Werbung
Resilienz: Die besten Tipps gegen Weihnachtsstress

Resilienz: Die besten Tipps gegen Weihnachtsstress

Die Psychologin Birgit Kleim zeigt, wie wir mit Mini-Übungen für mehr Widerstandskraft auch in Trubelzeiten gelassen bleiben.

Laut diesjähriger Umfrage des Sanitas Health Forecast fühlt sich rund ein Viertel der Schweizer Bevölkerung häufig oder sehr häufig gestresst, bei Kindern und Jugendlichen liegt der Anteil sogar bei 40 Prozent. Und so schön die Festtage sind – für viele von uns bedeuten sie auch Stress: Denkt ausser mir eigentlich noch jemand daran, dass am Weihnachtsabend niemand ohne Geschenk unterm Baum hockt? Sprengt der Keuchhusten der Kurzen das stundenlang vorgekochte Adventsessen? Und bringt Onkel Rudi mit seinen sexistischen Sprüchen mich dieses Mal endgültig zum Ausflippen?

Schade eigentlich, dass es nicht das eine Resilienz-Gen gibt, dass uns gelassen all den Stress abfedern lässt. Die gute Nachricht aber hat Birgit Kleim parat. Die Professorin für experimentelle Psychopathologie und Psychotherapie in Zürich erforscht, was uns widerstandsfähiger gegen psychische Belastungen macht und sagt: «Resilienz ist kein Zustand, sondern ein Prozess – man kann sie jeden Tag ein bisschen trainieren.»

Reappraisal: Die Kunst des Umdenkens

Reappraisal – also das bewusste Neubewerten einer Situation – gehört zu den wirksamsten Methoden, um Stress zu reduzieren. «Es ist oft gar nicht die Situation selbst, die uns stresst, sondern vor allem die Art, wie wir die Situation bewerten, einschliesslich der Reaktion der Menschen um uns herum», sagt Birgit Kleim. Häufig mischt dabei die innere Perfektionist:in mit, die bereits kleine Abweichungen eines Plans als persönliches Versagen wertet.

Dazu kommt oft ein automatischer «Katastrophenfilm»: das gedankliche Durchspielen, wie chaotisch oder peinlich etwas werden könnte – ob nun die nächste Konferenz oder das alljährliche Aufeinandertreffen der ganzen Familie unter dem Tannenbaum.

Solche Vorwegnahmen aktivieren unser Stresssystem, noch bevor tatsächlich etwas passiert. Wenn das Gehirn eine Situation als bedrohlich und stressig bewertet, steigt das Stresshormon Cortisol, die Fähigkeit zur Emotionsregulation sinkt, wir reagieren oft impulsiver. Wird dieselbe Situation hingegen neu eingeordnet – als «gut genug», vereinfachbar oder schlicht weniger wichtig – beruhigt sich der Körper spürbar.

Es gilt also, gedanklich flexibel zu bleiben und sein Hirn davon zu überzeugen, mal eine andere Richtung einzuschlagen: «Schon kleine, regelmässige Perspektivwechsel machen unser Denken flexibler und schützen vor alten Mustern», sagt Kleim. Kein Geschenk für Tante Ricarda? Dann darf die ungeliebte Vase aus dem Wohnzimmerschrank endlich ein neues Zuhause kennenlernen. Bus verpasst, obwohl die To-do-Liste noch lange nicht abgearbeitet ist? Beglückwünsche dich zu der unerwarteten Pause und atme durch.

Werbung

Probier’s aus:

1.

1.

Denke an eine stressige Situation.

2.

2.

Formuliere den ersten Satz, der dir dazu in den Kopf kommt.

3.

3.

Ersetze genau ein Wort durch etwas Freundlicheres – z. B. «Katastrophe» durch «Herausforderung».

