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Wir haben mit einem Squirting-Masseur aus Zürich gesprochen

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Wir haben mit einem Squirting-Masseur aus Zürich gesprochen

Patrick Angele bietet in Zürich Squirting-Massagen an. Wie das abläuft und warum die weibliche Ejakulation zu den grössten Tabus unserer Zeit zählt, erzählt er im Interview.

annabelle: Wie kamen Sie dazu, Squirting-Massagen zu geben?
Patrick Angele: Ich bin gelernter medizinischer Masseur und habe mich vor viereinhalb Jahren nach einer Weiterbildung mit Tantramassagen selbständig gemacht. Dabei ist es immer mal wieder passiert, dass Frauen ejakulierten – viele von ihnen schämten sich und wussten gar nicht, was da passiert war. Die meisten dachten, sie hätten ins Bett gepinkelt. Was mich dazu brachte, ein Angebot zu schaffen und das Ganze zu benennen. Und nun gebe ich Squirting-Massagen.

Wie genau sehen die aus?
Eine Squirting-Massage unterscheidet sich gar nicht gross von einer Tantramassage, ich richte einfach das Augenmerk klarer auf die G-Fläche oder die Prostata. Nebenbei bemerkt wissen die wenigsten Frauen, dass auch sie eine Prostata besitzen. Die kann je nach Anatomie mal grösser, mal kleiner ausgeprägt sein, mal weiter vorn oder hinten an der Blase liegen. Bei Stimulation wird jedenfalls ein Sekret erzeugt, dass durch die Harnröhre abgegeben werden kann. Spannenderweise ejakulieren seit der Ausweitung meines Angebotes mehr Frauen, auch wenn sie gar nicht speziell die Squirting-Massage gebucht haben.

Wie das?
Alleine schon zu wissen, dass ich als Masseur offen bin, ermöglicht meiner Kundin ein Loslassen. Bei mir weiss sie: ‹Ich darf hier kommen, ich darf eine Sauerei machen, spritzen, viel sein› – das macht enorm viel aus. Neben der Angst vor einem Kontrollverlust ist es ja auch die Sehnsucht, Kontrolle verlieren zu dürfen, die Menschen zu mir führt. Zu wissen, dass da jemand ist, der sie hält, macht vieles möglich. Dazu aber muss man natürlich erstmal wissen, wozu der eigene Körper fähig ist. Es ist erstaunlich, aber der durchschnittliche Wissensstand ist bei den meisten gleich null, deswegen beginne ich auch jedes Treffen mit einem Gespräch. Darüber Bescheid zu wissen, was passiert, wenn ich erregt bin als Frau, ermöglicht mir etwa, den entstehenden Druck im Becken ganz anders einzuordnen. Dann weiss ich doch erst, dass ich nicht aufs WC muss, sondern ejakulieren kann.

Trotz dieser Unwissenheit sollen ganze 68 Prozent der Frauen bei Orgasmen ejakulieren. Wie passt das zusammen?
Viele Frauen haben schon mal bewusst oder unbewusst ejakuliert. Meist liegt die Erinnerung daran allerdings tief. Ganz im Sinne von: ‹Ah, da war ich mal ein Abend völlig betrunken, da ist sowas passiert, war aber irgendwie peinlich und wir haben so getan, als sei nichts passiert und schnell geschlafen.› Die Menge der Flüssigkeit, die abgesondert wird, ist eben auch unglaublich unterschiedlich. Frauen, die ganz bewusst sagen: ‹Ich spritze, das erfüllt mich› gibt es nur wenige.

Woran liegt das?
Daran, dass weibliche Körperflüssigkeiten ein Tabu sind! Ejakulat, Ausfluss, Menstruationsblut. In puncto Menstruation tut sich endlich etwas, aber noch vor zehn Jahren war das auch nur eine schmutzige Angelegenheit, über die nicht gesprochen wurde. Nun ist weibliche Ejakulation auch noch mit Lust besetzt, das drängt es noch mehr in die schambesetzte Tabuecke. Interessant ist übrigens, dass Frauen immer ganz genau wissen wollen, was für eine Flüssigkeit aus ihnen herauskommt.

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«Ich kenne mittlerweile etliche Frauen, die Spass daran haben, Flüssigkeit abzusondern»

Und?
Da sich viele nicht vorstellen können, woher solch teilweise ja sehr grossen Mengen kommen können, taucht immer wieder der Urinverdacht auf. Dabei wissen die meisten Frauen intuitiv, dass das nicht sein kann, die Flüssigkeit riecht anders, schmeckt anders, sieht anders aus. Warum müssen wir das denn auch so genau wissen? Es hat doch auch kaum einer Ahnung, wie genau sich Sperma zusammensetzt. Ich finde das merkwürdig.

Was für Frauen kommen eigentlich zu Ihnen?
Meine Kundinnen sind extrem unterschiedlich. Ich habe esoterische Frauen, die ihre Sexualität mit der Spiritualität verbinden möchten. Frauen, die eine problembehaftete Vorgeschichte haben und durch die Tantramassage Blockaden lösen wollen. Etwa, wenn sie keinen Orgasmus haben oder auch traumatisiert sind, Mühe haben, sich auf Männer einzulassen. Und Frauen, die etwas Neues erleben wollen und einfach Lust auf eine wohltuende Massage haben.

