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Luna Wedler in «Jakobs Ross»: «Mich interessieren Abgründe»

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Luna Wedler in «Jakobs Ross»: «Mich interessieren Abgründe»

Die Zürcherin Luna Wedler spielt in ihrem neusten Film «Jakobs Ross» eine Magd in der Schweiz des 19. Jahrhunderts. Wir haben mit ihr über Leidenschaft, Verletzlichkeit und Intuition gesprochen.

«Jakobs Ross» von Regisseurin Katalin Gödrös ist, man kann es nicht anders sagen, ein brutaler Film. Er basiert auf dem gleichnamigen Roman von Silvia Tschui (2014) und spielt in der ländlichen Schweiz des 19. Jahrhunderts. Die junge Magd Elsie (Luna Wedler) muss gegen ihren Willen den Knecht Jakob (Valentin Postlmayr) heiraten. Zusammen ziehen sie in ein abgelegenes Bergdorf. Jakob träumt vom eigenen Pferd, vom sozialen Aufstieg. Elsie hingegen will singen – und tut es auch, in jeder freien Minute, es ist ihre Überlebensstrategie in einer beengenden, patriarchalen Welt. Die magische Kraft ihrer Stimme scheint ihr einen Ausweg in ein besseres Leben zu ermöglichen, bringt sie aber auch in Gefahr. Wir haben die 24-jährige Luna Wedler in ihrer Heimat Zürich zum Gespräch getroffen.

annabelle: Luna Wedler, singen Sie im Film eigentlich selbst?
Luna Wedler: Ich singe einige Lieder selbst, andere nicht. Für manche bräuchte es jahrelanges Training. Diese singt Martina Linn, eine extrem tolle Musikerin, die mir für den Film Unterricht gegeben hat. Singen ist so etwas Intimes, ich fühlte mich richtig nackt dabei. Ich bin keine Sängerin und hatte Respekt davor, eine Figur zu spielen, für die Musik das Wichtigste im Leben ist. Aber das ist ja auch das Zentrale bei Elsie: Sie ist keine ausgebildete Sängerin. Die Musik ist für sie etwas Intuitives.

Das spürt man: Die Musik geht wirklich durch Elsies Körper, das überträgt sich auch auf die Zuschauer:innen.
Wir kennen alle dieses Verliebtheitsgefühl – dieses Brodeln und Brennen, die Aufregung. Elsie empfindet genau das für die Musik, es ist wie eine Sucht für sie. Die Musik ist ihre grosse Liebe. Und ihre Waffe: Denn Elsies Gesang zieht die Leute so sehr in Bann, dass es ihnen Angst macht. Ihr Gesang versetzt sie in einen anderen Zustand.

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«Elsie tut alles, um ein möglichst eigenständiges Leben zu führen – das hat mich beeindruckt»

Konnten Sie dieses Gefühl nachvollziehen, so stark für etwas zu brennen?
Ja, mir geht es ja ähnlich mit dem Film: Ich bin überzeugt davon, dass das Kino etwas mit uns macht, mit allen Menschen. Du gehst nie als die gleiche Person aus dem Film, als die du reingehst. Auch das Kino ist etwas, das uns als Menschen verbinden kann. Wenn wir einer Figur auf der Leinwand zuschauen können, vor allem in den Momenten, in denen sie nicht spricht, sondern einfach ihr Leben lebt, fühlen wir uns, glaube ich, weniger allein.

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Was haben Sie gemacht, um sich für den Film in die Schweiz des 19. Jahrhunderts zu versetzen?
Ich habe in einigen historischen Filmen mitgespielt, aber keiner spielte in einer Zeit, die so weit zurückliegt. Da stellt sich die Frage: Wie fangen wir das Zeitgefühl ein? Katalin (Gödrös, die Regisseurin, Anm. d. Red.), Valentin (Postlmayr, der Jakob spielt, Anm. d. Red.) und ich verbrachten zehn wunderschöne Tage in einem kleinen Häuschen im Toggenburg, um zu proben. Valentin und ich haben auf einem Bauernhof in der Nähe gearbeitet, haben geheut und sind um 4 Uhr morgens aufgestanden, um die Kühe zu melken. Wir haben gelernt, Wiesen mit einer Sense zu mähen. Am Abend waren wir dann ziemlich am Ende. Diese Übung war für Katalin zentral, denn diese heftige körperliche Arbeit, dieses Schuften, um zu überleben, bestimmt ja den ganzen Alltag von Jakob und Elsie.

