührt gleichmütig in ihrem Topf.

Eine Düne reckt sich wie eine riesige Zunge über den Rücken einer Hügelkette. Wir gleiten die Düne hinunter, bis der Weg fester wird und die Pneus wieder fassen. Das Damaraland liegt am Rand der Namibwüste. Kann man sich weiter weg vom gewohnten Leben fühlen? Zwei Autos begegnen uns in fünf Tagen, wie leer gefegt wirkt das Land. Immer wieder saugt uns das spröde Nichts förmlich auf, und wir vergessen zu reden, zu fragen, zu denken.

Ab und an kreuzt ein Eselskarren unseren Weg. Die einzigen Shops an den Strassen sind Stände mit Steinen und Mineralien, aus Holzbrettern, Wellblech oder verrosteten Autotüren aufgebaut. Sobald wir halten, rennt aus dem Nirgendwo ein Ziegenhirt heran und preist seine Schätze an. Manchmal sind auch die Schädel und Hörner von Tieren im Angebot, irgendwo in der Savanne verendet.

Wieso machen Tiere glücklich, fragen wir uns, als wir am dritten Abend in unserer Lodge ankommen. Die letzten Bilder vom Tag noch im Kopf, von Kuduantilopen mit ihren gedrehten Hörnern und Propellerohren und einer Horde Paviane, laut zeternd stritten sie sich auf einem Bergkamm. Hinter der Bar des Damaraland Camp steht Lena Florry, gross und selbstbewusst und Alexias Freundin. Sie mixt uns Drinks. Ihr dröhnendes Begrüssungslachen scheucht kurz die Vögel auf, dann hocken sie sich wieder auf das Schilfdach der offenen Lounge, hoch über den Rattansofas, den Holztischen und dem Pool mit Blick über die vom Abendlicht rosa gefärbten Berge. Lena nippt an ihrem Drink. «Ich würde immer noch Ziegen hüten und mir im Winter gegen die Kälte Plastiksäcke um die Füsse binden», sagt sie und rückt ihre schicke Hornbrille zurecht, «wenn wir die Conservancies nicht hätten.» Mit 23 bekam sie die Chance, im neu gebauten Camp als Kellnerin anzufangen. Jetzt, mit 37, ist sie Managerin des Camps und einer zweiten Lodge. Ihr nächstes Ziel: Ministerin für Umwelt und Tourismus in der Hauptstadt Windhuk – Alexia hebt ihr Glas, nickt der Freundin zu.

Die Lodges, oft als Joint Ventures von Gemeinden und Ökotourismus-Unternehmen gebaut, geben den Einheimischen nicht nur Arbeit, sondern auch bares Geld. Vom Damaraland Camp, einem der Gemeinschaftsbetriebe, bekommt die Gemeinde vierzig Prozent des Gewinns. In zehn Jahren kann sie sich gemäss Vertrag überlegen, ob sie genug Erfahrung hat, die Lodge ganz zu übernehmen. Von den Einkünften betreibt die Conservancy eine Suppenküche für bedürftige Alte, stattet die Schule aus, ersetzt die Ziegen und Rinder, die ein Löwe frisst, repariert Wasserleitungen und baut Elektrozäune um Gemüsegärten, wenn Elefanten über die Stränge schlagen. Sobald ein Tier einen Menschen tötet, unterstützt sie die Familie. «Es geht uns allen sehr viel besser», sagt Lena, auch wenn noch immer sechs von zehn Menschen arbeitslos sind. Aber ohne die Conservancies hätte so gut wie keiner einen Job.

Ein Schatten huscht über uns hinweg. Wir sitzen auf der Terrasse vor dem Zelt. Zelt ist untertrieben. Es hat zwar Wände aus Canvas, aber ansonsten ist alles durchgestylt und solide, vom Schilfdach über den hell gebeizten Holzfussboden zu den Spiegeln und Stoffen an den Wänden. Auf dem Feuerplatz neben der Lounge glüht ein Lagerfeuer, ab und an sprühen Funken in die Nacht. Der Schatten kommt wieder, wohl eine Fledermaus. Über uns die Milchstrasse, dichter Sternenstaub vom einen Ende des Himmels zum andern, mittendrin das Kreuz des Südens. So klar und so nahe sehen die Sterne aus, als würde uns gleich einer auf den Kopf fallen. Hinter einem Berg geht ein orangefarbener Mond auf. Wir lauschen der Stille. Später, kurz bevor wir einschlafen, ein Geräusch, ein leises Fauchen. «Ein Löwe?», fragen wir am nächsten Morgen. Alexia grinst: «Nein, eine Hyäne.»