Achtung, Trigger: Nicht alles ist deine Baustelle

«Eigentlich wissen wir ja meist schon im Voraus, welche Menschen oder Bemerkungen uns in Sekunden triggern. Und da wir nun mal keine Maschinen sind, berühren uns manche Themen stärker und können alte Reaktionen automatisch aktivieren – oft, bevor wir bewusst verstehen, was passiert. Resilienz bedeutet deshalb nicht, nicht getriggert zu werden, sondern zu merken, dass ein Trigger wirkt – und die eigene Reaktion bewusst zu wählen.» Kleim verweist dabei auf ein Zitat, das sie besonders treffend und bemerkenswert findet, zugeschrieben zu Winston Churchill: «Wer mich stresst, entscheide immer noch ich.» Eine Haltung, so Kleim, die enorme Selbstermächtigungskraft besitzt.

Kleim rät deshalb zu einem kleinen inneren Schritt zurück: «Man kann versuchen, sein Gegenüber im Kontext zu sehen – nicht gleich in den Schlagabtausch zu gehen, wenn die Schwiegermutter fragt, warum man schon wieder so müde aussieht, sondern überlegen, warum sie diese Frage stellt und warum man sich überhaupt angegriffen fühlt. Es ist hilfreich, im Moment zu bleiben und nicht in Vergangenheit oder Zukunft abzudriften.»

Dieser Abstand schafft Spielraum – und ermöglicht flexiblere Reaktionen. Denn, so Kleim: «Man muss nicht jeden Kampf zu seinem machen.» Nach dem Prinzip «Let them» – lass sie halt machen – geht es darum zu prüfen, wo sich eine Auseinandersetzung lohnt und wo man energieschonend aussteigen kann.

Werbung

Probier’s aus:

1.

1.

Notiere drei Situationen oder konkret Personen, die dich schnell auf die Palme bringen.

2.

2.

Frage dich: Wann sich die Auseinandersetzung – und wann nicht? Verletzt der rassistische Cousin meine Werte, die es zu verteidigen gilt, weil ich sonst nicht mehr in den Spiegel schauen kann? Wähle dann für mindestens eine Situation bewusst den «Let them»-Modus.

3.

3.

Überlege, ob es in der Runde eine:n Sparringspartner:in gibt, mit der:dem du dich im Vorfeld verbündest und / oder Exitstrategien entwickelst.

Mini-Pausen im Grünen: Der Instant-Reset

In den Weihnachtstagen stolpern wir oft von Verabredung zu Verabredung. Kleine, regelmässige Pausen wirken erholsam: kurze Momente, die den Körper aus der Anspannung holen. Besonders effektiv sind Mikro-Interventionen, die Natur einbeziehen. Dazu muss man nicht stundenlang im Wald spazieren, schon 20 Minuten an der frischen Luft und Naturreize helfen, die Herzfrequenz zu senken und die Atmung zu beruhigen (zur Not hilft sogar der Anblick eines Landschaftsbildes!).

Kombiniert mit einer kurzen Atem- oder Self-Compassion-Übung («Das ist gerade ganz schön viel, kein Wunder, dass ich erschöpft bin») verstärkt sich der Effekt. Zwei Minuten tief atmen, fünf Minuten ums Haus gehen oder ein kurzer freundlicher Satz an sich selbst holen uns zuverlässig aus dem Autopilot.

Im Weihnachtstrubel, wenn wir emotional reaktiver sind, wirken solche Mini-Pausen wie kleine Reset-Tasten. Das Gehirn gleitet zurück in einen Zustand, in dem Perspektivwechsel wieder leichter fallen und uns das Chaos nicht mehr zu erdrücken droht.

Probier’s aus:

1.

1.

Geh für ein paar Minuten ans Fenster – oder noch besser kurz nach draussen.

2.

2.

Schau bewusst in die Natur. Achte auf die Farben, Bewegungen von Blättern und Ästen. Hörst du Vögel zwitschern? Spürst du den Wind auf der Haut oder Regentropfen? Wonach riecht die Luft?

3.

3.

Atme zweimal bewusst länger aus als ein. Und sag dir: «Diese Pause ist erlaubt.»

Stopp mit Co-Rumination: Raus aus dem gemeinsamen Grübeln

Geteilte Frustration schafft Nähe und oft tut es gut, Dampf abzulassen. Problematisch wird es erst, wenn sich Gespräche im Kreis drehen. Kleim nennt das Co-Rumination: «Man hält sich gegenseitig im Problem, statt herauszufinden.» Gerade Frauen neigen laut Kleim häufiger zu perfektionistischen Normen, Selbstzweifeln und dem Bedürfnis nach Absicherung – und genau diese Muster machen sie anfälliger fürs gemeinsame Grübeln.

