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Review zu «And Just Like That»: Wollen wir Carrie & Co. noch sehen?

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Review zu «And Just Like That»: Wollen wir Carrie & Co. noch sehen?

In der Schweiz sind die ersten beiden Folgen von «And Just Like That …» verfügbar. So richtig gelungen findet Editor-at-large Jacqueline Krause-Blouin die neuen Episoden des «Sex and the City»-Reboots nicht – wieso sie dennoch ein gutes Gefühl bei ihr auslösen.

Eins vorab: Bei manchen Dingen kann ich einfach nicht objektiv kritisch sein. Ein neues Album von den Strokes oder Bob Dylan? Ich finde es immer grossartig. Dasselbe gilt für alles, in dem Carrie, Miranda, Charlotte und Samantha auftauchen. Bei dem Thema darf man mich wirklich nicht fürs kritische Feuilleton befragen. Ich mochte sogar den zweiten «Sex and the City»-Film. Sue me!

Je länger ich aber «And Just Like That …» schaue, je mehr muss ich mir eingestehen, dass diese Serie objektiv betrachtet nicht gut ist. Nicht gut wie etwa ein Film von Ingmar Bergman oder Sofia Coppola, aber das ist ja hier auch wirklich nicht der Massstab. Ich kam aber nicht umhin, mich zu fragen, ob etwas, das beim Zuschauen ein derart gutes Gefühl in einem auslöst, wirklich nicht gut sein kann?

Mehr Sex, mehr Fashion

Da sind wir schon mitten drin. Die Macher:innen von «And Just Like That …» haben sich die Kritik der ersten Staffel zu Herzen genommen. Mehr Sex? Check! (auch wenn alle dabei hübsch bedeckt sind, und dazu «Hold Me Closer» aka «Tiny Dancer» von Elton John und Britney Spears läuft). Mehr Fashion? Check! (die Tauben-Clutch von JW Anderson und ein Sweatshirt mit «The New York Times»-Print) Diverser? Ja, aber nicht so bemüht wie in der ersten Staffel. Und endlich wieder gibt es auch wieder die simplen Szenen, für die SATC so geliebt wurde: Freundinnen beim Essen im Restaurant, die sich einen verbalen Schlagabtausch liefern.

Die Dialoge sind teilweise hölzern und gewollt, etwa wenn krampfhaft Rapperin Megan Thee Stallion zitiert wird und die Pointe immer weitergezogen wird, bis Carrie «Megan Thee End» sagt. Oder wenn der schwule Anthony im Kontext des Met Balls «God, I love balls» sagen muss. Teilweise finden sich aber auch Punchlines für die Ewigkeit: «It’s not crazy, it’s Valentino!»

Total unrealistisch

Ja, Carrie & Co. sind zur Met Gala eingeladen. Eine ganze Folge wird den Vorbereitungen mit grösseren und kleineren (Fashion-)Dramen gewidmet: Seema überlegt ernsthaft, ihre Met-Einladung für einen Lunch mit ihrem bindungsscheuen Liebhaber und dessen Ex-Frau abzusagen (Ich bitte euch! Total unrealistisch, wer tut so etwas?) und Carries Kleid ist eine einzige, unfertige Katastrophe in der falschen Grösse.

Lisa Todd Wexley trägt Valentino und kann dank ihres aufwendigen Headpieces nichts mehr sehen («Who needs to see?!»), läuft dann aber zehn Blocks bis zur Met-Gala (was übrigens aus Sicherheitsgründen verboten ist). Charlottes Mann Harry hat plötzlich keinen Bock mehr auf Mode («Is fashion always this hard?»), als er merkt, dass er womöglich gar nicht Rihanna über den Weg laufen wird, weil er als Nicht-Promi einen anderen Eingang benutzen muss (was nicht stimmt, es gibt bei der Gala nur einen Eingang).

Und Carrie? Die zieht nach dem Desaster mit der unbekannten Designerin kurzerhand ihr altes Hochzeitskleid von Vivienne Westwood an. («And just like that… I’ve repurposed my pain.») Eine schöne Hommage an die vor einem halben Jahr verstorbene Modemacherin. Und natürlich ein Wink in Richtung Upcycling-Trend.

Der grösste Fashion-Cock-Block aller Zeiten

Das war alles spannend, unterhaltsam und ein Fashion-Fest. Aber wo bleibt nach diesem Buildup gefälligst die Met-Gala – in der Folge, die «Die Met-Gala» heisst? Wir sehen weder Rihanna noch Anna Wintour, noch was vor Ort passiert – und nicht einmal, wie Carrie und ihre aufgebrezelten Freundinnen die berühmten Museumsstufen erklimmen. Nichts.

Auch über den Abend gesprochen wird nie mehr. Nachdem alle so ein Bohei darum gemacht haben. Hallo, Plot?! Das ist wirklich der grösste Fashion-Cock-Block in der Geschichte des Privatfernsehens. Wenn Zoolander an der Met-Gala drehen kann, dann doch wohl auch die moderverrückteste Serie aller Zeiten.

Aber gut, ich habe ja eingehend erklärt, dass ich über vieles hinwegsehen kann. Zum Beispiel über die peinliche Szene, in der Miranda verzweifelt versucht, sich einen Strap-on-Dildo umzuschnallen. Oder dass Carrie mit Mitte 50 zum ersten Mal tollpatschig ein Ei pochiert. Samantha ist in den ersten beiden Folgen noch nicht aufgetaucht, Gerüchten zufolge soll es erst im Finale soweit sein. Aber der heimliche Star dieser Staffel ist sowieso Charlotte.

Wer da nicht lacht, hat kein Herz

Kristin Davis läuft überraschend zur Höchstform auf: So auf den Punkt in Sachen Timing und Darbietung hat man sie in den letzten 25 Jahren nicht gesehen. Alleine für Charlottes Gesichtsausdruck, wenn sie einen fremden Mann in Carries Apartment erblickt, lohnt sich das Streaming-Abo. Oder wenn sie Harry zu Beckenbodenübungen antreibt. Wer da nicht laut lacht, hat kein Herz.

In solchen Momenten stellt sich eben wieder dieses wohlige Gefühl ein, bei so vielen von uns, die mit Carrie, Miranda, Charlotte und Samantha die Ups- und Downs ihres eigenen Dating-Lebens geteilt haben. Und durch die Fragen der vier Freundinnen an die Liebe und das Leben Antworten auf ihre eigenen bekamen. «And Just Like That …» zu schauen, ist wie ein Treffen mit der ältesten besten Freundin. Man würde sich heute vielleicht gar nicht mehr kennenlernen, weil man mittlerweile in unterschiedlichen Bubbles verkehrt. Aber nirgendwo fühlt man sich so grundlegend verstanden.

«And Just Like That …» ist bei Sky Show zu sehen. Die dritte Folge erscheint am 29. Juni.

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