Wenn Sie gerade nicht zur Hand sind: Wie kann ich mich zuhause zum Ejakulieren bringen?
Vor allem geht es darum, spielerisch herauszufinden, wie ich mich berühren kann. Frauen sind anatomisch unglaublich unterschiedlich und es lohnt sich, ruhig mal in die Hocke zu gehen oder auch zu knien. Das ergibt neue Möglichkeiten, in die Vagina zu greifen und Druck auf die G-Fläche aufzubauen – und den braucht es.

Eignet sich ein bestimmtes Sextoy zur Unterstützung?
Während der klassisch-gerade Vibrator nicht gut geeignet ist, sind Toys mit einer Hebelwirkung besser. Der «Pure Wand», ein Metallstab, ist beispielsweise super geeignet – übrigens auch zur Stimulation der männlichen Prostata.

Was habe ich eigentlich davon, wenn ich als Frau ejakulieren kann?
Wie sich das genau anfühlt, kann ich natürlich nicht sagen. Ich kann nur beschreiben, was mir erzählt wird und da geht es vor allem um das befreiende Gefühl, wenn der Druck sich löst. Durch die intensive Stimulation der G-Fläche, die Teil des Klitoriskomplexes ist, werden vielleicht nochmal stärkere Orgasmen als gewohnt ausgelöst und die münden in einem tiefen, ruhigen Glücksgefühl – ähnlich wie wir das von Männern nach dem Orgasmus kennen, die nach dem Sex keinen Finger mehr rühren. Ich kenne mittlerweile auch etliche Frauen, die Spass daran haben, Flüssigkeit abzusondern, ihre Erregung nach aussen zu zeigen. Auch das ist ja oft schambesetzt und wer sich erstmal befreit hat, kann grosse Freude daran haben, Lust auch zeigen zu dürfen.

Ist die Ejakulation an den Orgasmus gekoppelt?
Nein. Beim Mann übrigens auch nicht. Das an den Orgasmus gekoppelte Auswerfen der Flüssigkeit ist einfach oftmals antrainiert, aber Männer wie Frauen können Orgasmen haben, ohne zu ejakulieren und umgekehrt. Bei Frauen, deren Prostata weit hinten liegt, kann es auch zu einer Rückführung der Ejakulationsflüssigkeit in die Blase kommen, deswegen denken auch viele, dass sie nach dem Sex Wasser lassen müssen.

Die Pornoindustrie hat mit Squirting-Videos einen florierenden Absatzmarkt entdeckt – wie kommt es, dass hier ejakulierende Frauen so gefragt sind?
Weil man endlich die Erregung der Frau bildlich darstellen kann, deswegen ist Squirting pornografisch gesehen unglaublich spannend. Einerseits ist das ja auch super, denn es klärt auf und ich kenne etliche Männer, die erst über Pornos von ejakulierenden Frauen erfahren haben und das geil finden. Gefährlich wird es, wenn durch die Pornos Stress im Bett entsteht. Statt zu feiern, dass der weibliche Körper ejakulieren kann und darf, wird unter Männern ein Wettbewerb draus, wer es denn schafft, die Frau zum Ejakulieren zu bringen.

Sie bringen Frauen sowohl zum Orgasmus als auch zum Ejakulieren – entsteht dabei nicht auch mal die Lust auf Sex mit Ihnen?
Natürlich. Es entsteht Lust und ganz klar auch die Lust auf Sex, manchmal auch auf beiden Seiten. Ich bin ja auch nur Mensch!

Sind Sie während der Massagen nackt?
Ja, es sei denn jemand wünscht explizit das Gegenteil. Es ist megaschön, was aus dieser Situation entstehen darf. Wichtiger Bestandteil meines Berufs ist es auch deswegen, genau zu wissen, wo die Grenzen liegen. Denn auch wenn die Situation noch so geil und aufgeladen ist, wird es nicht zum Sex mit mir kommen.

Ist sicher nicht immer leicht, Aussenstehenden Ihren Beruf zu erklären, oder?
Das war ein Prozess, anfangs hatte ich manchmal noch Mühe, jetzt nicht mehr. Eine gewisse Lust an der Provokation habe ich ja auch. Reaktionen reichen von betretenem Schweigen zu tausend Fragen.

Fragen implizieren ja noch eine gewisse Offenheit und Interesse. Blöd wird es doch erst, wenn man nach dem Motto angeschaut wird: Bist du pervers?
Ach, damit kann ich auch gut leben. Da liegen die Gründe dann auch eher wieder bei der gegenüberliegenden Person. Meist entstehen gute Gespräche, selbst wenn ich merke, da hat jemand grosse Mühe oder ist beschämt. Und wenn ich merke, dass man gar nicht weiterkommt, reden wir halt wieder übers Wetter.

Infos zu Patrick Angeles Massagen findet ihr unter angelemassage.ch

 

Dieser Artikel ist erstmalig im Juli 2021 erschienen.

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