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Schwuler Fussballer Joshua Cavallo: Warum ein Outing immer noch eine grosse Sache ist

LGBTQIA+

Schwuler Fussballer Joshua Cavallo: Warum ein Outing immer noch eine grosse Sache ist

Der Australier Joshua Cavallo outete sich gestern als erster aktiver Profi-Fussballer weltweit zu seiner Homosexualität. Im Jahr 2021 keine Sensation mehr, könnte man denken. Warum Cavallos Outing eben doch ein Big Deal ist, lest ihr hier.

«Ich bin Fussballer, und ich bin stolz, schwul zu sein.» Mit diesen Worten wendete sich der 21-jährige Joshua Cavallo, der beim australischen Erstligisten FC Adelaide unter Vertrag steht, gestern an die Öffentlichkeit. Sichtlich bewegt erzählt Cavallo im Video, dass er immer das Gefühl hatte, sich verstecken zu müssen, da er sich schämte. Dass er Angst hatte, niemals seinen Traum vom Profifussball leben zu können, weil er schwul ist. «Alles was ich tun will, ist Fussball spielen und gleich behandelt werden wie alle anderen.»

Cavallo ist der erste aktiv spielende Profifussballer weltweit, der in einem Erstliga-Verein unter Vertrag steht und sich während seiner Karriere als homosexuell outet. Das sagt einiges über das Umfeld Fussball aus – aber auch über unsere Gesellschaft. Dass man als männlicher Fussballspieler jahrelang ein Doppelleben führen muss, weil man sich nicht sicher genug fühlt, seine wahre Identität leben zu können. Dass es 2021 werden musste, bis ein junger Profifussballer den Mut finden konnte, sein jahrelanges Versteckspiel zu beenden. Dass queere Menschen sich aus Angst vor Konsequenzen heute noch vor einem Outing fürchten müssen.

Toleranz kann auch homophob sein

Natürlich sollte die sexuelle Orientierung einer Person heute keine Rolle mehr spielen, sagen sich viele. Doch ein Outing ist auch heute noch ein Big Deal. Denn obwohl sich unsere Gesellschaft entwickelt hat und viele Menschen sich betont tolerant und unterstützend geben, kann die Aussage «Mir doch egal, auf wen du stehst» auch versteckte Homophobie bedeuten. Dass es eben nur egal ist, solange nicht allzu sehr über die Sexualität gesprochen wird oder sie allzu sichtbar ist. Doch solange jemand aufgrund seiner Sexualität Angst vor Beleidigungen oder Übergriffen haben muss und solange nicht-heterosexuelle Menschen nicht gleich behandelt werden wie heterosexuelle, darf noch keine Gleichgültigkeit herrschen. Denn kein Problem mit queeren Menschen zu haben, bedeutet noch lange nicht, dass man queere Menschen unterstützt.

Die Nicht-Präsenz von Homosexualität ist vor allem ein Thema im männlichen Fussball, was Fragen über Stereotypen und über Männlichkeit im Sport aufwirft. «Schwulsein wird mit Femininitätsklischees gleichgesetzt und daraus entsteht ein vermeintlicher Widerspruch zwischen Schwulsein und Erfolgreichsein im Fussball», sagt Geschlechterforscherin Marianne Meier in einem Gespräch auf SRF. Meier befasst sich mit Gender und Sport und sieht hier eine Faszination, die auf Klischees und gesellschaftlichen Konstrukten basiert. Attribute wie aggressiv, kräftig, selbstsicher würden mit Männlichkeit verbunden, während Homosexualität bei Männern mit weiblich konnotierten Attributen wie sanft, passiv, zurückhaltend verbunden werde.

Gefallen wollen – und müssen

So überrascht es im Umkehrschluss nicht, dass im Frauenfussball unaufgeregter mit dem Thema Homosexualität umgegangen wird. Doch solange auch weibliche Fussballerinnen – und weibliche Sportlerinnen im Allgemeinen – sich nach wie vor dazu gezwungen sehen, sich öffentlich zu ihrer Sexualität zu äussern, bleibt es eben doch ein Thema. Denn auch weibliche Sportlerinnen sehen sich mit Klischees konfrontiert, da Sport ganz allgemein noch sehr heteronormativ geprägt ist.

Dazu sagte auch die ehemalige Kunstturnerin Ariella Kaeslin, die sich diesen Frühling im Magazin des «Tagesanzeigers» outete, dass die Erwartungen an Weiblichkeit im Sport nach wie vor mit Heterosexualität verknüpft seien. «Es ging immer auch darum, den Männern zu gefallen», so Kaeslin. Den Fans gefallen, dem Verein gefallen, den Sponsor:innen gefallen, der Öffentlichkeit gefallen. Und im Teamsport auch von den Mitspieler:innen weiterhin respektiert und gleich behandelt werden – wie Joshua Cavallo.

Cavallo erhält nach seinem Outing vor allem Unterstützung. So sagte beispielsweise sein Trainer: «Ich könnte nicht stolzer sein auf Joshua und den Mut, den er gezeigt hat.» Mut, der hoffentlich andere Fussballer inspiriert und darin bestärkt, sich zu ihrer Sexualität zu bekennen. Doch wird sein Outing die erhoffte Signalwirkung haben? Denn nach dem Outing zweier ehemaliger Spitzenfussballer (2013 outete sich der ehemalige amerikanische Nationalspieler Robbie Rogers, 2014 der ehemalige deutsche Nationalspieler Thomas Hitzelsberger – beide erst nachdem sie ihre aktive Fussballkarriere beendet hatten) dauerte es nochmals Jahre, bis sich jetzt zum ersten Mal ein junger Fussballer während seiner Karriere öffentlich zu seiner Homosexualität bekennt.

«Ich möchte anderen Fussballern, die sich in der gleichen Position befinden, das Gefühl geben, dass sie nicht allein sind», sagt Cavallo in seinem Statement. Und er hoffe, dass er anderen queeren Menschen durch sein Outing zeigen könne, dass sie in der Fussball-Community willkommen sind.

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