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Zwischen Himmel und Meer – Entdeckungsreise durch Montenegro

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Zwischen Himmel und Meer – Entdeckungsreise durch Montenegro

  • Text: Gero GüntherFotos: Peter Neusser

Montenegro – falls Sie das kleine Land an der südöstlichen Adriaküste für den fiktiven Schauplatz einer Operette gehalten haben: höchste Zeit, es sich anzuschauen! Am besten zu Fuss.

Montenegro – falls Sie das kleine Land an der südöstlichen Adriaküste für den fiktiven Schauplatz einer Operette gehalten haben: Höchste Zeit, es sich anzuschauen! Am besten zu Fuss.

Weil im Fernsehen nachmittägliche Gewitter angekündigt worden waren, hatten wir die Badehose im Hotel gelassen. Egal, schwimmen wir halt in der Unterhose. Ist ja sowieso niemand da. Ausser den beiden Männern auf dem Parkplatz an der Uferstrasse. Sie haben das Dach und die Kühlerhaube ihres Autos mit Strickjacken, Strümpfen und Fellwesten drapiert. Aber wer kauft schon Wolle, wenn die Sonne scheint und einem der Schweiss übers Gesicht läuft?

Wie zerknitterte Silberfolie glitzert das Wasser und blendet beim Schwimmen. Rundherum steile Felsflanken, vor mir zwei winzige Inseln, die wie eine Fata Morgana auf der funkelnden Oberfläche zittern. Wirkt wie ein grosser Bergsee. Ich blinzle in die Sonne. Dabei ist es die Adria. Später nicke ich auf den warmen Steinplatten am Ufer ein. Die Bucht von Kotor gehört zum Bombastischsten, was die Mittelmeerküste an Buchten zu bieten hat. Süsswasser sprudelt aus unterirdischen Flüssen in die Meerenge. An den Ufern wachsen Kamelien, Kiwis und japanische Nelkenbäume, welche die Kapitäne der berühmten Marineschule von Perast aus der Ferne mitgebracht hatten. Damals, im 18. Jahrhundert, war der Ort im Osten der Löwenrepublik nur per Boot erreichbar, eine Strasse oder Promenade gab es nicht. Die liess erst Napoleon durch die Gärten fräsen. Heute ist Perast einer der schönsten Orte Montenegros.

Montenegro? Falls Sie das kleine Land zwischen Kroatien, Serbien und Albanien immer für den fiktiven Operettenschauplatz hielten: Keine Angst, so geht es vielen. Schliesslich gibt es Montenegro erst seit 2006. Ein gebirgiges Land, zerfurcht wie die Oberfläche einer Baumnuss. Mittendrin ein riesiger See, der einem schon beim Anflug auf die Hauptstadt Podgorica den Atem raubt. Unsere erste Wanderung über den Rücken des Vrmac hatten wir im gestreckten Galopp absolviert. Schliesslich wollten wir das Ausflugsboot erreichen, um auf die andere Seite der Bucht zu schippern und dabei noch die Kircheninsel zu besuchen. Hastig waren wir durch die Kastanienwälder gelaufen, hatten im Dorf nur schnell die Wasserflaschen an einer Pumpe gefüllt. Weiter, weiter!

Muttergottes hilft bei Seenot

Es hat sich gelohnt. Die Wallfahrtskirche auf dem winzigen Eiland Gospa od Skrpjela ähnelt einer barocken Gemäldegalerie. Beliebte Sujets: Segelschiffe in rauer See. Eines Nachts im Jahr 1452 waren die Brüder Mortesic beim Fischfang in der Bucht auf ein Riff gestossen. Auf dem Stein, der aus dem Wasser ragte, lag eine handliche Ikone der Muttergottes, die sie mit nachhause nahmen. Schon bald begann das Bildnis Wunder zu wirken, und die Bürger von Perast beschlossen, eine Insel aufzuschütten und darauf eine Kapelle zu errichten, die später mit einer Kirche überbaut wurde. Als wir das Boot besteigen, um zurück zum Festland zu fahren, sind Wolken aufgezogen. Die Sonnenstrahlen zwängen sich durch die letzten Ritzen am Himmel. Muttergottes, beschütze die Flotte und hilf den Seeleuten in ihrer Not! Die Wolken ziehen vorbei, bald reisst der Himmel wieder auf. Glück gehabt.

