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Pop-up: Mario Galla

Stil

Pop-up: Mario Galla

  • Text: Bettina Zanni

Er hat nur ein gesundes Bein. Und gehört zu den gefragten deutschen Männermodels.

Models sind schön. Und makellos. Nicht so Mario Galla. Während andere Schönheiten ihre Beine versichern lassen, beweist er, dass man auch mit nur einem ganzen Bein als Model durchstarten kann. Der 26-Jährige wurde mit einem stark verkürzten Bein geboren. Er steht quasi mit gestrecktem Fuss in einer sogenannten Orthese, die sein rechtes Bein seit seiner frühen Kindheit verlängert. Und trotzdem modelt Mario Galla für grosse Marken wie Hugo Boss und Adidas.

Seinen ersten grossen Auftritt hatte er an der Berlin Fashion Week 2010: In kurzen Hosen defilierte er für Designer Michael Michalsky über den Laufsteg. In Kombination mit den weissen Shorts war seine schwarze Karbon-Orthese erst recht ein Blickfang. Niemals würde er diese durch eine hautfarbene ersetzen, verrät er der Journalistin, die ihn in einer Brasserie an der Alster in Hamburg trifft. «Ich bin nicht der Typ, der seine Behinderung zu kaschieren versucht. Das wäre mir peinlich. Ich stehe dazu.» Der nach eigenen Aussagen «eitelste Orthesenträger» zieht das Hosenbein hoch und zeigt stolz auf das «total edle Karbongeflecht». So hat er denn auch nicht gezögert, als ihn Michalsky in kurzen Hosen über den Laufsteg schicken wollte. «Ich wäge selten ab. Es war ein typischer Mario-Entscheid», sagt er. Vor der Reaktion des Publikums hatte er keine Angst. Und als ein deutscher Fernsehsender in Anspielung auf seinen Auftritt «Schock-Model Fashion Week» titelte, nahm er es mit Humor und kreierte ein T-Shirt mit der Aufschrift «Officially Approved Schock-Model».

Trotzdem möchte er nicht einfach das einbeinige Model sein. Er will wegen seines Äusseren gebucht werden. Und dies darf er durchaus erwarten. Schliesslich entdeckte man ihn wegen seines aparten Gesichts. «Ich habe extrem blonde Naturhaare und blaue Augen», sagt er, als ob damit das Geheimnis seiner ätherischen Schönheit bereits erklärt wäre. Im Fachjargon würdigt man sein Aussehen mit dem Begriff High-Fashion-Gesicht. Damit ist ein Gesicht mit einem hohen Wiedererkennungseffekt gemeint, das sich besonders für Beauty-Aufnahmen eignet.

Entdeckt wurde er von einem Imbissbuden-Angestellten und Ex-Modelscout einer bekannten Hamburger Modelagentur. Damals, vor vier Jahren, bestellte Mario Galla an einem Samstagmorgen – wohlgemerkt in langen Hosen – ziemlich verkatert einen Schnitzelburger. Der baldigen Einladung zum Casting in der Hamburger Agentur folgte er «aus Neugier». Nur wenige Tage später war er unter Vertrag.

Mit einem künstlichen Bein die makellose Welt der Models zu betreten, habe ihn keine Überwindung gekostet. «Ich humple. Ein anderer hat eine grosse Nase.» Beim ersten Casting sei er zwar nervös gewesen, aber nur, weil er sich fragte, ob sein Gesicht neben den «geschniegelten und extrem gut aussehenden Sonnyboys», die ebenfalls anwesend waren, bestehen kann. Als der damals 22-Jährige die «Hosen runterliess», sei es aus dem Fotografen herausgeplatzt: «Was ist denn das für ein abgefahrenes Ding?» Wahrscheinlich habe er das künstliche Bein für ein ausgeflipptes Accessoire gehalten, sagt Galla lachend. So locker reagieren nicht alle: Er sei nicht die «Wohlfahrt für Krüppel», schmetterte ihm einmal ein französischer Designer ins Gesicht. Doch Mario Galla blieb cool. «Ich ärgerte mich bloss darüber, dass ich meine Zeit verschwendet hatte.»

So viel Selbstverständlichkeit und gesundes Selbstwertgefühl findet man im gnadenlosen Modebusiness selten. «Ich fühle mich wie ein ganz normaler Mensch, ich bin kein Opfer», sagt Mario Galla. «Deshalb behandeln mich die meisten Menschen auch normal.» Anders ist er aber dennoch: Nach dem Interview verlässt er die Brasserie und mischt sich unter die Leute am Jungfernstieg. Er sticht aus der Masse heraus. Liegt es an seinen Haaren, die über dem dunklen Mantel noch heller als sonst leuchten? Oder an seinem Gesicht, das sogar in Hamburg nordisch wirkt? Eines ist sicher: An seinem Gang liegt es nicht.

Mario Galla und Lars Amend: Mit einem Bein im Modelbusiness. Mosaik-Verlag, München 2011, 381 Seiten, ca. 30 Franken