Co-Rumination verstärkt Stress, weil es das Grübeln stabilisiert. Oft passiert das unbewusst: Dann hilft ein kleiner Impuls, um die Spirale zu durchbrechen – eine Frage, ein Perspektivwechsel, ein Moment Pause.

Resilienz bedeutet hier nicht, Gefühle wegzudrücken, sondern zu merken, wann ein Gespräch kippt – und bewusst gegenzusteuern. Kleim: «In der Therapie überlegen wir dann gemeinsam: Was würde man einer guten Freundin in dieser Situation raten? Oft sind wir mit uns selbst viel strenger, als wir es mit anderen wären.» Diese kurze innere Verschiebung schafft genau den Abstand, der hilft, aus der Grübelspirale auszusteigen und zu Handlungsspielraum zurückzufinden.

Probier’s aus:

1.

1.

Spür kurz nach einem Gespräch in dich hinein: Hat es dich erleichtert oder erschöpft?

2.

2.

Wenn es schwerer geworden ist, mach einen kleinen Cut — zwei Atemzüge, ein Satz wie «Moment, lass uns kurz sortieren».

3.

3.

Richte das Gespräch nach vorn: «Was wäre jetzt ein kleiner Schritt, der dir wirklich gut tut?»

Schlaf als Geheimwaffe: Mehr Ruhe, weniger Reibung

Schlaf ist eine der effektivsten – und am meisten unterschätzten – Strategien, um Weihnachtsstress zu reduzieren. «Schlaf ist Vorbereitung und Nachbereitung», sagt Birgit Kleim. Er stabilisiert Gefühle, stärkt die Selbstregulation und wirkt wie ein emotionaler Reset. Schlechter Schlaf dagegen erhöht Impulsivität und senkt die Fähigkeit, ruhig zu reagieren – eine explosive Mischung für Feiertage.

Im Schlaf sortiert und festigt das Gehirn Erinnerungen – und im REM-Schlaf löst es ihre emotionale Schärfe ab, sodass das Erlebte am nächsten Tag weniger belastend wirkt. «Wer also unausgeschlafen in eine Familienrunde geht, hat schlicht weniger Puffer», so Kleim. Der harmlose Kommentar eines Verwandten fühlt sich plötzlich wie ein Angriff an, kleine Aufgaben erscheinen unlösbar und bringen uns an den Rand des Zusammenbruchs.

Nun ist es besonders gemein, dass gerade in gestressten Phasen Schlafstörungen auftreten. Was tun? «Vor dem Zubettgehen ein Problem bewusst zur Seite legen und anerkennen, dass ich es heute nicht lösen kann, entlastet. Danach sich bewusst für den Schlaf entscheiden.»

Probier’s aus:

1.

1.

Schreib drei Sätze auf: Was war heute schwer? Was darf bis morgen warten? Was hat gut getan? Das nimmt Druck raus und beruhigt dein Stresssystem.

2.

2.

Nenne abends drei Dinge, die heute gelungen oder schön waren. Übrigens, wenn es ein richtiger Mist-Tag war: «Danke, dass dieser Tag vorbei ist!»

3.

3.

60 Minuten bildschirmfreie Zeit vor dem Schlafen lohnt: Blaues Licht hält das Gehirn im Wachmodus und hemmt die Ausschüttung von Melatonin.

In Zürich gibt es übrigens den neu eröffneten Lifegarden, an dem Birgit Kleim mitgearbeitet hat. Ein öffentlich zugänglicher Outdoor-Parcours der an fünf Stationen mit einfachen und wissenschaftlich fundierten Übungen dazu einlädt, in der Natur seine Widerstandskraft zu stärken. Etwa mit einem Re-Framer für neue Blickwinkel und optimistische Sichtweisen und einem Himmelbett zum Aufatmen.

Abonniere
Benachrichtigung über
guest
0 Comments
Älteste
Neuste Meistgewählt
Inline Feedbacks
View all comments