Das neue Heft ist da: Barbara Loop über mehr Wert
Ab heute liegt die neue Ausgabe der annabelle am Kiosk. Lest hier das Editorial von Chefredaktorin Barbara Loop.
- Von: Barbara Loop
- Cover: Mattia Parodi; Collage: annabelle
Zuoberst auf dem Wunschzettel thront, wie jedes Jahr, der Hamster – «oder 2–4 Mäuse». Weiter gelistet: «Varbstifte», «ganz file süsigkeiten». Als meine Jüngste mich auffordert, ein Auto mit Fernsteuerung auf ihren Zettel ans Christkind zu setzen, wandert mein Blick zum Plastik-Pick-up, der auf dem Küchentisch steht, seit ich ihn im Zuge einer Aufräumaktion demonstrativ dahin gelegt hatte mit den Worten: «Entweder wird das repariert, oder es kommt weg!»
Kaputt ging das Spielzeug am Weihnachtsabend vor zwei Jahren, gleich nachdem es meine Tochter ausgepackt hatte. Jetzt liegt der Plastikhaufen wie das Mahnmal unserer Verschwendungssucht vor uns, in seinem Inneren, welch Schande, steckt noch eine Batterie.
Und doch möchte ich meinen Töchtern zu gern (fast) jeden so süss hingekritzelten Wunsch erfüllen. Konsumlust und -frust liegen an Weihnachten besonders nah beieinander.
In dieser Ausgabe weckt die von Nathalie De Geyter umwerfend inszenierte Mode Begehrlichkeiten. Das annabelle-Team hat ausserdem die schönsten Geschenkideen für euch zusammengetragen.
"Wir müssen den Kleidern, Büchern und den Geräten, die wir kaufen, den Wert zurückgeben, den sie durch die globale Billigproduktion verloren haben"
So offen der Gewissenskonflikt bei uns zuhause auf dem Tisch liegt, so offen zeigt er sich in diesem Heft: Den Kaufempfehlungen voran steht ein Interview über den zerstörerischen Abbau von Mineralien. Rohstoffe, die für alles Mögliche gebraucht werden, auch dann, wenn wir auf Alternativen zu fossilen Brennstoffen setzen, etwa auf E-Mobilität oder Solaranlagen.
Das eindrückliche und preisgekrönte Fotoprojekt, welches das Interview begleitet, zeigt drastisch, wie viel Dreck selbst in sauberer Energie steckt. «Das sauberste Produkt ist jenes, das Sie noch nicht gekauft haben», sagt der Industrieökologe Benjamin Sprecher.
Wir wollen die unangenehme Wahrheit, die in fast jedem unserer Kaufentscheide steckt, nicht verschweigen und stellen sie so selbstverständlich neben die Konsumtipps wie das Schrottauto neben den Wunschzettel. Denn ich bin der Überzeugung, dass wir nicht weniger, sondern mehr über die Dinge schreiben sollten, die wir begehren und konsumieren.
Wir müssen den Kleidern, Büchern und den Geräten, die wir kaufen, den Wert zurückgeben, den sie durch die globale Billigproduktion verloren haben. Und wenn es kein monetärer Wert ist, dann immerhin ein emotionaler. Denn Dinge, die wir lieben, werden wir hegen und pflegen – sei es das Auto mit oder dasjenige ohne Fernsteuerung, das meine Kollegin Evelyne Emmisberger in ihren Geschenketipps im Heft täglich an den Wert der Langsamkeit erinnert.