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Kim feiert Luxusparty trotz Corona – ich verstehe die Aufregung nicht

Marie Hettich
Marie Hettich

Co-Leiterin Digital

Auf Social Media empören sich gerade einige darüber, dass Kim Kardashian ihren 40. Geburtstag mitten in der Corona-Pandemie auf einer Privatinsel gefeiert hat. Redaktorin Marie Hettich findet: Gönnen wir ihr den Trip doch.

Kim Kardashian wurde am 21. Oktober 40 Jahre alt. Und seit vorgestern wissen wir auch, was sie an diesem Tag getrieben hat. Die Kurz-Zusammenfassung: Sie ist zusammen mit Family und Friends auf eine Privatinsel geflogen, um – so schreibt sie in ihrer Instagram-Caption – «einen Moment lang so zu tun, als wäre alles normal». Wenn man Kim glauben mag, waren sie sowie all ihre Gäste zwei Wochen vor der Feier in Quarantäne und wurden mehrmals untersucht.

Viele Leute sind nun empört. Der Tenor: Kim hätte gegenüber allen weniger privilegierten Menschen, die unter der Corona-Pandemie leiden, keine Sensibilität gezeigt. Ihr Verhalten sei geschmacklos.

Man müsse dringend eine Reichensteuer einführen, schreibt zum Beispiel eine Twitter-Userin, «damit denen das breite Grinsen endlich vergeht». Einige posten Pics des oscarprämierten Films «Parasite» – wo auf der Geburtstagsparty einer wohlhabenden Familie plötzlich ein blutrünstiges Gemetzel ausbricht.

Ausserdem wird kritisiert, dass mit keinem Wort erwähnt wurde, wie das Sicherheitskonzept für das Servicepersonal auf der Insel ausgesehen habe. Eine Überlegung, die mir nicht einleuchtet, weil ja laut Kim alle Gäste vorher in Quarantäne waren und getestet wurden.

Protzen als Teil des Berufs

Ich verstehe die Aufregung um Kim Kardashians Geburtstagsparty nicht – was in erster Linie daran liegt, dass es sich eben genau um Kim Kardashian handelt: Kim wurde als Reality-Star berühmt, sie ist stinkreich und hat die Superlative neu erfunden – Protzen ist quasi Teil ihres Berufs. Warum sollte sie damit wegen Corona schlagartig aufhören?

Man muss nur noch mal schnell auf ihrem Instagram-Profil vorbeischauen, um das ganze Prolo-Ausmass zu begreifen: Infinity-Pools hier, Birkin Bags da, Riesen-Décolletés, Riesen-Pos, Kindergeburtstage mit 14 Ponys. Wen wundert da irgendwas?

Natürlich können es sich Kim Kardashian sowie ihr gesamtes privates Umfeld leisten, wochenlang unter ärztlicher Aufsicht in Quarantäne zu gehen, um dann auf einer Privatinsel gemeinsam unbeschwert Geburtstag zu feiern. Natürlich ist es fragwürdig, dass einzelne Menschen so viel Reichtum anhäufen können. Und natürlich frustet es uns Normalos, wenn wir zuhause mit trüber Corona-Stimmung auf dem Sofa sitzen und plötzlich mit Kims irrsinnigen Privilegien konfrontiert werden.

Was hätten wir an Kims Stelle getan?

Eine Party mit allen Liebsten – und der Gewissheit, dass sich niemand beim anderen anstecken kann: Kim lebt unseren Traum – und sie führt uns das knallhart vor Augen. Aber so funktioniert Instagram doch, oder irre ich mich? Allen zu zeigen, wie spitze das eigene Leben ist? Umso mehr, wenn man Kim Kardashian heisst? Ich finde: Der Trip sei Kim gegönnt. Wir wissen nicht, auf welche verrückten Ideen wir mit ihren Möglichkeiten kämen.

Für mich liegt das Problem nicht bei Kim Kardashian – es liegt bei all den Leuten, die seltsamerweise erwarten, Kim sollte «eine von uns» sein. Natürlich ist sie das nicht – auch nicht jetzt, in Corona-Zeiten. Kim ist auch keine Politikerin. Sie ist ein Superstar, eine Kunstfigur. Ausschliesslich deshalb interessieren wir uns überhaupt für sie. Es kann guttun, ab und zu in die surreale Kardashian-Welt abzudriften – genauso, wie «Emily in Paris» gerade sehr vielen Menschen guttut.

All die Celebs, die zu Beginn der Pandemie aus ihren hektargrossen Gärten nett gemeinte «Wir sitzen alle im selben Boot»-Videos gepostet haben, waren der beste Beweis dafür, dass wir eben nicht alle im selben Boot sitzen, sondern sehr, sehr unterschiedliche Lebensrealitäten haben. Wahrscheinlich war das Arm-Reich-Gefälle nie so spürbar wie jetzt. Aber dafür einzelne Personen an den Pranger zu stellen, ist zu kurz gedacht. Wir leben alle in Bubbles – und es ist nur menschlich, diesen Fakt ab und zu zu vergessen.

Privilegiert – und trotzdem ab und zu verzweifelt

Auch ich vergesse manchmal, wie verhältnismässig privilegiert ich bin, mit meiner 90-Quadratmeter-Wohnung mitten in Zürich, mit Festanstellung und tollem Partner. Trotzdem sass ich letzte Woche heulend auf dem Badzimmer-Boden, weil mir das ständige Homeofficen an unserem Esstisch so zusetzt und ich meine Familie in Deutschland vermisse. Zur Aufmunterung haben mein Partner und ich uns einen Trip in ein Viersternehotel nach Adelboden gegönnt.

Was sollen Künstler, Clubbesitzerinnen oder Reinigungskräfte mit Existenzängsten jetzt dazu sagen? Alleinerziehende Mütter, die bangen, die Schulen könnten schliessen? Was Kim Kardashian in ihrem Post als «normal» bezeichnet, ist IHRE Normalität. Nicht meine, nicht die der Clubbesitzerin und auch nicht die der alleinerziehenden Mutter. Das mag nicht fair sein, ja. Aber Kims Schuld ist es nicht.

Die Lage ist zu ernst, um sich über eventuelle Geschmacklosigkeiten von irgendwelchen Superstars zu enervieren. Ich erinnere gern daran, dass in Appenzell Ausserrhoden kürzlich mehrere Menschen trotz Corona-Symptomen an einer Hochzeit mit über 200 Gästen teilnahmen – und das Brautpaar darüber angeblich sogar Bescheid wusste. Das ist mehr als geschmacklos. Es ist unverantwortlich.

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