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Trend Cutouts: Wir tragen es mit Fassung

Fashion

Trend Cutouts: Wir tragen es mit Fassung

Früher war es für viele Mütter ein absolutes No-Go in der Kleidung ihrer Kinder: Löcher. Doch Cutouts und Ausschnitte haben in der Mode eine lange Geschichte – und sind auch heute wieder sehr präsent.

Kürzlich war ich mit der neu ernannten Kreativdirektorin eines Schmuckimperiums zum Videointerview verabredet. Obwohl die Kristalle in allen Farben über den Bildschirm funkelten, erregte etwas anderes meine Aufmerksamkeit: ihr Oberteil. Darauf angesprochen deutete sie auf den Prada-Schriftzug am Rollkragen und sagte lachend: «Wenn meine Mutter das sehen würde!» Die habe das mit den Logos nie so recht verstanden. Ich wage zu behaupten, dass sie eines noch weniger versteht: Dass ihre Tochter einen Tausender lockermacht für einen Rollkragenpulli, der mehr Löcher hat als ein Emmentaler. Dabei ist es gerade das fehlende Material, das der Trägerin ein Loch ins Portemonnaie reisst.

Unsere Mütter haben Löcher in Pullovern gestopft, anstatt dafür zu bezahlen. Obwohl, Aussparungen in Kleidern gab es schon in den Sechzigern. Ab den Siebzigern schnitten Punks Löcher in ihre Klamotten, um durch das gesellschaftliche Raster zu fallen. Und Anfang der Achtziger präsentierte die japanische Comme-des-Garçons-Designerin Rei Kawakubo kaputte Kleidung auf dem Laufsteg. Später brannte sie für Louis Vuitton Löcher in Taschen. Secondhand werden die schon mal für 13 000 Franken gehandelt.

Dolly Parton liess sich durch den Cutout impfen

Aktuell sind Cutouts omnipräsent. Dolly Parton liess sich jüngst durch die Aussparung im Ärmel ihres Oberteils gegen Corona impfen. Helmut Lang lichtet Rückenpartien, Fendi perforiert Schuhe und Boss stanzt Ösen in die Kollektion; unzählige kleine Metallrahmen. Sowieso: Rahmen. Auch bei Givenchy: Rücken- und Ellbogenausschnitte in Kristalle gefasst. Ist es das? Wollen wir der Intimität, nach der wir uns sehnen, der Haut, die wir nicht berühren sollen, wenigstens unsere volle visuelle Aufmerksamkeit schenken? Wie einem Bild im Museum, das man nur aus der Ferne – «1.5 Meter Abstand. Bitte. Alle.» – bewundern darf?

Nun, das gelingt eingerahmt sicher zielgerichteter, als wenn ganze Körperteile plump unbekleidet daherkämen. Und es würde den Preis der Trendstücke erklären: Was uns lieb und teuer ist, braucht eine entsprechende Fassung. Mona Lisa blickt ja auch nicht aus einem billigen Rahmen.

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