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Das neue Heft ist da: Barbara Loop über stolze Weiblichkeit

Zeitgeist

Das neue Heft ist da: Barbara Loop über stolze Weiblichkeit

Ab heute liegt die neue annabelle am Kiosk. Lest hier das Editorial von Chefredaktorin Barbara Loop.

Rot kombiniert mit Schwarz, dazu applizierte Stoffblumen, gestickte Blütenmuster, die folkloristisch anmuteten – als dann bei der Show von Jil Sander auch noch Fransenlooks präsentiert wurden, flüsterte mir annabelle Creative und Fashion Director Nathalie De Geyter zu: «Flamenco! Wir brauchen eine Flamenco-Modestrecke!»

Für diese Ausgabe standen im andalusischen Hinterland bei Sevilla zwei Flamenco-Tänzerinnen und eine Sängerin vor der Kamera des Fotografen Yannick Schuette. Oder vielmehr: Sie sangen und tanzten vor der Kamera– und setzten die Looks der Saison in Szene.

Die Bilder sind eindrücklich: Die Dramatik der Bewegungen, die Emotionalität der Mimik, Blicke voller Temperament; im Kopf beginnt die Musik zu spielen. Dramatisch, emotional, temperamentvoll – mir wird bewusst, dass dies alles typisch weibliche Zuschreibungen sind. Googeln Sie mal temperamentvoll! Sie müssen lange scrollen, bis Sie das Bild eines Mannes entdecken.

Sie finden aber Bilder von Kindern, Haustieren und natürlich von Frauen. Als temperamentvoll, dramatisch und emotional werden Frauen beschrieben, die ein bisschen zu laut sind, einen Tick zu aufgedreht, die grad noch so durchgehen, bevor Mann sie als hysterisch klassifiziert.

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«Es tut gut, wenn jemand auch mal streitbar ist und sich der Kritik stellt»

Was in der ritualisierten Form eines Tanzes toleriert wird, wird im Alltag meist negativ bewertet. Umso schöner, dass so viel stolze Weiblichkeit und so viel Drama nach all den minimalistischen, maskulinen Kollektionen wieder Platz hat in der Mode.

Mit Temperament gesegnet und dem Drama bestimmt nicht abgeneigt ist Ina Balke. Das 87-jährige Ex-Model nimmt kein Blatt vor den Mund, auch nicht im Interview, das Claudia Senn mit ihr führte. Das hat Seltenheitswert. Denn heute spricht kaum jemand mehr gern mit Journalist:innen. Zu gross ist die Angst vor dem Shitstorm, zu viel Geld steht auf dem Spiel, insbesondere im notorisch überheizten Modebusiness.

Und wofür auch? Schliesslich kann man das eigene Image wohltemperiert und schöngefärbt auf Social Media pflegen. Schade! Es tut gut, wenn jemand auch mal streitbar ist und sich der Kritik stellt. Und zwar ohne in die «Das wird man doch wohl noch sagen dürfen»-Phrase zu verfallen, die meist auf Aussagen folgt, die man tatsächlich nicht mehr sagen darf. Oder nur dann, wenn – wie in einem Interview – von einer guten Journalistin widersprochen werden kann.

Dann springen die Funken, dann zünden die Ideen, dann tanzen die Gedanken. Olé!

Herzlich,
Barbara Loop

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