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Meinung: Hebammen und Gynäkolog:innen, sagt uns nicht, was richtig und falsch ist

Zeitgeist

Meinung: Hebammen und Gynäkolog:innen, sagt uns nicht, was richtig und falsch ist

Charlotte Theile (34) ist Journalistin. Nach fast zwei Jahren Kinderwunschbehandlung erwartet sie Ende Jahr ihr Baby. Ihr Kind will sie aber nicht unter der strikten Verurteilung der Hebammen und Gynäkolog:innen gebären oder grossziehen.

Im Frühling kam der Anruf, auf den ich so lang gewartet hatte. «Sie sind schwanger», sagte die Ärztin, die uns begleitet hatte. Mein Freund und ich gingen noch einmal zu ihr zum Ultraschall, dann entliess sie uns in die Welt der Paare, die – nicht wie wir – ganz normal schwanger geworden waren. Und das veränderte alles.

Eine Kinderwunschbehandlung ist auf die individuellen Bedürfnisse des Paares zugeschnitten; man entscheidet, ob man einen oder lieber zwei Embryonen einpflanzen möchte, welche Abklärungen man vorher für sinnvoll hält, wie viel hormonelle Stimulation man sich zumuten kann und will. Besonders speziell erschien mir das nicht.

 

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«Plötzlich wird mir signalisiert, wie ich schwanger sein, gebären und mein Kind grossziehen soll»

Bisher hatte ich es immer so erlebt, dass mir Ärzt:innen Optionen aufzeigten – und ich dann entschieden habe, was davon für mich stimmt und was nicht. Doch nun wurde mir plötzlich signalisiert, dass es richtige und falsche Arten gibt, schwanger zu sein, zu gebären, Kinder grosszuziehen.

Zum ersten Mal passierte es beim Gespräch mit meiner Gynäkologin. Während ich noch damit beschäftigt war, mir Ultraschallglibber vom Bauch zu wischen, stellte mein Freund eine Frage. «Das würde ich nicht tun», antwortete meine Gynäkologin. «Schauen Sie, dass Sie Geld verdienen. Was Sie haben, das haben Sie.» Wir sahen uns verwirrt an. Mein Freund hatte wissen wollen, ob er vor der Geburt seine Arbeitszeit reduzieren solle, wollte eine medizinische Einschätzung, wie viel Unterstützung eine Frau im achten und neunten Monat so braucht – und erhielt einen Ratschlag, der mit seiner Frage wenig zu tun hatte. Stattdessen wurde uns gesagt, wie es richtig ist: Dass Frauen so viel wie möglich allein stemmen und Männer möglichst viel Geld verdienen sollen. So habe ich es zumindest verstanden.

Freundinnen mit Kindern, denen ich davon erzählte, zuckten mit den Schultern: So sei das eben. Eine erzählte mir von einer Hebamme, die ihr nach der Geburt vorgeworfen hatte, sie habe sich mit der PDA «vor den Schmerzen drücken» wollen, eine andere sagte, ihre Hebamme habe sich über Frauen lustig gemacht, die sich für einen Kaiserschnitt entscheiden. Diese Frauen seien nicht nur nicht informiert bis dumm, sondern vermutlich auch so angstgestört, dass sie besser gar keine Kinder hätten bekommen sollen.

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«Ich bin überzeugt: Je weniger dreingeredet wird, desto besser die Entscheidungen»

Eine Freundin schrieb mir: «Ich weiss. Und ich wünsche dir sehr, dass du nie alleinerziehend wirst. Dann kannst du das alles noch mal multiplizieren.» Mich fuckt das richtig ab. Mir gehts nicht darum, ob Wunschkaiserschnitte gut oder schlecht sind – oder ob Hochschwangere jemanden brauchen, der oder die zuhause ist und sie unterstützt. Völlig in Ordnung, dass es da unterschiedliche Meinungen gibt.

Ich finde nur: Diese Positionen haben im medizinischen System nichts verloren. Am Schluss entscheidet jede Frau, jedes Paar für sich. Ich bin überzeugt: Je weniger dreingeredet wird, desto besser die Entscheidungen. Liebe Gynäkolog:innen und Hebammen: Wir wollen so gut wie möglich informiert und beraten werden – aber wir brauchen niemanden, die oder der uns den richtigen Weg weist. Wir wissen selbst, was gut für uns ist.

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Franziska Schiffmann

Guten Tag
Ich finde es sehr schade das Sie bis jetzt so negative Erfahrungen machen mussten .
Ich arbeitete jahrelang als freiberufliche sowie angestellte Hebamme in verschiedenen Spitälern.
Mir und vielen Hebammen und Gynäkologinnen/ Gynäkologen ist es das wichtigste das Bedürfnisse der Frauen , Paare zu erfassen und sie darin zu begleiten.
Ich hoffe deshalb sehr das Sie noch die richtigen Hebammen und Ärzte/innen begegnen , damit Sie erleben wie das individuell begleitet sein gut tut.

Ich wünsche Ihnen , dem Baby und Ihrem Partner alles Gute für die Zukunft.

Freundliche Grüsse
Franziska Schiffmann

Nicole Widmer

Liebe Frau Theile, herzlichen Glückwunsch zur Schwangerschaft. Ich bin freiberufliche Hebamme und habe das grosse Glück mit werdenden und jungen Eltern zusammen zu arbeiten. Sie lesen richtig, eine Zusammenarbeit. Mir käme es nie in den Sinn nur einen Weg vorzugeben. Ich beschreibe und erkläre verschiedene Möglichkeiten, wo die Eltern ihren eigenen aussuchen. Es tut mir leid mussten sie und ihre Kolleginnen negative Erfahrungen machen. Ich kenne viele Hebammenkolleginnen welche sich ein Bein ausreissen für die begleiteren Familien. Alles Gute Nicole Widmer

Thomas Eiche

Gynäkologinnen und Hebammen sind Menschen die natürlich Ratschläge geben, sonst läuft etwas schief. Die Künstliche Intelligenz die ganz nüchtern und neutral daherkommt gibt es meines Wissens nicht und ist auch nicht erwünscht. Als Arbeitshygieniker führe ich Mutterschutz Risikobeurteilungen an den Arbeitsplätzen durch und muss unter Umständen gewisse Arbeiten verbieten, einfach weil der Arbeitgeber für die Gesundheit der Schwangeren und Stillenden schützen muss. Das ist auch Bevormundung.