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Die Finanzexpertin: Anlegen soll genderneutral sein

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Die Finanzexpertin: Anlegen soll genderneutral sein

«Gender Lens Investing» soll im Anlagegeschäft die Geschlechterungleichheit reduzieren. «Wollen wir Frauen das?», fragt sich unsere Finanzexpertin Corinne Brecher.

«Wann triffst du deinen Banker?», frage ich meine Freundin per SMS. Sie schreibt zurück: «Gli». Ihre Ant­wort lautet wie eine Anlagestrategie, die in der Beratung gerade Einzug hält: die Gli­-Strategie. Gli steht für «Gen­der Lens Investing» und hat zum Ziel, im Anlagegeschäft die Geschlechter­ungleichheit zu reduzieren.

Weil das Befinden meiner Freundin vor dem Termin mit dem Banker nicht gerade grossartig ist («der will mir nur etwas verkaufen»), bereite ich sie vor. Denn, so viel ist klar, die Finanzindus­trie will immer Geld verdienen. Insbe­sondere mit solch neuen Strategien wie eben dem Gli­-Ansatz, der im Grunde nur den Versuch darstellt, die bisher grob vernachlässigte weibliche Kund­schaft ins Boot zu holen.

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«Finanzinstitutionen müssen weniger ihr Angebot ändern, sondern vor allem die Kommunikation.»

Grosse Unterschiede bei den Gebühren

Die Gli-­Produkte bestehen vorwie­gend aus aktiv oder passiv verwalteten Fonds. Die darin gefassten Unterneh­men müssen spezifische Faktoren wie etwa Diversität (überdurchschnittliche Frauenquote) oder eine möglichst ge­ringe Lohndiskrepanz nachweisen. Die Methodik, wie die Kriterien erfasst und gemessen werden, bleibt fraglich.

Wie alle nachhaltigen Fonds verfolgen die Gli­konformen lediglich Richt­linien, wie diejenigen der Vereinten Nationen. Das ist ein grundlegendes Problem im Universum der sogenannt nachhaltigen Finanzprodukte. Im Januar dieses Jahres hat das Analyseportal Moneyland acht Gen­der­-Equality­Fonds verglichen, die für Schweizer Privatanleger:innen zuge­ lassen sind. Alle verfolgen das gleiche Ziel: Sie wollen die Wertentwicklung der Unternehmen nachbilden, die im Bereich der Chancengleichheit inter­national an der Spitze stehen.

Vor al­lem bei den Gebühren gibt es jedoch grosse Unterschiede. Wenn der Berater meiner Freundin bei der UBS arbeitet, wird er ihr ver­mutlich den «Global Gender Equality ETF» empfehlen. Das ist ein passiv ver­walteter Indexfonds mit einer Jahres­gebühr von 0.3 Prozent. Bei der Mig­rosbank würde es teurer: Der Berater zückte dort wohl den aktiv verwalteten «elleXX Gender Equality Basket», der mit rund 1.2 Prozent zu Buche schlägt.

Am günstigsten schneidet im Vergleich von Moneyland der passiv verwaltete «ETF Refinitiv Inclusion and Diver­sity» von iShares (Gebühr 0.25 Pro­ zent) ab, der über einen Online­Broker wie Swissquote gekauft werden kann. Dieser kommt insgesamt auch deshalb billiger, weil die Kosten für Transaktio­nen und Depotführung tiefer ausfallen.

Wie ich meine Freundin kenne, wird sie sich gegen den Gli­-Ansatz wehren: Sie will weder eine Sonderbehandlung noch ein Spezialprodukt, nur weil sie eine Frau ist. Was unterstreicht: Finanzinstitutionen müssen weniger ihr Angebot ändern, sondern vor allem die Kommunikation. Denn Frauen wün­schen sich neben einer Beratung auf Augenhöhe insbesondere Transparenz und Produkte, hinter denen sie wirk­lich stehen können.

Da meine Freun­din angesichts der nicht überprüfbaren Kriterien auch bei den Gender­-Fonds die Katze im Sack kaufen würde, ent­scheidet sie sich wohl besser für einen Haustierfonds über einen Online-­Broker. Der ist nicht nur krisensicher, son­dern auch genderneutral.

Für Corinne Brecher (32) ist die finanzielle Bildung von Frauen ein Herzensprojekt. Bei uns berichtet die unabhängige Betriebswirtschafterin und Men­ torin regelmässig aus der Welt der Finanzen

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