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Barbara Bleisch: Darum sollen wir nicht fragen, wer Mutter werden darf

Familie

Barbara Bleisch: Darum sollen wir nicht fragen, wer Mutter werden darf

Dürfen auch Frauen mit einer kognitiven Beeinträchtigung Mutter werden? Philosophin Barbara Bleisch findet das die falsche Frage. Die richtige lautet: Was können wir tun, damit Elternschaft gelingen kann?

Ob, wann und mit wem wir Kinder bekommen, ist unsere persönliche Entscheidung. Wir sprechen vom Recht auf reproduktive Autonomie, das übrigens auch menschenrechtlich geschützt ist. Würde man Frauen verbieten oder sie umgekehrt unter Druck setzen, Kinder zu bekommen, wäre das ein massiver Eingriff in ihre körperliche Integrität und Autonomie. Es ist deshalb eine Errungenschaft, dass Zwangssterilisationen der Vergangenheit angehören. Natürlich ist Mutterschaft (genauso wie Vaterschaft) eine anspruchsvolle Aufgabe, und die Verantwortung, verlässlich und langfristig für ein Kind zu sorgen, ist gross.

Nicht alle Frauen, die sich Kinder wünschen, sind dazu – ganz auf sich allein gestellt – in der Lage. Es ist aber durchaus denkbar, dass auch Frauen mit einer kognitiven Beeinträchtigung wunderbare Mütter sein können, wenn man einen Rahmen schafft, in dem Kinder weitere primäre Bezugspersonen haben.Das Kindswohl darf nicht aufs Spiel gesetzt werden. Aber das Kindswohl kann auch in vermeintlich intakten Familien gefährdet sein. Statt zu fragen, wer Mutter werden darf, sollten wir besser fragen: Was können wir tun, damit Elternschaft gelingen kann? Eltern, die Hilfe benötigen, sollten ohne Versagensgefühle um Unterstützung bitten dürfen und diese auch bekommen.

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«Die wenigsten Menschen, die eine Krankheit oder Behinderung haben, empfinden ihr Leben als nicht lebenswert»

Paare, die ein hohes Risiko haben, eine genetische Erkrankung weiterzuvererben, können heute eine genetische Beratung und je nach Fall auch eine Präimplantationsdiagnostik in Anspruch nehmen. Dabei werden die Embryonen nach einer künstlichen Befruchtung auf die Genmutation getestet. In den Körper der Frau übertragen wird ein unbelasteter Embryo. Oftmals haben entsprechende Paare schon Erfahrung gemacht mit der entsprechenden Krankheit und möchten ihrem Kind grosses Leid ersparen oder trauen sich nicht zu, nochmals ein schwerkrankes Kind zu pflegen oder früh zu verlieren. Eltern mit Kinderwunsch aber zu einer solchen Behandlung zu zwingen, ist weder rechtlich erlaubt, noch moralisch angezeigt. Sonst bestünde die Gefahr, aus der Sorge ums Kindswohl ein Urteil über lebenswertes Leben zu fällen. Die wenigsten Menschen, die eine Krankheit oder Behinderung haben, empfinden ihr Leben als nicht lebenswert.

Barbara Bleisch ist Philosophin und Autorin von «Kinder wollen. Über Autonomie und Verantwortung» (Carl Hanser Verlag 2020), verfasst mit der Rechtswissenschafterin Andrea Büchler

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