
Zeitgeist
Bio-Tomaten und Tesla: Nachhaltigkeit darf kein Statussymbol sein
- Text: Stephanie Hess
- Bild: Stocksy
Die Elite kann einfacher nachhaltig konsumieren – und sich dabei auch moralisch überlegen fühlen. Doch diese grünen Statussymbole haben mit echter Nachhaltigkeit herzlich wenig gemein, schreibt unsere Redaktorin Stephanie Hess.
Statussymbole wie Rolex und Porsche sind over. An ihre Stelle treten Bio-Tomaten, Yogaferien, ein Tesla. Die Elite verfüge heutzutage nicht mehr nur über mehr Geld und höhere Bildung, schreibt die US-Soziologin Elizabeth Currid-Halkett in ihrem neuen Buch «Fair gehandelt?». Sie könne dadurch auch viel einfacher nachhaltig konsumieren – und sich dabei auch moralisch überlegen fühlen. Das verstärke die sozialen Ungleichheiten.
Stimmt. So betrachtet ist umweltbewusstes Verhalten absolut unfair. Nur: Diese vermeintlich grünen Statussymbole haben mit echter Nachhaltigkeit herzlich wenig gemein. Wer Bio-Tomaten kauft, aber ausschliesslich Fleisch aus Massentierhaltung auf den Tisch bringt, tut dem Klima keinen Gefallen. Genauso wenig wie jemand, der bisher ein Carsharing-Angebot nutzte oder einen sparsamen Benziner fuhr und sich nun einen neuen Tesla zulegt. Die Yogaferien auf Bali muss ich – glaube ich – nicht weiter erörtern.
Es ist kompliziert. Und mühsam. Und angesichts dessen, was uns da Elizabeth Currid-Halkett eröffnet, könnte man geneigt sein, im Kampf gegen den Klimawandel endgültig die Waffen zu strecken. Das hätte dann sogar noch einen edlen Anstrich: Buche ich Kurzstreckenflüge en masse und lasse die Ölheizung brennen, dann ist das nicht einfach kurzsichtig, sondern ein Akt gegen die soziale Ungleichheit.
«Wir sollten uns nicht in individuellen Konsumentscheidungen verheddern»
Wie kommen wir aus diesem Dilemma nur heraus? Ich mag die Antwort der Klimajugend, die sagt: Wir sollten uns nicht in individuellen Konsumentscheidungen verheddern. Sondern unsere Anstrengungen auf die grossen Hebel konzentrieren, die all diesen Einzelentscheidungen ihr Gewicht nehmen können.
Anstatt uns also über das Flug- und Essverhalten anderer aufzuregen, sollten wir versuchen, das System zu verändern; an Demos, mit Petitionen, an der Urne, in Gesprächen. Etwa dahingehend, dass nachhaltige Produkte günstiger werden als umweltschädliche. Damit Bio-Tomaten kein Statussymbol mehr sind, sondern die Norm für uns alle.