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Eau d’amour

Stil

Eau d’amour

  • Text: Olivia Goricanec; Foto: Maude Benoist 

Ihre Liebe zum Eau de Cologne brachte sie zusammen: Sylvie Ganter und Christophe Cervasel über ihr Label Atelier Cologne und wie alles mit einem Heiratsantrag begann.

Das Büro im achten Pariser Arrondissement kommt einem nicht wie ein Arbeitsort vor. Das Sitzungs-zimmer, in dem uns das Gründerehepaar der Maison de Parfum Atelier Cologne, Christophe Cervasel und Sylvie Ganter, empfängt, wurde einem Wohnzimmer nachempfunden. Bewusst. «Unser erstes Büro war unsere eigene Wohnung. Im Wohnzimmer empfingen wir tagsüber Bankiers, abends Freunde», sagt Cervasel und lacht. Als das Team dann 18 Personen zählte, wurde es langsam zu eng. Kennen gelernt haben sich Sylvie Ganter und Christophe Cervasel bei einem Vorstellungsgespräch in NewYork. Als Mitinhaber eines Parfumunternehmens mit Sitz in Paris suchte Cervasel jemanden, der in Amerika eine Filiale eröffnen und allenfalls weitere Designerdüfte unter Vertrag nehmen würde. «Die Ära der Designerdüfte sei allerdings vorbei, sagte mir damals Sylvie. Parfums wie die von Jo Malone seien die Zukunft. Ich wusste nicht einmal, wer oder was dieses Jo Malone sein sollte», gesteht er etwas verlegen. Auch beim Abschied kam es für ihn zu einer unangenehmen Situation: Überrascht über Ganters perfekt ausgesprochenes «Au revoir», merkte er erst in diesem Moment, dass es sich bei der jungen Frau gar nicht um eine Amerikanerin, sondern um eine Französin handelte. «Ich konnte es nicht fassen, dass er meinen Lebenslauf nicht gelesen hatte», sagt Ganter empört. Und so benötigte Cervasel einiges an Überredungskunst beim Telefongespräch am nächsten Tag, um die Französin für sein Team zu gewinnen. Sie rief nämlich selbst an – um abzusagen.

Das war 2006. Cervasel lebte mit seiner damaligen Partnerin und den zwei Kleinkindern in Paris; Ganter mit ihrem Lebensgefährten und ebenfalls zwei kleinen Kindern seit einigen Jahren in New York. Cervasels Überredungskünste fruchteten. «Von da an liess ich ihr bei der Arbeit viel Spielraum. Wie Steve Jobs einst sagte, holt man sich nicht intelligente Leute ins Team, um ihnen zu sagen, was sie zu tun haben.»

annabelle: Wie ging die Geschichte weiter?
Sylvie Ganter: Nach einem Jahr der guten Zusammenarbeit rief mich Christophe eines Tages an. Er werde seine Firma verlassen.

Er hatte Sie dazu überredet, die Stelle anzunehmen, nur um kurz darauf das Unternehmen zu verlassen?
Sylvie Ganter: Ja! Ich sagte ihm, dass wenn er ginge, ich es ihm gleichtun würde. Es war Zeit, mein eigenes Ding aufzuziehen. Er war beeindruckt von dieser Reaktion und flog nach New York, um mit mir darüber zu reden. Dabei erzählte ich ihm von meiner Liebe zu Colognes. Ich wollte solche kreieren, die lange halten. Die herkömmlichen fand ich stets frustrierend.

Wie fand er Ihre Idee?
Sylvie Ganter: Er war begeistert! Je mehr ich ihm davon erzählte, umso mehr sagte ich mir jedoch: «Du spinnst! Dieser Typ ist um einiges wohlhabender als du, hört auf zu arbeiten und wird dir die Idee vielleicht wegschnappen. Wieso erzählst du ihm das überhaupt?»

Christophe Cervasel: Als Cologne-Liebhaber war ich für ihre Businessidee tatsächlich Feuer und Flamme, stellte jedoch eine Bedingung.

Sylvie Ganter: Ich dachte schon, dass er, wenn er mich finanziell unterstützen wollte, es wahrscheinlich mit einer Mehrheitsbeteiligung verbinden würde.

Und was war denn Ihre Bedingung, Christophe Cervasel?

Christophe Cervasel: Ich sagte, ich hätte grosse Lust, sie dabei zu unterstützen, allerdings nur unter der Bedingung, dass sie mich heiraten würde.

Das ist jetzt erfunden, oder?
Christophe Cervasel: Ich weiss nicht, was in mich gefahren war. Wir hatten uns noch nie geküsst, waren beide mit einer anderen Person verheiratet. Zwischen uns lag der Atlantik.

Und was erhielten Sie als Antwort?
Christophe Cervasel: Sie sagte «Pourquoi pas». Ich war sprachlos. Es war die schönste Antwort, die Sylvie mir hätte geben können.

Das verstehe ich jetzt nicht.
Christophe Cervasel: Ein Ja hätte mich überrascht, ein Nein enttäuscht. Ein «Wieso nicht» hiess, dass sie vielleicht nicht genau wusste, weshalb ich ihr diese Frage gestellt hatte, aber dass auch sie etwas zwischen uns spürte. «An dieser Stelle der Geschichte spulen wir normalerweise vor», sagt Ganter und lacht. Wie alle Menschen, die sich trennen und einen neuen Lebensabschnitt beginnen, mussten auch sie durch eine schwere Zeit gehen. Cervasel sagt dazu: «An jenem Abend realisierten wir, dass wir unabhängig voneinander am Ende unserer jeweiligen Kapitel angelangt waren, privat und beruflich. Die nächste Etappe wollten wir nicht mit den gleichen Menschen wie bis anhin gehen.» Zu dieser Zeit entstand Atelier Cologne. «Positiv für die Entstehung war, dass wir ab jetzt keine Kompromisse mehr eingehen wollten.»
Ihre Risikobereitschaft zahlte sich aus. Die beiden kreieren 2009 das, was heute Atelier Cologne ist. Zu hundert Prozent in Frankreich hergestellte Eaux de Cologne mit feinsten natürlichen Inhaltsstoffen und einer sehr hohen Konzentration essentieller Öle. Nachdem sie 2011 ihre erste eigene Boutique in New York eröffnet hatten, hiessen sie im selben Jahr ihre gemeinsame Tochter willkommen. Zusammen mit ihren insgesamt fünf Kindern pendeln Ganter und Cervasel heute zwischen Paris und New York und lassen sich auf ihren Reisen für ihre neuen Kreationen inspirieren.

Letzte Frage, Christophe Cervasel, lesen Sie immer noch keine Lebensläufe vor Vorstellungsgesprächen?
Christophe Cervasel: Im Vorfeld zwar immer noch nicht, aber ich überfliege sie während der Interviews. Ich habe meine Lektion gelernt.