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Die Rückkehr des

Die Rückkehr des "Man Repellers": Was das Mode-Phänomen mit der Weltlage zu tun hat

Moderevivals kommen und gehen. Doch nun erobert eines die Kleiderschränke, das als klares politisches Statement verstanden werden kann.

Eine glänzende, tiefpinke Seidenhose, die bis kurz über die Knie reicht. Eine weiss gemusterte Bluse, darüber ein neongrünes Bustier-Top gewickelt. An den Füssen goldene Sandaletten. Die Bloggerin Leandra Medine (heute Leandra Medine Cohen) steht vor einer mit Graffiti besprühten Wand in New York City. Ein Foto, das vor knapp vier Jahren auf dem Instagram-Account "@oldmanrepeller" veröffentlicht wurde. Medine war Modebloggerin der ersten Stunde und startete ihr Internetjournal "Man Repeller" im Jahr 2010.

Provozierend unvorteilhafte Proportionen, furchtlose Muster-, Farb- und Materialmixe, Kombinationen aus Leggins, Baumwollkleid, Strickjacke und Fellstola waren das, wofür Modeinteressierte ihren Blog besuchten. Ein bisschen nach Pippi Langstrumpfs Motto: Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt – hier nur eben den Kleiderschrank.

In der Hand eine Korbtasche in Wassermelonen-Optik, um den Kopf ein Seidentuch, dazu grüne Sandalen – Leandra Medines Looks waren fantasievoll, vollbepackt, verspielt, selten körperbetont. Und so vor allem eins: Nicht für den männlichen Blick bestimmt. Geradezu designt, um männlicher Aufmerksamkeit zu entgehen. Medine kleidete sich allein für sich selbst und andere Frauen, die ihre Kombinationen liebten. Der Name "Man Repeller" war also Programm.

In einer Welt, in der es gerade für Frauen so oft darum geht, attraktiv zu wirken, bestimmte Signale auszusenden, um zu gefallen, glich Leandra Medines Stil einer Offenbarung. Sie war nicht die Erste, die sich dem männlichen Blick ausweichend kleidete. Aber die Erste, die es dem Online-Leben gerecht verbreitete. Ihre Plattform entwickelte sich zu einem Raum, in dem Selbstbestimmung durch die Kleiderwahl zelebriert wurde.

Einige Jahre später hatte Medine ein ganzes Redaktionsteam hinter sich, langsam büssten ihre Beiträge an Originalität ein. Nach einem Rassismus-Vorwurf im Jahr 2020 verliess sie die Publikation, später schloss diese ganz. Heute zeigt Leandra Medine Cohen (sie ist mittlerweile verheiratet) immer noch ausgefallene, aber erwachsenere Looks unter ihrem eigenen Namen auf Instagram. In ihrem erfolgreichen Substack-Newsletter "The Cereal Aisle" widmet sie sich der Kunst, sich einzukleiden – ihr Spezialgebiet.

Mit "Man Repeller" hinterliess Medine ein ambivalentes Erbe. Doch nostalgische Instagram-Accounts wie der oben genannte, erinnerten noch lange Zeit später an ihre revolutionären Outfits und Styling-Prinzipien.

Neue Generation der "Männer-Abschrecker"

Seit Kurzem tauchen auch aktuelle Interpretationen der Ästhetik in den sozialen Medien auf. Der Instagram-Account @styleanalytics, der Daten auswertet, um Modetrends zu bestimmen, entdeckte im März dieses Jahres, dass eine neue Generation der "Männer-Abschrecker" heranwächst. Die Produkte, die hauptsächlich in dem heute erstellten Content vorkommen, sind laut des Accounts hochsitzende Shorts und Hosen, (zu) viel Make-up und weite Kleidung.

Auch kurze Tops, zerschlissene Jeans, Capri-Hosen und übergrosse Sonnenbrillen stehen weit oben in der Auswertung. Alles Kleidungsstücke, die Männer wohl als unattraktiv empfinden. Und die genau deshalb wie wild kombiniert und in Lagen getragen werden – wie schon vor fünfzehn Jahren.

