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6 Büchertipps für den Herbst

Literatur & Musik

6 Büchertipps für den Herbst

Happy Herbst! Die Tage werden kürzer, die Marroni-Stände zahlreicher, die Blätter bunt... und wir verlieren uns am liebsten in diesen Büchern.

Erzählband: «Grand Union» von Zadie Smith

Zadie Smith kann alles: Strandferien von Mutter und Tochter mit Diskussionen über das Verhältnis zwischen Mensch und Tier beziehungsweise Mama und Chicken Wings. Gutmenschentum und Rassismus in der New Yorker Bohème. Ein Wasserpark, dessen Hauptattraktion zu einer Metapher fürs Leben wird. In ihrem ersten Erzählband zeigt sich die Bestsellerautorin von ihrer wandelbarsten Seite. Ihr gelingt eine apokalyptische Satire ebenso wie ein Drama in vier Akten. Und selbst wo sie danebenhaut, bringt sie das Hirn in Schwung.

 

Zadie Smith: Grand Union. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2021, 272 Seiten, ca. 32 Fr.

Roman: «In Flammen» von Megha Majumdar

Drei Menschen, drei Lebenswege, die sich auf verhängnisvolle Weise kreuzen: Jivan gerät in Verdacht, einen Brandanschlag auf einen Zug verübt zu haben. Lovely ist eine transsexuelle Hobbyschauspielerin mit Bollywood-Ambitionen, der Jivan Englisch beigebracht hat. PT Sir war Jivans Sportlehrer und verfällt mehr und mehr dem hinduistischen Nationalismus. Megha Majumdar entwirft vor dem Hintergrund des zeitgenössischen Indiens ein Drama, in dem Gegensätze aufeinanderprallen: Macht und Ohnmacht, Loyalität und Verrat, Armut und Träume von Erfolg oder auch nur von allerbescheidenstem Glück. Sie schildert die Geschehnisse abwechselnd aus der Sicht ihrer Hauptfiguren, legt deren Motivationen dar, zwingt einen aber nicht, sie auch gutzuheissen. Ein knisternder Debütroman, der zeigt, wie leicht das Band zwischen Moral und Menschlichkeit reisst.

 

Megha Majumdar: In Flammen. Aus dem Englischen von Yvonne Eglinger. Piper-Verlag, München 2021, 335 Seiten, ca. 32 Fr.

Roman: «Borgo Sud» von Donatella Di Pietrantonio

Der Anruf ist ein Schock: Adriana ist vom Balkon gestürzt und liegt schwer verletzt im Spital. Ihre Schwester weiss, dass es kein Unfall gewesen sein kann. Doch als sie zurück nach Pescara reist, um herauszufinden, was wirklich geschehen ist, stösst sie auf Schweigen. Das Vertrauen von Adrianas Nachbarn im ärmlichen Hafenviertel Borgo Sud muss sie sich erst verdienen. Für die Ich-Erzählerin wird die Reise auch eine in die Vergangenheit. Die zwei Schwestern, einst Verbündete im Kampf gegen ihre lieblosen Eltern, sind sich über die Jahre hinweg fremd geworden. Donatella Di Pietrantonio entwirft ein stimmungsvolles Mosaik: Spaghetti alla chitarra an einer verregneten Hochzeit. Das Leuchten eines gelben Sommerkleides in einem unpassenden Moment. So entsteht ein süditalienisches Sittenbild, auf dem Gefühle so differenziert zum Ausdruck kommen wie die üppige Kulisse.

 

Donatella Di Pietrantonio: Borgo Sud. Aus dem Italienischen von Maja Pflug. Kunstmann-Verlag, Berlin 2021, 222 Seiten, ca. 32 Fr.

Roman: «Geiseln» von Nina Bouraoui

Sylvie macht kein Drama. Nicht als ihr Mann sie verlässt. Nicht wegen der Drecksarbeit, die ihr Chef ihr aufbürdet, dessen Gummifabrik vor dem Aus steht. Doch dann bricht die Gewalt, die sie über Jahrzehnte hinweg verinnerlicht hat, plötzlich aus ihr hervor. Damit auch die Erinnerung an ein Ereignis, das sie mit aller Kraft verdrängt hat. Sylvie begeht eine Tat, die ihr die Gesellschaft nicht verzeiht. Lakonisch und fadengerade feministisch entwirft Nina Bouraoui das Psychogramm einer Frau, die zur Rächerin wird.

 

Nina Bouraoui: Geiseln. Aus dem Französischen von Nathalie Rouanet. Elster-&-Salis-Verlag, Zürich 2021, 125 Seiten, ca. 26 Fr.

Roman: «Die Leuchtturmwärter» von Emma Stonex

1972 verschwinden drei Wärter spurlos von einem Leuchtturm vor der Küste Cornwalls. Zwanzig Jahre später sucht ein Schriftsteller nach Antworten. Zum ersten Mal brechen die Frauen der Vermissten ihr Schweigen. Doch je mehr die Hinterbliebenen preisgeben, desto zahlreicher werden die Wahrheiten, bis sogar übernatürliche Erklärungen plausibel erscheinen. Geschickt wechselt Emma Stonex zwischen Perspektiven und Zeitebenen, zwischen Alltag auf dem Festland und der Unberechenbarkeit der See. Ein Spannungsroman, in dem Meer und Emotionen gleichermassen hohe Wellen werfen.

 

Emma Stonex: Die Leuchtturmwärter. Aus dem Englischen von Eva Kemper. S.-Fischer-Verlag, Frankfurt a. M. 2021, 430 Seiten, ca. 34 Fr.

Roman: «Geisterwand» von Sarah Moss

Silvie und ihre Mutter verbringen den Sommer mückengeplagt im nordenglischen Moor, damit Papa seine Vorstellungen von primitiver Reinheit ausleben kann. Je länger das Experiment dauert, desto unheilvollere Dimensionen nehmen Beerensuchen, Feuermachen und Vergangenheitsbeschwörungen an. Ein Roman über gefährliche Mythen, Obsessionen und Hobbies, die im Horror enden – knapp und knisternd.

 

Sarah Moss: Geisterwand. Aus dem Englischen von Nicole Seifert. Berlin-Verlag, Berlin 2021, 158 Seiten, ca. 29 Fr.

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