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Was ist eigentlich mit dem Klimawandel?

Was ist eigentlich mit dem Klimawandel?

Wo noch vor ein paar Jahren rege über nachhaltigen Konsum gesprochen, weniger geflogen und an Klimademos teilgenommen wurde, herrscht jetzt – Stille. Dabei ist es höchste Zeit, wieder laut zu werden, schreibt unsere Autorin.

In den Medien lese ich: US-Präsident Donald Trump will wieder mehr Erdgas und Erdöl fördern. Der Flughafen Zürich freute sich 2024 über Rekordzahlen. Ich gehe an Plakatwänden vorbei, auf denen ausnahmslos mit tiefen Preisen geworben wird – die Umweltverträglichkeit der angepriesenen Produkte? Kein Thema mehr.

Die Umweltverantwortungsinitiative, die eine «Wirtschaft innerhalb planetarer Grenzen» forderte, erreichte im Februar gerade mal dreissig Prozent der Stimmen. In den Diskussionen zu den deutschen Bundestagswahlen war der Klimawandel maximal Randthema.

Der Klimawandel ist out

Armin Nassehi, Professor für Soziologie in München, erklärte im Deutschlandfunk: «Man muss zurzeit tatsächlich sagen, dass man mit dem Klimathema wahrscheinlich die Wahl nicht gewinnen kann.» Und Mitte März forderte SVP-Nationalrat Thomas Knutti in einer Motion, dass die Schweiz aus dem Pariser Klimaabkommen austreten soll.

Der Klimawandel ist out. Das merke ich auch in meinem Umfeld und nehme mich da selbst nicht aus: Wo noch vor ein paar Jahren rege über nachhaltigen Konsum gesprochen, weniger geflogen und an Klimademos teilgenommen wurde, herrscht jetzt – Stille.

Ich glaube auch eine, durchaus nachvollziehbare, Erleichterung über diese Trendwende zu spüren. Endlich ist man nicht mehr angehalten, sich ständig über seinen ökologischen Fussabdruck Gedanken zu machen und jedes Joghurt auf seine klimafreundliche Produktion zu überprüfen. Endlich kann man Kleider wieder bequem über die grossen Onlinehändler bestellen und den Vegetarismus über Bord werfen.

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"Die Tatsachen zu verdrängen, mag kurzfristig erleichtern. Langfristig aber führt es uns in die Misere"

Man könnte nun natürlich sagen: Das sind normale politische und gesellschaftliche Wellenbewegungen, befeuert von der schwierigen Sicherheitslage, dem unvorhersehbaren Kurs der USA, den Kriegen und der Inflation. Bloss: Wir haben keine Zeit mehr, die nächste Wende abzuwarten.

Wie im Januar bekannt wurde, lag die globale Durchschnittstemperatur laut dem EU-Beobachtungsprogramm Copernicus letztes Jahr erstmals 1.5 Grad über dem vorindustriellen Niveau. Dass diese Marke nicht wesentlich überschritten werden darf, haben zahlreiche Länder im Pariser Klimaabkommen festgehalten: Denn die Klimarisiken nehmen ab dann rasant zu.

Viele weitere Folgen noch nicht absehbar

So werden Menschen in gewissen Regionen nicht mehr leben können, weil die Hitze tödlich ist. Der steigende Meeresspiegel wird mit grosser Wahrscheinlichkeit ganze Küstengebiete unbewohnbar machen. Zudem wird die Ernte von wichtigen Ernährungspflanzen wie Weizen, Mais, Reis und Soja wegen Dürren und extremen Wetterereignissen weltweit schwieriger, was zu Hungersnöten führen kann. Und viele weitere Folgen sind noch nicht absehbar.

Diese Tatsachen zu verdrängen, mag kurzfristig erleichtern. Langfristig aber führt es uns in die Misere. Es ist ja nicht so, dass wir das nicht wüssten: Umfragen zeigen, dass die Auswirkungen des Klimawandels zu den grössten Sorgen der Schweizer Stimmbevölkerung gehören.

Höchste Zeit also, diese Sorgen sehr ernst zu nehmen und den Klimawandel in seinem ganzen Ausmass zurück auf die gesellschaftliche und politische Agenda zu bringen.

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