Gerade durch TikTok wiederholen sich Trends heute viel schneller als noch vor der Jahrtausendwende. Rasant wird eine Tendenz entdeckt, adaptiert, geht viral. Doch in diesem Fall ist es nicht nur die natürliche Rotation, sondern ganz konkret die politische Situation und Weltlage, durch die sich der Männer abstossende Stil erneut verbreitet. Nicht erst seit der Wiederwahl Donald Trumps erlebt der Konservatismus ein Comeback.

Doch gerade diese offensichtlich frauenfeindliche Machternennung führte zu einem Siegesmoment der "Manosphere". Das vor allem online stattfindende Sammelbecken antifeministischer Positionen kommentierte das Wahlergebnis im November 2024 mit Aussagen wie "Dein Körper, meine Entscheidung“, was den feministischen Slogan "Mein Körper, meine Entscheidung“ umkehren sollte.

Trump und die von ihm eingesetzten Politiker bestimmen über den weiblichen Körper, äussern sich Frauen gegenüber abwertend, und das schaut sich ihre toxisch männliche Online-Community ab. Sogenannte traditionelle Werte, nicht selten rechtskonservativ, sind bei einem grossen Teil junger Männer beliebt. Sie spielen hinein in die von sogenannten "Alpha-Männern" wie Andrew Tate freigelegte Überzeugung, dass Frauen Männern zustünden.

Die Mehrheit der Frauen auf der anderen Seite fordert Gleichberechtigung und körperliche Autonomie, will die hart erkämpften Rechte und Fortschritte ausweiten und nicht wieder abgeben müssen. Nicht nur in den USA, auch in Europa driftet die politische Einstellung junger Männer und junger Frauen immer weiter auseinander. In der Schweiz etwa gingen bei den eidgenössischen Wahlen 2023 die Stimmen der Frauen in der Mehrzahl an die SP oder die Grünen. Die der Männer hingegen gingen mehrheitlich bei der FDP oder SVP ein.

Das "Man Repeller"-Comeback kann als klare Antwort auf eine politische Stimmung verstanden werden, in der Frauen ihre Gleichstellung abgesprochen wird und sie auf ihr Aussehen reduziert werden. Sie wehren sich durch ihre Kleidung, um Kontrolle über den eigenen Körper und wie er wahrgenommen wird zurückzuerhalten. Raus aus der männlichen Bewertung, hinein in den Widerstand und die weibliche Solidarität.

Anleitung für einen Männer abschreckenden Look

Denn wie es schon 2010 der Fall war, sind Frauen meist grosse Fans der experimentellen Outfits. Content-Kreatorin Lauren Sundstrom erklärt in einem Beitrag von Ende März Schritt für Schritt, wie sie ein Männer abschreckendes Ensemble zusammenstellt: Ein gemustertes Unterteil, das mindestens bis an die Knie reicht, ein übergrosses Oberteil, das jede mögliche Kurve bedeckt, spitze oder klobige Schuhe, eine eckige Brille, "so dass du sie an ihre Lehrerin aus der dritten Klasse erinnerst", und eine wuchtige Tasche, die als visuelle Abdeckung fungieren kann.

Das Protest-Kleiden ist über die sozialen Medien zum Mainstream geworden. Es geht heute um mehr als eine persönliche Styling-Vorliebe, ist genderfluid und stellt sich klar gegen Schönheitsstandards aller Art. Während Leandra Medine oft vorgeworfen wurde, nur Luxusmarken für ihre Kombinationen zu wählen, kann jede:r mit Stücken aus der eigenen Garderobe die Silhouetten und Muster-Clashes imitieren.

Diese Tendenz könnte ein Sprungbrett zurück in die Individualität sein, die in der Mode zunehmend verblasst. Zieh das an, was du willst, und mach dir die Welt, wie sie dir gefällt. Die vielleicht schönste Form der Auflehnung.

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2 Comments
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Mahir

>….Wenn man nichts bessere zutun hat….<

Paul Falke

Die Haarfarbe und sogar Form und Farbe der Augenbraunen kann auch für “man repelling” benutzt werden. Für manche Männer dürfte schon Wasserstoff Blond abschreckend wirken. Für viele eine Seite lang, die andere Seite kurz oder Haarfarbe orange, grün, blau. Augenbrauen zur Abschreckung bitte dick, am besten über der Nasenwurzel zusammenkommend. Oder Augenbrauen entfernen und durch Striche ersetzen. Have fun!