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Corona: Fünf Statements zum Pandemie-Befinden

Zeitgeist

Corona: Fünf Statements zum Pandemie-Befinden

Wir befinden uns in der vierten Corona-Welle. Was passiert in den kommenden Monaten? Wir wollten von unserem Team wissen, was sie gerade bewegt, wie sehr sie die Pandemie noch umtreibt und wie hoffnungsvoll sie in die Zukunft blicken.

«Ich möchte nicht zurück»

Redaktorin Vanja Kadic

«Monatelang checkte ich jeden Morgen hoffnungsvoll meine Push-Benachrichtigungen: Öffnen die USA ihre Grenze endlich wieder für Europäer:innen? Ein Luxusproblem, I know, aber ich träume nach anderthalb Jahren Pandemie davon, endlich wieder in die USA reisen zu können. Immer wieder verstrichen inoffizielle Daten, an denen man die grosse Wiedereröffnung erwartete – bis das Weisse Haus schliesslich vor einigen Wochen bekannt gab, den Travel Ban bis auf Weiteres aufrechtzuerhalten. Mittlerweile mache ich mir keine Hoffnungen mehr. Vielmehr sorge ich mich nun wegen der Auswirkungen der vierten Welle in der Schweiz. Hoffe, dass die Spitäler nicht kollabieren. Sich mehr Menschen impfen lassen. Und fürchte harte Massnahmen, die wieder auf uns zukommen könnten: Noch so ein Winter wie im vergangenen Jahr wäre für meine Mental Health schwierig. Denn im Lockdown wurde die eigene Welt sehr, sehr klein – im dunklen, kalten Winter war diese Isolation kaum auszuhalten. Manchmal fühlte es sich an, als würde ich in einer Schneekugel leben. Das ‹New Normal› mit geöffneten Bars, Restaurants und Events hat in den vergangenen Monaten unglaublich gutgetan – und zurück möchte ich auf keinen Fall.»

 

«Ich fühlte mich oft gefangen und alleine»

Junior Marketing Managerin Sophie Eggenberger

«Den ersten Lockdown und viele weitere Wochen in der Pandemie verbrachte ich bei meinem Freund in Bielefeld. Obwohl dieser Teil Deutschlands in Sachen Restriktionen nicht mal zu den strengsten Bundesländern zählte, fühlte ich mich im Vergleich zur Schweiz oft gefangen und alleine. Auf die Freiheiten und Möglichkeiten zur Ablenkung, die mir mein Leben in Zürich bot, wollte ich immer seltener verzichten. Ein weiteres Jahr mit so starken Einschränkungen würde mich wahrscheinlich dazu bewegen, die Grenze noch weniger oft zu überqueren – und dieser Gedanke deprimierte mich. Komplizierte Restriktionen, teure Tests, geschlossene Flughäfen und die ständige Unsicherheit, wann man sich wieder sieht, sind nicht gerade Idealvoraussetzungen für eine Fernbeziehung. Ich glaube, für viele Paare war das letzte Jahr eine Herausforderung und ich habe in meinem Umfeld mitbekommen, dass sich viele wünschten, nicht so nah auf dem Partner oder der Partnerin sitzen zu müssen. Ich kann jedoch aus eigener Erfahrung versichern, dass das Gegenteil auch nicht toll ist.»

 

«Bei einem erneuten Lockdown würde ich das Land verlassen»

Stv. Chefredaktorin Kerstin Hasse

«Noch vor wenigen Monaten im tristen, grauen Zürcher Pandemie-Winter schrieb ich ein Contra-Text zur Frage: Ist es okay, während der Pandemie zu verreisen? Meine Ansicht war klar: ‹Nein, ist es nicht.› ‹Mir geht es hier aber nicht um die Personen, die so leiden, dass sie es nicht mehr aushalten, sondern um die, die aus lauter schweizerischer Wohlstandsverwöhntheit ihre Köfferchen packen›, schrieb ich damals. Und hinter dieser Aussage stehe ich noch immer. Bloss weiss ich nicht, ob ich nicht zu der ersten Gruppe gehören würde, wenn es erneut einen Lockdown gäbe. Dieser Winter und dieses Frühjahr waren hart. Mein Freund und ich arbeiteten beide von zu Hause aus, wir sassen permanent aufeinander. Und das war schlicht zu viel der Nähe. Irgendwann hockten wir einander nur noch lustlos schweigend gegenüber – ausgerechnet wir, die sich sonst so rege beim Abendessen austauschen konnten, die stundenlang miteinander diskutierten. Uns fehlten die Stimulationen von aussen, uns fehlte das Abenteuer des Alltags, uns fehlte die Ferne, um die Nähe wieder wertzuschätzen. So weit würde ich es nicht mehr kommen lassen, vorher würde ich verreisen und mein Homeoffice irgendwo in der Ferne aufschlagen.»

