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Wie ist es eigentlich, exzessiv zu daten?

Liebe & Sex 

Wie ist es eigentlich, exzessiv zu daten?

Anna-Lena Burri* (31) erzählt uns von ihren Erfahrungen.

«Ich habe aufgehört zu zählen, mit wie vielen Männern ich mich über Tinder verabredete – geschätzt etwa fünfzig, und das in weniger als zwei Jahren. Vor der Dating-App sah mein Liebesleben ziemlich öde aus. Obwohl mich mein Singleleben nicht störte, nagte an mir der Gedanke, dass es langsam Zeit für eine erste Beziehung ist. Und so liess ich mich an meinem 27. Geburtstag von einer Kollegin überreden, ein Tinder- Profil zu erstellen. An mein erstes Onlinedate erinnere ich mich gut. Ich war ziemlich nervös. Am liebsten wäre ich gar nicht ans Treffen gegangen. Doch ich überwand meinen Fluchtinstinkt und ging mit Lars * aus Köln etwas trinken. Ein nettes Einstiegsdate, aber für mehr reichte es nicht.

Es gab Zeiten, in denen ich bis zu vier Männern pro Woche traf. Das war anstrengend, aber für mich war das Onlinedating die beste Möglichkeit, neue Männer kennenzulernen. Hätte es mir keinen Spass mehr gemacht, hätte ich damit aufgehört. Häufig wusste ich bereits bei der Begrüssung, dass das Treffen nur mittelmässig sein würde. Ein miserables Date hatte ich nie. Überraschungen jedoch gab es: So sprach Silvan extrem laut, Mario schummelte sich zehn Zentimeter grösser und Paul, den ich mehrere Monate traf, entpuppte sich als Narzisst. Er wollte alle Vorzüge einer Beziehung geniessen, nur festlegen wollte Paul sich nicht. Wir trafen uns, wenn er Lust dazu hatte und wenn etwas nicht plangemäss ablief, verhielt er sich wie ein trotzendes Kind.

Fremde zu treffen bringt gewisse Risiken mit sich. Es gibt keine gemeinsamen Freunde oder Bekannte, die helfen, die Person einzuschätzen. Deshalb fand das erste Date immer in der Öffentlichkeit statt. Nach der Geschichte mit Paul war ich noch zuversichtlich, dass ich den Richtigen finden würde. Ich swipte weiter. Aber irgendwann war dieser Optimismus Pessimismus gewichen. Ich hatte keine Lust mehr auf Dates und wollte die App eigentlich längst löschen.

Dann fragte mich Sebastian nach einem Treffen. Sein sorgfältiger Profilbeschrieb gefiel mir. Bei unserer Verabredung redeten wir den ganzen Abend, bis das Lokal zumachte. Sebastian sagt, er hätte bereits beim zweiten Treffen gewusst, dass ich die Richtige sei. Für mich war die Sache zu Beginn weniger klar: wahrscheinlich, weil mich die vielen Dates vorsichtiger gemacht hatten.

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«Das Onlinedating machte mich selbstbewusster, lockerer und offener. »

Ich traf Sebastian während sechs Wochen mehrmals wöchentlich. Dann brach ich zu einer vierwöchigen Asienreise auf. Und verlor Sebastian beinah: Auf einer Bootsfahrt fiel mein Smartphone in den Mekong. Für mich eine Katastrophe: Ich kannte Sebastians Telefonnummer nicht auswendig. Glücklicherweise fand ich im Web seine Mailadresse. Seit zwei Jahren sind wir nun ein Paar, vor Kurzem sind wir zusammengezogen.

Das Onlinedating machte mich selbstbewusster, lockerer und offener. Ich weiss nun, dass viele Köche taube Fingerspitzen haben, es Handballspieler gibt, die sich sieben Mal die Nase gebrochen haben, oder dass einige Männer ihren Salat lieber ohne Sauce essen. Und doch bin ich mir nicht sicher, ob ich so einen Dating-Marathon noch einmal auf mich nehmen würde. Ich hoffe, dass sich mir diese Frage nie wieder stellen wird.»

– Anna-Lena Burri * (31)

* alle Namen geändert

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