Das war vermutlich auch für das Einüben der Beziehungsdynamik wichtig – die spielt im Film eine wichtige Rolle.
Elsie und Jakob sind beide stur, beide haben ihren Traum und wollen den durchsetzen. Für eine Frau ihrer Zeit kann Elsie wahnsinnig gut für sich einstehen. Sie besteht darauf, dass sie ihr Geld untereinander aufteilen. In dieser Hinsicht ist das eine fast moderne Beziehung. Aus heutiger Sicht will man ihr trotzdem manchmal zurufen: Hau doch einfach ab. Aber das ging nicht. Sie konnte ihren Mann nicht verlassen und tat trotzdem alles, um ein möglichst eigenständiges Leben zu führen – das hat mich sehr beeindruckt.

Man hätte Elsie leicht als Heldin zeichnen können, als unverwundbare, starke Frau. Aber Elsie ist verletzlich: Die Zuschauer:innen sind nahe an ihr dran und spüren ihr Leiden. Einmal legt Elsie sich einfach kurz auf eine Bergwiese, sinkt in sich zusammen. Man spürt: Sie kann nicht mehr.
Ja, und das war mir sehr wichtig. Niemand muss einfach «die starke Frau» sein. Wir müssen aufhören, nur das Starke zu feiern. Es ist stark, wenn man Schwäche zeigen kann. Stärke und Schwäche, wie Glück und Pech, gehören zusammen. Sie liegen, gerade auch in diesem Film, näher beieinander, als wir denken.

«Wenn ich ein Drehbuch lese, dann ist das Wichtigste, dass ich mich aufmache, mitfühle, empathisch bin»

Elsie erlebt körperliche und seelische Gewalt, aber auch intensive Glücksgefühle – wie haben Sie sich auf den radikalen Körpereinsatz vorbereitet, der die Rolle erfordert?
Die Frage nach der Vorbereitung wird mir oft gestellt, und ich finde sie schwierig zu beantworten. Jede:r Schauspieler:in hat eine eigene Strategie. Bei mir ist es eine innerliche Arbeit: Ich bewege mich nicht zur Rolle hin, ich arbeite nicht auf sie zu, sondern umgekehrt. Wenn ich das Drehbuch lese, dann ist das Wichtigste, dass ich mich aufmache, mitfühle, empathisch bin. Ich öffne mich der Figur komplett. Ich muss quasi zulassen, dass die Figur zu mir kommt. Ich will meinen Rollen so sehr gerecht werden, ihre Geschichten erzählen, ihre Abgründe. Und dafür muss ich vor allem offen sein für das, was die Figur mir erzählt. Mich interessieren die Abgründe von Menschen. Sie sind das, was uns verbindet.

Ein schöner Gedanke: Sie erobern sich nicht Ihre Rollen, sondern lassen sie zu sich kommen.
Das ist für mich Schauspiel: Du kannst nicht alles planen und proben. Die Magie passiert im Spiel und zwischen den Figuren. Manchmal wusste ich vor einem Take meinen Text nicht mehr, aber ich wusste, es ist alles in mir drin, Elsie ist da, ich kann auf sie vertrauen. Ich musste mich nur darauf einlassen, auf mein Gegenüber, auf die Szene. Schauspielern bedeutet für mich Zuhören und Zulassen.

Wie sind Sie eigentlich zu Ihrer Rolle als Elsie gekommen?
Ich habe Katalin Gödrös vor Jahren bei einem Dreh für den «Bestatter» kennengelernt. Sie erzählte mir damals, dass eine Adaption des Romans «Jakobs Ross» geplant sei. Sie fragte mich: Interessiert dich das? Da habe ich mir das Buch gekauft. Diese Welt, die da erschaffen wird – das hat mich geflasht. Wenn man das Buch liest, kann man diese Zeit riechen, den Kuhmist, das Heu, den Schweiss. Und man spürt diese mystische Ebene, die Magie, die von Elsies Stimme ausgeht. Und natürlich hat mich Elsie selbst fasziniert, wie unbeirrbar und clever sie ist. Ich vermisse sie jetzt schon.

«Jakobs Ross» ist ab dem 18. Januar im Kino zu sehen.

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