«Covid-19 hat mein Leben fest im Griff»

Lifestyle Praktikantin Irina Eftimie

«Seit gut eineinhalb Jahren bin ich vor allem zu Hause. Ich beschränke meinen Ausgang auf Drinks mit Freund:innen im Freien, arbeite häufiger von zu Hause aus als im Büro, verbringe meine Ferien in der Schweiz oder shoppe online. Covid-19 hat mein Leben noch immer fest im Griff. Auch wenn ich nun geimpft bin und bisher noch nicht angesteckt wurde, mache ich mir ständig Gedanken dazu. Ich fühle mich zu unsicher, die Pandemie macht mir noch immer Angst. Der Zuversicht, die seit Beginn der Impfkampagne in der Schweiz herrscht, kann ich mich noch nicht anschliessen. Ich traue diesem Frieden einfach nicht. Ich habe keine Ahnung, wie ich diesem Gefühl weniger Macht über mein Leben geben kann, die steigenden Fallzahlen helfen jedenfalls nicht. Dass es bald schon wieder Einschränkungen geben wird, ist für mich recht absehbar. Ich mache mich also nochmal auf einen Winter gefasst, den ich vor allem allein verbringen werde. Aber dieses Jahr bin ich vorbereitet und deshalb versuche ich mich auf positive Projekte zu konzentrieren: Ich mache mich auf die Suche nach einem bequemeren Sofa, baue meine Pflanzensammlung aus und freue mich auf gemütliche Abende mit meiner Katze. Ich finde, das klingt gar nicht so schlecht.»

 

«Delta und Epsilon spielen in meinem Leben keine Rolle»

Reportage Praktikantin Alica Wenger

«Steigende oder sinkende Fallzahlen, Lockerungen oder erneute Verschärfungen von Massnahmen – all das registriere ich nur noch am Rande. Wenn, dann meist durch Gespräche im Arbeitsumfeld. Irgendwo hat die Pandemie aufgehört, mich zu verfolgen – ich lebe mein Leben so, wie es der Moment erlaubt. An zukünftige Entwicklungen, an Delta oder Epsilon, denke ich nicht. In meiner Freizeit gehe ich ins Kino, wandern, besuche den Wochenmarkt oder treffe Freunde – so wie vor der Pandemie. Wo nötig, trage ich eine Maske – wenn keine Plakate darauf hinweisen, schätze ich das meist an den entgegenkommenden Gesichtern ab. Mein Leben verläuft mit Höhen und Tiefen – und zwar ganz unabhängig von Corona. Zugegeben: Teils sehne ich mich nach unkomplizierten Veranstaltungen, tiefen Bässen und Strobo-Lichtern bis zum Morgengrauen. Eine Weile auf solche Aktivitäten zu verzichten, hatte aber durchaus seine Vorteile. Ich habe Geld gespart und weniger Wochenenden verkatert verbracht. Sollten die Restriktionen erneut strenger werden, dann bin ich geübt: Dann gibts halt wieder Take-aways, Gemüse direkt ab Hof und Spieleabende. Natürlich ist mir nicht entgangen, dass viele Menschen finanziell, mental oder körperlich unter der Krise leiden und dass mein Gemütszustand ein Privileg darstellt. Stetige Angst und Besorgnis helfen mir aber auch nicht weiter.»

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Ursula

Liebe “annabelle” Damen, ich gehöre zu den Seniorinnen, die schon Annabelle lasen, als Eure Mütter klein waren. Es amüsiert mich zu lesen, wie man heute so schnell davon träumt, noch schnell mit dem Flugi nach irgendwo zu fliegen, um das Hier zu vergessen.
Ich war zwar im Tourismus tätig und bin viel herumgereist. Dennoch, wer viel weg ist lernt die CH zu schätzen. Wir haben 2/3 Berge und Täler, was die Regierung in der Pandemie nicht wahrnahm. Wir kennen zwar die berühmten Ferienorte, doch es gibt hunderte andere Täler, da gibt es ein paar Häuser, ein paar Gasthöfe und enorm viel freier Raum. Da kann man in der Pandemie spazieren gehn oder Picknicken usw. Ich wünsche den vielen Städterinnen und Agglomerinnen, sich unser Land auch mal von der Seite anzugucken, wo Jodeln und Schwingen gross geschrieben wird. Also, viel Spass trotz Pandemie!

Vanja Kadic

Vielen Dank für Ihren Kommentar. Das stimmt, die Schweiz ist ein wundervolles Land, das viel zu bieten hat und das viele von uns in den anderthalb Jahren Pandemie noch besser kennenlernen konnten. Von einer Reise in ein anderes Land zu träumen, finde ich allerdings normal. In unserem Land gibt es viel zu entdecken – gleichzeitig kann man das Reisen vermissen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag! Vanja Kadic