
Das neue Heft ist da: Chefredaktorin Barbara Loop über Verlässlichkeit
Ab heute liegt die neue annabelle am Kiosk. Lest hier das Editorial von Chefredaktorin Barbara Loop.
- Von: Barbara Loop
- Bild: annabelle
Als ich diese Zeilen schreibe, ist es fast auf den Tag genau fünf Jahre her, dass der erste Fall von Covid-19 in der Schweiz entdeckt wurde. Ein Jahrestag, der im aufgewühlten Weltgeschehen tonlos untergeht.
Ich hatte lange nicht mehr an die Pandemie gedacht, bis Sophie Hunger sie in unserem Gespräch für die neue Ausgabe in Erinnerung rief. Die Künstlerin begründet unter anderem mit den zermürbenden Corona-Jahren, dass sie der Musik den Rücken gekehrt und sich ihrem ersten Roman gewidmet hatte. Schreiben brauche keine Bühne, sagt sie, und Geschichten schafften Ordnung, selbst wenn sie dieser misstraue.
Ich finde es verblüffend, wie wenig in den letzten Jahren über die Pandemie gesprochen wurde. Katastrophen lösen unmittelbar nach ihrem Eintreten eine Kakofonie an Erzählungen und Erklärungen aus, sagen soziologische Theorien, darauf folge die Sprachlosigkeit.
Für Narrative, die auf eine Bewältigung der Pandemie-Erfahrung hindeuten könnten, scheint die Zeit jedoch noch nicht reif. Es entstehen kaum Filme über die Isolation, auf die Krise folgten nur kurzfristig politische Massnahmen und kaum nachhaltige Debatten. Der Toten gedenkt man privat.
"Die Erfahrung, dass von einem Tag auf den anderen alles anders sein kann, war folgenschwer"
Doch im kollektiven Bewusstsein hat sich einiges verschoben: Die Erfahrung, dass von einem Tag auf den anderen alles anders sein kann und Fundamentales an Gültigkeit verliert, war folgenschwer. Fortan war jedes Vorhaben, jeder Plan mit Vorsicht zu geniessen. Und das noch bevor mächtige reiche Männer die Willkür zur Tagesordnung erklärt haben.
In dieser Ausgabe macht sich meine Kollegin Linda Leitner für mehr Verbindlichkeit stark. Zu häufig werde ihr in letzter Minute abgesagt, nicht selten ohne triftigen Grund. Was wir auf der politischen Bühne schmerzlich vermissen, wünschen wir uns auch von unseren Liebsten: Verlässlichkeit.
Und liegt nicht genau darin auch die starke Verbundenheit, die Menschen mit ihren Haustieren eingehen? Dass sie immer da sind, selbst während eines Lockdowns. Was passiert, wenn diese innige Verbindung mit ihnen stirbt, und wie wir Menschen mit der Trauer ums Haustier umgehen können, hat meine Kollegin Sarah Lau fürs neue Heft in Erfahrung gebracht.
Kürzlich habe ich entdeckt, was Absagen in letzter Minute unmöglich machen: Meine Einladung zu einer Dinnerparty verschickte ich mit nur einem Tag Vorlauf. Viele der Geladenen waren verhindert. Doch hinter keiner Absage vermutete ich eine Ausrede, auf jede Zusage war Verlass.
War Spontanität nicht auch eines der vielen Opfer von Corona? Übrigens hatte die Einladung einen unerwarteten Nebeneffekt, Linda schrieb: "Ich bin leider schon verabredet, aber sollte mir abgesagt werden, komme ich gern."
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