Am Grootberg, einem 1640 Meter hohen Tafelberg weiter im Norden, gibt es Löwen. Und eine Lodge, die ganz einer Gemeinde gehört. Nach einer halben Stunde Fahrt weisse Betonwürfel am Strassenrand, das Dorf Bersig. Und ein Backsteinhaus, das Gemeindezentrum. Kehliger Singsang dringt von dort herüber, ein paar Jungen und Mädchen üben für einen Gesangswettbewerb in Windhuk. Im rosa Rüschenkleid eilt eine alte Frau auf die Gruppe zu und wiegt im Takt der Musik ihre Hüften. Auf der andern Strassenseite schmettern drei Männer vor der Kneipe ein «Ave Maria» und tänzeln dazu auf unsicheren Beinen. Das Dorf groovt.

Vor dem Gemeindehaus steht ein Glaskasten, dort hängt die Erfolgsbilanz der Conservancy: Die Anzahl der wilden Tiere hat sich in den letzten 15 Jahren verdoppelt. Die Nashörner, vom Aussterben bedroht, haben sich im gesamten Nordwesten Namibias sogar verzehnfacht. Zum Erfolg trägt auch die Trophäenjagd bei. Jedes Jahr gibt die Regierung in allen Kommunen ein paar Tiere frei, die Jäger gegen sehr viel Geld schiessen dürfen. Die namibischen Dollars fliessen an die Gemeinden, denn nicht überall im Land ist es möglich, Lodges für Touristen aufzubauen. Letztlich verbessert sogar die Jagderlaubnis die Lebensbedingungen der wilden Tiere, sagt der WWF. In den Nationalparks Namibias, wo ein totales Jagdverbot herrscht, wird sehr viel mehr gewildert, weil die Einheimischen keinen Nutzen von den Tieren haben. Der Pakt mit den Conservancies ist so erfolgreich, dass aus Botswana und der Mongolei, aus Moçambique, Zimbabwe, den USA und Vietnam Delegationen kommen, um von Namibia zu lernen.

Wir sehen keine Löwen am Grootberg. Aber das ist uns egal. Während wir durch die Savanne schleichen, beobachten wir Oryxantilopen, Steinböcke und Bergzebras. Wir schauen Klippschiefern, kleinen Fellbüscheln, zu, wie sie die Stämme von flaschenförmigen Bäumen rauf und runtersausen, Steppenfalken beim Gleitflug und einem Strauss auf der Flucht. An der Felskante eines Canyons, von einer Unzahl von Flüssen wie ein Amphitheater in den Stein geschliffen, liegen wir schliesslich im Wasser. Genauer im Pool, er gehört zur Grootberg Lodge. Jede Nacht trinkt ein Leopardvom Wasser des Pools, erzählt uns Bob Guibeb, der Assistant Manager der Lodge.

Und neulich hat die Kellnerin nach dem Abendessen die Tischdecke auf der Terrasse ausgeschüttelt und sich gewundert, keine Sterne zu sehen. Bis sie merkte, dass ein Elefant direkt vor ihr am Geländer stand und die Sicht versperrte. Fünf weitere frassen im Garten an den Bäumen. «Wir mussten die ganze Nacht in der Lodge bleiben und konnten nicht nachhause», lacht Bob, «weil die Elefanten sich beim Fressen Zeit liessen.» Während wir reden, fallen die letzten Sonnenstrahlen auf den Canyon, den Pool und Bobs freundliches Gesicht. «Es ist nicht immer einfach, mit den wilden Tieren zu leben» – sein Gesicht wird ernst. «Aber sie gehören zu Afrika wie die Berge und Savannen. Und wie die Menschen.»

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Sonnenuntergang in Namibias Damaraland: Unterwegs mit dem Guide Jimmy Limbo beim Desert Rhino Camp

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Auf du und du mit wilden Tieren: Jede Nacht trinkt ein Leopardvom Wasser des Pools in der Grootberg Lodge

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Eseltaxi in der Grootberg Lodge

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Prosit, Wildnis! Liquor Store im Dorf Bersig

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Nomen est omen: Nashorn (links) und Lodge im Desert Rhino Camp

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