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«Die Pille wird jungen Frauen nicht ohne Grund verschrieben»

Liebe & Sex 

«Die Pille wird jungen Frauen nicht ohne Grund verschrieben»

Sextöter, Krebstreiber, der Grund für senile Vulven – geht es um Hormone, Verhütung und die Wechseljahre, haben alle vermeintlich Schlaues zu berichten. Die Gynäkologin Regine Laser räumt mit so einigen Mythen auf.

annabelle: Regine Laser, denke ich – Jahrgang 1975 – zurück, habe ich mit 16 die Pille verschrieben bekom­men, ohne dass von Risiken oder Alternativen gross die Rede gewesen wäre. Was ich wusste, war lediglich: Rau­chen und Pille gibt Thrombose, betrifft mich aber nicht. Von daher habe ich bedenkenlos geschluckt …
Regine Laser: Solang man nicht schwanger wurde, war ja auch alles prima, und wenn dann noch Pickel wegge­gangen sind und Blutungen regelmässig und schmerz­frei waren, umso besser. Beschwert hat sich damals niemand. Inzwischen jedoch ist ein dermassen grosser Gegentrend entstanden, der das Thema Pille wie eine Lawine ins Abstürzen gebracht hat. Es nehmen immer weniger Frauen die Pille und ich bin schockiert, wie viele Junge nur mit Kondom verhüten. Laut der aktuellsten Studie verhüten 64 Prozent der sexuell aktiven Schweizerinnen zwischen 15 und 19 Jah­re lang, vierzig Prozent davon nehmen die Pille.

Was schockiert Sie daran?
Angesichts der oft spontanen Sexualität in dieser Alters­gruppe und der Fruchtbarkeit – bedenken Sie, da wächst jeden Monat ein superknackig frisches Ei – sind diese Zahlen zu tief. Denn die Folgen sind oft dramatisch. Ich hatte auch schon eine 15­-jährige Schwangere in der Praxis. Die Pille wird gerade bei den jungen Frauen nicht ohne Grund verschrieben.

Aber unterschätzen Sie da nicht die Risiken? Immer mehr Gruppierungen wie die Betroffeneninitiative «Risiko Pille» oder Instagram-­Hashtags wie #mypill­story demonstrieren, wie das Leben aussehen kann, wenn die Pille Herzstillstand und Thrombosen auslöst, und warnen vor der Einnahme.
Schauen Sie sich die Statistiken an. Bei Pillen der zwei­ten Generation bekommen neun von 10 000 Frauen eine Thromboembolie – der Rest hat gar nichts. Ohne Pille liegt das entsprechende Risiko bei vier von 10 000 Frauen. Diese ganzen Internetforen berücksichtigen zu­dem selten, dass sich das Risiko einer Erkrankung mul­tipliziert durch Faktoren wie Rauchen, wenig Bewegung, Übergewicht und familiäre Vorerkrankungen.

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Und die arg umstrittenen Pillen der dritten und vier­ten Generation? Da lässt sich ein erhöhtes Thrombose­risiko nicht leugnen. Die französische Regierung weigert sich inzwischen gar, die Kostenübernahme für diese Pil­len weiterlaufen zu lassen.
Es stimmt, dass sich das Thromboserisiko bei diesen Präparaten erhöht, allerdings sind gerade hierzulande die Zahlen überschaubar; wir sprechen von Pillen, die keinen relevanten Marktanteil haben.

Was macht diese Pillen eigentlich so schädlich?
Das Problem bei den Pillen, die in die Kritik gekom­men sind, ist, dass das darin enthaltene Drospirenon ursprünglich als Entwässerungspräparat entwickelt wur­de. Wenn Wasser aus dem Körper geschwemmt wird, bedeutet das eine Verdickung des Blutes – logisch, dass sich damit auch die Thrombosegefahr erhöht.

Die Kombination aus Östrogen und Gestagen in Ver­hütungsmitteln suggeriert den Hormonzentren eine Schwangerschaft, um eine zweite Befruchtung zu ver­hindern. Jeden Monat dem Körper eine Schwanger­schaft vorzugaukeln kann doch nicht gesund sein.
Die Hormon-­Konzentration in der Pille ist gering – in der Schwangerschaft hat man beispielsweise das Zwan­zigfache an Östrogen und Progesteron im Körper im Vergleich zum normalen Zyklus. Es gibt zudem auch Hormonspiralen, die nur Gestagen enthalten und da­mit nur auf Uterus und Zervix einwirken, um dafür zu sorgen, dass keine Spermien in die Gebärmutter gelan­gen, und die Einnistung eines befruchteten Eis verhin­dern, nicht aber die Ovulation an sich.

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«Der Zyklus hat immer einen natür­lichen Einf luss auf die Psyche.»

Regine Laser

Na, irgendwas Negatives werden doch auch Sie über die Pille zu sagen haben, oder?
Es muss einfach sehr individuell die richtige Pille gewählt werden. Die Dosierung wurde beispielsweise generell auf Frauen zwischen sechzig und siebzig Kilo­gramm ausgelegt. Wenn nun jemand 120 Kilo wiegt, kann ich ihr nicht einfach zwei Pillen durch die Leber jagen. Grundsätzlich kann man sich ja frei für eine Ver­hütungsmethode entscheiden. Man muss sich einfach immer fragen, ob es nur ums Thema Empfängnisver­hütung geht oder ob auch Hautprobleme oder Regel­schmerzen bekämpft werden sollen – da wird es ohne Hormone schwierig.

Wie sieht es mit dem Zusammenhang zwischen hormoneller Verhütung und den Auswirkungen auf die Psyche aus?
Logisch gibt es den. Der Zyklus hat immer einen natür­lichen Einf luss auf die Psyche und mit Einnahme der Pille hebt man die zyklischen Schwankungen auf und lässt 21 Tage die gleichen Hormone kursieren. Nach einem siebentägigen Absacker und Blutungen geht es wieder von vorn los. Bei einer Pille mit niedrigem Östrogen riskiert man einen Östrogenmangel: schlech­te Laune bis hin zu Depressionen, Scheidentrockenheit und den Verlust der Libido.

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