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Anti-Hangover-Pille im Test: Nie wieder Kater – wie scheisse ist das denn?

Gesundheit

Anti-Hangover-Pille im Test: Nie wieder Kater – wie scheisse ist das denn?

Das Nahrungsergänzungspräparat Myrkl sorgt als Hangover-Wundermittel für Furore. Redaktorin Sarah Lau hat es rechtzeitig vor den Feiertagen ausprobiert. Und erlebte ihr blaues Wunder.

Ich schreibe diesen Text liegend. Inmitten von Semmelkrümeln und zwei Coladosen in meinem Bett. Richtig, ich habe gestern Alkohol getrunken. Viel, durcheinander, stundenlang. Und ich habe dabei Myrkl ausprobiert, ein Nahrungsergänzungsmittel, das der schwedische Hersteller de Faire Medical als Pre-Drinking-Supplement anpreist. Doch beginnen wir von vorn.

Ein Racletteabend mit mir als trinkfreudig bekannten Freund:innen erweist sich als passende Gelegenheit, mich professionell zuzuschütten. Vor Eintreffen der Gäste, genauer: um 17.32 Uhr, erinnert mich das Mail einer Kollegin an die morgige Abgabe dieses Texts. Wie gut, sonst hätte ich wieder nicht daran gedacht, eine Stunde vor dem ersten Schluck zwei Pillen einzuwerfen.

Diese Terminierung hat sich bei meinen zwei vorherigen Anläufen ehrlicherweise als Gamestopper erwiesen – immer fielen mir die Wunderkapseln erst dann ein, als ich bereits ein Glas in der Hand hatte. Zudem stehe ich diesem vorsätzlichen Kontrollversuch kritisch gegenüber, unterwandert er doch mein Selbstverständnis der spontanen Trinkerin.

Will ich diese Antikater-Pillen überhaupt?

Aber gut, da die Erholungszeit nach Drinks bei mir auf mittlerweile drei bis vier Tage angestiegen ist, erfordern die Zeiten inzwischen vielleicht wirklich andere Mittel. Aber will ich diese Antikater-Pillen überhaupt? Ist es nicht vielmehr ein tipptopp Korrektiv, dass mein Körper mich sehr verlässlich spüren lässt, wenn ich ihm geschadet habe, und mir so nachhaltig Lust auf nüchterne Zeiten macht?

Es geht mir nicht um Strafe oder Selbstkasteiung. Im Falle eines Hangovers nehme ich ehrlicherweise ja auch Ibuprofen. Ob das gesünder ist? Nun, zumindest weiss ich, woran ich da bin. Was ich gerade genau runterschlucke, weiss ich nämlich nicht. Nahrungsergänzungsmittel fallen nicht unters Medikamentengesetz und Hersteller sind nicht verpflichtet, die genaue Zusammensetzung publik zu machen. Von Nebenwirkungen weiss ich entsprechend auch nichts und wissenschaftliche Beweise fehlen bei der ganzen Geschichte ebenfalls.

Ich versuche, mich mithilfe des Beipackzettels schlauzumachen, doch die kleinen Illustrationen wenden sich in ihrer simplen Mechanik «So gehts dir mit und so gehts dir ohne» offenbar an eine Zielgruppe, die bereits etliche Gehirnzellen ertränkt hat.

Was ich weiss: B12 ist im Spiel, gegen die Müdigkeit. Dazu die milchsäurebindenden Bakterien Bacillus coagulans und der bei Magendarmproblemen eingesetzte Stamm Bacillus subtilis sowie die Aminosäure L-Cystein. Deren Vorzug sei es, Alkohol in Wasser und Kohlendioxid aufzuspalten. Über Nacht unterstütze Myrkl zudem den Abbau des Alkohols im Darm, noch bevor die Leber erreicht wird. Nach zwei Pillen auf zwei Glas Wein sei 70 Prozent weniger Alkohol im Blut der Trinkenden nachzuweisen gewesen.

Vorbei mit der Vorbildlichkeit

«Oh nein, vielleicht wirst du dann gar nicht erst betrunken!», sagt meine Freundin L., als ich ihr von meinem kleinen Experiment erzähle. Ihrem Tonfall nach kämpfen Bedauern und Entsetzen noch um die Vorherrschaft. Wer mich sechs Stunden später «Truth or Dare» spielen gesehen hat, weiss, dass sich L.s Sorge als unberechtigt erweisen wird.

Gut gefüllt mit frisch gehobeltem Walliser Käse und zumindest anfänglich vorbildlich verzehrtem Stützwasser sinniere ich zum Dessert, ob wir ungefähr bei der Hälfte des Abends angelangt sind. Dann nämlich, so eine erprobte Insiderin, solle man einfach zwei weitere Kapseln schlucken. «Mach ich immer so, dann gehts dir richtig gut!» Berühmte letzte Worte, die Dealer:innen weltweit beim Anpreisen halluzinogener Substanzen fallen lassen.

Ich bin inzwischen so angenehm betrunken, dass ich völlig bedenkenlos Tütchen Nummer 2 aufreisse. Nach Gin Tonic, Champagner, mehr Champagner und etlichen Gläsern Rotwein mache ich mir inzwischen auch nicht mehr die Mühe, Wasser zum Runterspülen einzuschenken. Geht doch. Die weiteren Details eines herrlichen Abends behalte ich an der Stelle für mich und spule bis zum nächsten Morgen vor.

Malträtiert? Ja. Schläfenpochen? Nein.

Da liege ich nun inmitten meiner Krümel und den zusammengeknüllten Dosen und horche in mich rein. Denn auch wenn mein Körper mir durch Heisshunger, Durst und Schläfrigkeit sagt, dass ich ihn gestern malträtiert habe, fehlen die miesesten aller Katerbegleiterscheinungen. Von Kopfschmerzen und Übelkeit keine Spur, nicht mal das leiseste Schläfenpochen, nada, nichts.

Und bevor hier Gerüchte entstehen, nein, ich bin nicht im Trinktraining oder gewohnt an solch hochprozentige Gelage. Ich scheine nur zu den sieben von zehn Menschen zu gehören, bei denen laut Myrkl das Zeug wirkt. Gegen Mittag schreibe ich mit der Kollegin, die sich zu ihrer eigenen Empörung als immun gegen den Hangoverprotektor erwiesen hat. Ich ertappe mich dabei, sie anzuschnorren. Nächste Woche haben wir Weihnachtsfeier, ihr versteht?

Genau an dieser Stelle verstehe ich: Vorsicht.

Der oben beschriebene Selbsttest ist nicht zur Nachahmung empfohlen und wir bitten dich, verantwortungsbewusst zu trinken. Alkoholkonsum wirkt sich auf die Leistung unseres Gehirns aus: Konzentration und Reaktionsvermögen nehmen ab, Risikobereitschaft und Selbstüberschätzung steigen an, was auch zu erhöhter Unfallgefahr führt.

 

Wenn du oder jemand in deinem Umfeld Probleme im Umgang mit Alkohol hat, findest du hier Rat und Hilfe.

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