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Tschüss Maske und Zertifikat: So erlebten wir den ersten Tag ohne Corona-Massnahmen

Zeitgeist

Tschüss Maske und Zertifikat: So erlebten wir den ersten Tag ohne Corona-Massnahmen

Der Bundesrat hob gestern fast alle Corona-Massnahmen auf. Ab heute fällt die Zertifikatspflicht weg, genauso wie die Maskenpflicht in Läden oder Restaurants. Unsere Eindrücke vom ersten «New Normal»-Tag.

Stv. Chefredaktorin Kerstin Hasse: «Ich will mein Lächeln ausführen»

«Den ersten Tag ohne Pandemie-Massnahmen nahm ich – zumindest auf Social Media – recht durchzogen wahr: Während eine Bekannte ihren frischen, positiven Antigen-Test auf Instagram postete, philosophierte eine andere Userin, der ich folge, über ihre neu gewonnene Freiheit. Sie hoffe, dass ihre Freund:innen nun wieder zu ihr als Ungeimpfte nett seien, schrieb sie. Wieder eine andere Kollegin postete eine bunt glitzernde Gif-Schlacht und schrieb darunter «Happy Freedom Day» und dann war da noch ein Freund der ein Selfie mit Maske hochlud – #NichtOhneMeineMaske. Die real life experience war dann recht unspektakulär: Ich spazierte ein wenig ängstlich in einen Coop und blickte mich nach anderen Kund:innen um. Da war bloss niemand ausser zwei Angestellten, die beide ihre Maske lustlos unter ihren Nasen rumbaumeln liessen und so gar nicht auf mich reagierten. Ich wäre so gerne an eine Kasse, hätte gerne jemanden angestrahlt, aber natürlich waren die Kassen alle nicht besetzt. Heute Abend aber will ich mein Lächeln in einem Restaurant ausführen. Mal schauen, wie sich das anfühlen wird. Eine Notfallmaske habe ich dabei.»

Reporterin Helene Aecherli: «Müde und perspektivlos»

«Ich war heute um 13 Uhr kurz eine Suppe holen, es war ein kleiner Laden, ausser mir gab es bloss noch einen weiteren Kunden. Die neue Maskenlosigkeit war unspektakulär. Doch fühle ich mich euphorisch, befreit? Nein; nur müde und perspektivlos. Die Situation jetzt erscheint mir wie der bevorstehende Abstieg nach einer schwierigen Klettertour: Der Weg, der nun kommt, ist der heikelste. Nach der Suppe bin ich wieder zurück am Bildschirm, im Vakuum des Home Office.»

Redaktorin Vanja Kadic: «So ganz traue ich dem Ganzen noch nicht»

«Ich zögerte, bevor ich den Starbucks meines Vertrauens ohne Maske betrat. Kurz überkam mich Paranoia: Vielleicht habe ich mir die Aufhebung der Massnahmen ja nur eingebildet? Als ich das Lokal dann doch ohne Mundschutz betrat, strahlten mir drei happy Baristas entgegen – ebenfalls ohne Maske. Irgendwie weird, in so einer Situation wieder mehr als nur die Augenpartie des Gegenübers zu sehen. Die Stimmung im Café war locker, vielleicht sogar optimistisch. Auch unterwegs auf der Strasse bildete ich mir ein, dass kollektiv alle ein bisschen besser drauf waren. Das fand ich schön. Vielleicht lag es aber auch einfach daran, dass die Sonne kurz schien. Oder daran, dass wir nach der gestrigen Medienkonferenz des Bundesrats endlich ein bisschen Hoffnung schöpfen dürfen. So ganz traue ich dem Ganzen noch nicht. Zu gross ist die Unsicherheit wegen weiteren Mutationen, zu unklar, was als Nächstes passiert. Wer weiss, wie die Situation im Herbst aussieht? Bis dahin freue mich über die kleinen Dinge – zum Beispiel nicht mehr Portemonnaie, ID und Smartphone jonglieren zu müssen, um mein Zertifikat zu zeigen. Und über ein bisschen mehr Licht.»

Reportagen-Praktikantin Jana Schibli: «Champagne Problems»

«‹Freedom Day!›, grinst der Host eines Vegi-Restaurants, als er mich heute Mittag zum Tisch führt. Der Prosecco wird uns offeriert, der Grund ist klar. Auch im Restaurant gegenüber wird auf der Terrasse lächelnd ausgeschenkt, während der Regen niederprasselt und vom Wind gebeutelte Schirme die Menschen darunter verdecken. Von Aussen sind die Signale etwa so subtil wie das Augen-Make-up von Julia Fox. Anstossen! Feiern! Maske, auf Nimmerwiedersehen! Oder so lange, wie es geht. Für die, die können. Innerlich ist es nicht ganz so einfach.»

Beauty-Praktikantin Nina Mäder: «We’re all in this together»

«Die Vorstellung, dass die Maskenpflicht aufgehoben ist, fühlte sich fast wie ein Traum an. Also musste ich es mit eigenen Augen sehen: Ich trottete zum nächsten Coop und ging – es fühlte sich wie eine Mutprobe an – unmaskiert durch die Schiebetür. Es kam mir nicht richtig vor, ich fühlte mich schuldig. Entgegen kam mir ein mit Einkaufstüten bepackter Mann, der zufrieden grinste. Jede einzelne Person, die an ihm vorbeilief, begrüsste er mit einem Lächeln. Seine Zufriedenheit sah man ihm richtig an – und irgendwie verspürte ich plötzlich eine gewisse Verbundenheit zu all diesen fremden Leuten. So, wie wir gemeinsam durch viel Trauriges und Anstrengendes mussten, freuen wir uns nun gemeinsam über Erfolge und Glücksmomente. Ermutigt setzte ich meinen Einkauf fort und begrüsste jede Person ebenfalls mit einem bestätigenden Lächeln.»

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JEAN PAUL CONTINI

Jetzt kehrt endlich wieder die Normalität zurück ! ❤👍⚘🙏👍