Warum ich der performativen Männlichkeit etwas abgewinnen kann
Unsere Autorin nervt sich ab performative males – datet sie aber dennoch. In ihrem Kommentar erklärt sie, woran Möchtegern-Feministen scheitern und weshalb die performative Männlichkeit letzten Endes doch eine positive Entwicklung anstösst.
- Von: Vanessa Vodermayer
- Bilder: Launchmetrics, zvg ; Collage: annabelle
Für den Typ Mann, der einen Grossteil meiner Dating-Historie dominiert, hat das Internet vor einigen Monaten einen Begriff geschaffen: Performative male.
Diesen Männern wird unterstellt, etwas vorgeben zu sein, das sie nicht sind. Sie inszenieren sich als Gegenentwurf zu Macho-Männern, liefern die Antithese zum misogynen Influencer Andrew Tate.
Performative males entsprechen einer bestimmten Ästhetik, die optisch in die Sparte Jacob Elordi oder Harry Styles passen. In tausendfacher Ausführung findet man auf TikTok überspitzt, welche Einzelteile zusammengesetzt ihr Erscheinungsbild formen.
Zum Outfit gehören Tote Bag und weite Hose sowie Perlenkette und Fingerring. Am Hosenbund baumelt optional ein Labubu, die Hand umklammert einen Becher voll Matcha. Zentrales Accessoire ist ein Werk von Sylvia Plath, Virginia Woolf oder bell hooks. Hauptsache, das Buch unterm Arm ist erkennbar feministische Literatur.
Und worin liegt das Problem?
Hinter diesem Outfit steckt der Versuch, für das Wertesystem progressiver Frauen einzustehen: Man ist für Gleichstellung, begegnet einander auf Augenhöhe. Aber ausgerechnet an diesem Punkt offenbart sich das moderne Dating-Dilemma.
Denn eben diese Werte scheinen vielen Männern dann doch nicht ganz zu passen. Als würden sie zwicken und jucken, gar einengen wie ein Korsett. Werte sind nun mal kein hippes Stück Stoff, das man sich nach Belieben über den Kopf stülpen kann. Hat man sie nicht verinnerlicht, kann man sie nicht leben.
Folglich verläuft das Daten dieser Männer für meine Freundinnen und mich oft nach einem ernüchternden Muster: Wir treffen attraktive Männer, die sich humorvoll und aufrichtig interessiert geben, die eine feministische Haltung haben und erst noch emotionale Intelligenz verströmen – die aber von Date zu Date an Glaubwürdigkeit verlieren.
"Vielleicht sind diese Männer verunsichert, weil sie realisieren, wie sehr sie ihrem eigenen Image hinterherhinken"
Ich spreche von Männern, die beim Thema Sex die Relevanz vom Konsens beschwören, sich aber in der ersten gemeinsamen Nacht nur widerwillig ein Kondom überziehen. Von Männern, die sich für offene Kommunikation stark machen, aber Nachrichten mehrere Tage unbeantwortet lassen, ehe sie sich unbeirrt und ohne Entschuldigung mit romantischen Floskeln zurückmelden.
Vielleicht macht ihr paradoxes Verhalten einfach deutlich, dass Männer von den heutigen Ansprüchen der Frauen verunsichert sind. Dass sie mit bestem Wissen und Gewissen handeln, um dann peinlich berührt zu realisieren, wie sehr sie ihrem eigenen Image hinterherhinken. Nur befeuert das wiederum mein Misstrauen und meine Vorurteile gegenüber jeglichen Good Guys.
Also Finger weg von performativen Männern?
Meine Lust auf neue Männerbekanntschaften unterliegt phasenweise der totalen Resignation. Der US-amerikanische Kulturwissenschafter Asa Seresin beschreibt diese Reaktion als Heterofatalismus, eine Steigerung des von ihm geprägten Begriffs des Heteropessimismus. «Die alte Art der Paarung ist tot», folgert daraus «The New York Times». «Eine neue muss erst noch geboren werden.» Um diese Pattsituation aufzubrechen, braucht es ein konstruktives Miteinander.
Frauen tun gut daran, den Fehltritten der Männer mit wohlwollenden Verbesserungsvorschlägen zu begegnen. Und Männer kommen nicht darum herum, die Bedürfnisse ihrer weiblichen Dates gewissenhaft verstehen zu lernen, auch wenn das im ersten Moment bedeutet, unangenehmes Feedback selbstlos auszuhalten.
Bei aller Kritik – in der performativen Männlichkeit steckt tatsächlich Potenzial. Einer Plattitüde zufolge gilt schliesslich: Fake it till you make it.