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Meinung: Um ökologische Krisen zu verhindern, müssen wir weniger Strassen bauen

Politik

Meinung: Um ökologische Krisen zu verhindern, müssen wir weniger Strassen bauen

Redaktorin Stephanie Hess hat hinter dem Steuer ein hauchdünnes Nervenkostüm. Doch das ist nur ein winziger Grund dafür, wieso sie gegen den Bau von immer mehr Strassen appelliert – der Umwelt und den Menschen zuliebe.

Kürzlich landete eine E-Mail in meinen Posteingang – darin stand ein Satz, der mir nachging: «In einer von Krisen geprägten Zeit wird es immer wichtiger, zu lernen, mit der Welt eins zu sein.» Mit den Krisen sind nicht die aktuellen Kriege gemeint, sondern die anderen lebensbedrohlichen Vorgänge auf der Erde: das Massensterben der Arten, das Versiegen der natürlichen Rohstoffe, die steigende Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre.

Dieser Gedanke führt mich zu einer Frage, die mich schon länger umtreibt: Schreitet die Umweltzerstörung insbesondere deswegen voran, weil sich Menschen abgekoppelt fühlen von der Erde? Weil sie denken, einem anderen System anzugehören als der Natur?

Ich frage mich das, wenn ich sehe, wie sorglos Politiker:innen aktuell die Autobahnen ausbauen wollen. Im letzten Herbst beschloss man, 5.3 Milliarden Franken aufzuwenden, um einzelne Verkehrsknoten zu vergrössern, um Staus zu verhindern und Dörfer vom Verkehr zu entlasten. Linke Parteien und Umweltverbände sammelten darauf hin Unterschriften für ein Referendum, das nun eingereicht wird.

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«Wissenschaftlich ist eindeutig belegt: Wer Strassen sät, wird Verkehr ernten»

In der Wintersession hat der Ständerat dann nochmal einen SVP-Vorstoss gutgeheissen, der vorsieht, die A1 auf «mindestens sechs Spuren» zu vergrössern. Wissenschaftlich ist eindeutig belegt: Wer Strassen sät, wird Verkehr ernten. Ausbauten verhindern also Staus nur kurzfristig, weil sie langfristig zu mehr Verkehr führen – und damit auch zu zusätzlichem Treibhausgasausstoss (der Elektrowagenanteil liegt weiterhin bei tiefen drei Prozent).

Für den Ausbau werden Tausende Tonnen Rohstoffe benötigt, es wird weiterer Lebensraum für verschiedenste Arten wegfallen. «Der Hauptgrund für die planetarischen Krisen ist die Illusion, dass die Menschen von ihrer Umgebung losgelöst sind», sagt Professor Arto O. Salonen von der Universität Ostfinnland. Er – keineswegs ein Eso-Guru – ist der Autor der Nachhaltigkeitsstudie, in welcher der anfangs erwähnte Satz stand.

Er appelliert: «Wir müssen lernen, zu erkennen, dass wir in vielerlei Hinsicht mit der Welt verbunden sind. Etwa wenn wir atmen, wenn wir essen.» Und, so meine Ergänzung, ebenso, wenn wir konsumieren. Jedes Produkt besteht aus zig kleineren und grösseren Teilen der Welt. Die Karosseriebleche unseres Autos und genauso die winzigen Schrauben im Handy werden aus erhitztem Eisenerz geformt, das aus dem Berg herausgeschlagen wurde.

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«Die Welt manifestiert sich in den Dingen, die uns umgeben, in allen, immer»

Das Bildschirmgehäuse und der Polyesterfaden in unserer Kleidung aus Erdöl hergestellt, das zuvor im Erdboden schlummerte. Die Kartoffeln im Kühlschrank, der Kaffee in der Tasse, die Kakis in der Früchteschale, alles wuchs aus ebendiesem Boden. Die Welt manifestiert sich in den Dingen, die uns umgeben, in allen, immer.

Wenn wir den planetarischen Krisen beikommen wollen, dann müssen wir Menschen und Natur als eine miteinander verknüpfte Einheit betrachten, für die wir Verantwortung tragen. Was das für die Verkehrsplanung bedeuten könnte? Drosselung statt Ausbau.

Vielleicht, indem man damit beginnt, die durchs Autofahren verursachten Kosten für Umweltschäden oder Unfälle – die bisher zum grössten Teil von der Allgemeinheit getragen wurden – durch ein faires Gebührensystem vermehrt auf die Fahrenden umzuwälzen.

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