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Warum wir von der Serie

Warum wir von der Serie "All's Fair" mit Kim Kardashian abraten

Kim Kardashian schauspielert jetzt an der Seite von Hollywood-Grössen wie Naomi Watts und Glenn Close in der neuen Hulu-Serie "All's Fair". Unsere Autorin findet: die schlechteste Show des Jahres – vor der man jede Frau warnen sollte.

Ich habe viel ausgehalten als «Sex and the City»-Fan der ersten Stunde: die On-/Off-Liebe von Carrie und Mister Big, die Eheprobleme von Charlotte, die ungewollte Schwangerschaft von Miranda, den Verlust von Samantha. Vor allem aber den ersten Kinofilm, den zweiten danach – und schliesslich das Serien-Remake «And just like that ...».  

Schockiert bingte ich damals ebenjenes Remake, starrte auf die grotesk overstylten Protagonistinnen in ihrer absurd teuren Lebenswelt, die eigentlich nicht mehr war als ein Werbespot für Luxusmarken auf Serienlänge, und bemitleidete die von Botox eingefrorenen Gesichter meiner ehemaligen Lieblings-Serienfrauen.

Die Dialoge der drei Remake-Staffeln waren so schlecht, weil so gestelzt, dass ich mich kurz fragte, ob ich mir den smarten Witz der allerersten «Sex and the City»-Staffeln nur eingebildet hatte. Vor lauter Schreck wollte ich fast ein bisschen weinen – womit hatten ich und mit mir alle fernsehschauenden Frauen ein solch schlechtes Remake verdient?

Ich war mir sicher: Schlimmer könnte es nicht kommen

Damals war ich mir sicher gewesen: Schlimmer könne es nicht mehr kommen. Keine andere Serie würde jemals wieder so schlecht sein.

Doch dann, and just like that, wurde es schlimmer. Genauer gesagt mit der neuen Hulu-Serie «All’s Fair», die gerade gestartet ist und in der Kim Kardashian neben Stars wie Naomi Watts, Sarah Paulson und Glenn Close eine lukrative Scheidungsanwältin aus Kalifornien spielt, die ausschliesslich die Anliegen von Frauen vertritt und damit reich geworden ist.

Alles, was in «And just like that ...» schon grottig war, ist in «All’s Fair» noch zehnmal schlechter. Und das ist nicht übertrieben, leider.

Warum, warum, warum?

Das Styling der Protagonistinnen ist so over the top, dass es sich nicht mehr um Styling oder Mode im eigentlichen Sinne handelt, sondern oftmals um lächerliche Kostüme; das Product Placement von Chanel- bis Birkin-Tasche so schamlos, dass es peinlich ist; die Dramaturgie der Handlung so fragwürdig wie vorhersehbar; und die Dialoge sind so schlecht, dass ich stellenweise ernsthaft an meinem Gehör zweifelte.

Warum, warum, warum?, tickerte es in Dauerschleife durch mein Gehirn, während ich mir die ersten vier Folgen reinzog.

Warum sendet jemand sowas? Klar, für die Quote – aber gibt es nicht irgendwo noch einen Rest an handwerklichem Anspruch? Warum merkt Kim Kardashian nicht, dass es sich mit ihrem zur Maske erstarrten Gesicht leider nicht mehr schauspielern lässt? Warum hat es ihr niemand gesagt? Warum machen Naomi Watts und vor allem Glenn Close bei diesem Quatsch mit, der eigentlich nichts weiter ist als ein verlängerter Kardashian-Insta-Post?

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"Warum hat niemand freundlich darauf hingewiesen, dass der Girlboss-Topos à la Sheryl Sandberg wirklich ein sehr alter Hut ist?"

Warum sass niemand mit im writer’s room, der:die freundlich darauf hingewiesen hat, dass der Girlboss-Topos à la Sheryl Sandberg wirklich ein sehr alter Hut ist in der feministischen Erzählung? Apropos Hüte: Warum gibt es in dieser Serie so viele, ebenso wie Handschuhe und beige Räume mit Torbogen-Fenstern? Warum und vor allem wann hat stilloser Luxus auf Serienformat eigentlich das Erzählen abgelöst?

Unfreiwillige Ironie

Die Liste der Absurditäten und Warum-Fragen liesse sich noch weiterführen, keine Sorge. Doch das Internet und die Kolleg:innen anderer Medien haben bereits ihr vernichtendes Urteil abgegeben – am schönsten hat es Harper’s Bazaar auf den Punkt gebracht: «‹All’s Fair› ist das teuerste Meme im Fernsehen», so die Rezensentin.

Was einem hingegen als Frau wirklich Sorge bereiten kann, ist die unfreiwillige Ironie, die «All’s Fair» transportiert. Kommen Kim und ihre Kolleginnen doch als selbstgemachte Girlboss-Frauen daher, die niemanden brauchen und im Zweifel jeglichen Kummer sowie strukturelle Ungleichheit mit einem Spa-Treatment bekämpfen oder einem weiteren Schmuckstück einfach wegshoppen. Schon allein dieses Bild ist traurig genug. Es ist aber viel mehr noch das, was es am allerwenigsten sein will: reaktionär.

Das Frauenbild von «All’s Fair» feiert sich selbst als empowernd, unabhängig und fortschrittlich. Also kurzum: als feministisch. Aber in den Frauenfiguren dieser Serie liegt wenig Feministisches. Und das fängt schon beim Äusseren an: Kim Kardashian und Co. sind dermassen hochgetunt, durch Botox, Brust-OP und Butt-Lifting skulptural durchoptimiert und via High Fashion und entsprechende Gehälter vermeintlich aufgewertet, dass mir die Augen weh getan haben beim Zuschauen.

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"Das Problem ist die Gesetzmässigkeit, mit der das hochgetunte Aussehen der Protagonistinnen dargestellt wird: Hier altert niemand"

Natürlich kann jede Feministin an dieser Stelle einwenden: Sollen sie doch so aussehen, wenn sie wollen! Genau daran liegt doch die freie Wahl! Theoretisch schon. Das Problem bei «All’s Fair» aber ist die Gesetzmässigkeit, mit der das hochgetunte Aussehen der Protagonistinnen dargestellt wird: Hier altert niemand.

Nichts wabbelt, nichts hängt, nichts wackelt

Alle sind schön. Ausnahmslos. Keine der Figuren sieht zu irgendeinem Zeitpunkt schlecht aus. Selbst in Momenten der grössten persönliche Tragödie – die stets nur angerissen, aber nie in die Tiefe beleuchtet wird – quillt das Dekolleté fast aus seinem Oberteil, sitzt der Rock hauteng am perfekt trainierten Gesäss, liegt das Make-up zentimeterdick auf dem Gesicht und stöckelt sich die jeweilige Protagonistin durch ihren Alltag, als gäbe es keine bequemeren Schuhe geschweige denn Wichtigeres zu tun.

Sogar Naomi Watts, die noch am «normalsten» aussieht – sprich ihr Gesicht bewegt sich noch –, schaut stets makellos in die Kamera. Auch Glenn Close, die wohl das Thema «Schönheit im Alter» bedienen soll, sieht so altersunwürdig zurechtgemacht und perfekt aus, dass ich ihrer Figur die Sache mit dem würdevollen Altern leider nicht abgekauft habe.

Nichts wabbelt, nichts hängt, nichts wackelt hier – alles sitzt zu jeder Zeit perfekt. Keine Falten, keine Fehler, keine emotionalen Ausbrüche, dafür stets alles unter Kontrolle: Noch nicht mal ein normales Leben, nein, all das gesteht «All’s Fair» seinen Frauen nicht zu.

Der Kapitalismus aber stand nie auf der Seite der Frauen

Im Gegenteil: sexy, reich, durchoptimiert – das sind die Kriterien, die eine Frau in der «All’s Fair»-Vorstellung erfüllen muss, um als stark und selbstbewusst durchzugehen.

Dieses Bild aber ist so verquer, dass frau sich im Umkehrschluss fragen sollte: Kann das überhaupt feministisch sein? Wiederholt es am Ende doch ein zutiefst kapitalistisches Versprechen einer neoliberalen Gesellschaft: Freiheit und Selbstwert durch individuelle Selbstoptimierung und Geld. Der Kapitalismus aber stand nie auf der Seite der Frauen. Er ist ein kaputtes System, das viel zu eng mit dem patriarchalen verknüpft ist. Was daran soll fortschrittlich sein?

Deswegen, liebe Macher:innen der Serie, jetzt mal ganz im Ernst: Soll dieses Frauenbild wirklich eine Blaupause eines feministischen Daseins für «normale» Frauen mittleren Alters sein? Danke für den Lacher, danke für den Trash. Denn mehr als das ist «All’s Fair» leider wirklich nicht.

 

«All’s Fair» läuft bei uns auf Disney+

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