Im Sommer platzt Montenegros Mittelmeerküste aus allen Nähten, besonders rund um Budva, einen Badeort mit dem Charme eines Nagelstudios. Autotuning, Turbofolk und Playboypartys bestimmen das Geschehen. Eine Welt auf Pfennigabsätzen. Einige Kilometer weiter im Westen entsteht in Tivat einer der exklusivsten Jachthäfen Europas. Montenegros Tourismus boomt. Laut und überfüllt sind die Strände in den Monaten Juli bis September, wir reisten deshalb lieber nach Saisonende an.

Der blaue Himmel hängt voller Granatäpfel, die aussehen wie rostrote Weihnachtskugeln. Die serbischen und russischen Badegäste sitzen wieder zuhause an ihrem Schreibtisch. Das Wetter ist milder, ideal zum Wandern, ideal für Rundgänge durch alte Städte, die oft den Herrscher gewechselt haben. Mal gehörten sie zu Venedig, mal zum Osmanischen Reich, zu Österreich-Ungarn, Jugoslawien und zuletzt zu Serbien. Schon in jugoslawischen Zeiten war die Teilrepublik an der albanischen Grenze ein beliebtes Reiseziel. Staatspräsident Tito liess seine Ehrengäste im Chevrolet auf die Insel Sveti Stefan chauffieren, ein Fischerdörfchen, das er Jetset-gerecht umbauen liess. Damals kamen Sophia Loren, Kirk Douglas, Richard Burton, Liz Taylor und viele andere Stars. Heute ist Sveti Stefan ein Luxusresort, minimalistisch und geschmackvoll durchdesignt. Ein angenehmer Kontrapunkt zu den protzigen Hotelneubauten der letzten Jahre.

Wir wohnen nicht weniger gediegen in der nahe gelegenen Villa Milocer, einem ehemaligen Sommerpalast der serbischen Königin. Das stattliche Gebäude ist umgeben von einem riesigen Park mit sauber gezogenen Kieswegen, prächtigen Pergolas und makellosen Stränden. Ein Fischerboot schwappt im Meer, ansonsten ist niemand zu sehen. Eine leere Bühne. Man hat den Eindruck, dass jeden Moment die Kammerzofe der Königin auftauchen könnte, ein Husar mit Epauletten oder ein Pirat mit Krummsäbel. Es wird Zeit, die Bergschuhe zu schnüren und sich zum Ausgangspunkt der nächsten Wanderung aufzumachen. Wieder beginnen wir an der Boka Kotorska. Das stolze Kotor ist ein kompaktes Städtchen, die steilen Berge liessen den Bewohnern keinen Platz, sich auszubreiten. Türme, Kirchen, Häuser und Paläste schmiegen sich aneinander wie Tänzer beim Slow. Fast käme man sich vor wie in Italien, wären da nicht die Auslagen in den Boutiquen. Hausmäntel, Schürzen und Pantoffeln, die keines der hübschen Mädchen hier je tragen würde.

Am Waffenplatz trinken wir einen Cappuccino, neben uns drei junge Stadtführer, die heute nichts zu tun haben. Das Kreuzfahrtschiff aus Kroatien hätte längst einlaufen sollen, aber zu stark sind die Winde, die plötzlich aus dem Norden über den Balkan pusten, und so bleibt der Kahn in Dubrovnik liegen. Vorerst wird sich keine Touristenlawine durch das Städtchen wälzen, und wir haben die engen Gassen für uns allein. In der Zitadelle, so erfahren wir, ist eine Disco untergebracht. Ein paar Tausend Leute drängeln sich hier an den Wochenenden in der Hauptsaison. Und dann stapfen wir die vielen Stufen hinauf zur venezianischen Bastion, die 260 Meter über der Stadt am Kalkfelsen klebt. 4.5 Kilometer lang waren die Mauern, hinter denen man sich gegen die Muselmanen verschanzte. Hinter dem Wall begann das Osmanische Reich. Wir schlüpfen durch ein enges Loch und betreten den wilden Balkan. Die alte Krstac-Passstrasse führt direkt hinein in die unwegsamen Gebiete des Hinterlands. Nur wer Montenegro zu Fuss bereist, wird diese Orte kennen lernen. Orte, an denen die Zeit in der Schwebe ist.

Unweit der Festung taucht ein Weiler auf. Ein Wachhund zerrt bellend an der Kette. «Seid mir willkommen», grüsst ein Hirte. «Wollt ihr einen Kaffee?» Und schon sitzen wir in der Stube an einem Tisch mit karierter Plastiktischdecke, und Radovan Perovic erzählt von den Partisanen, vom venezianischen Wappen und den Wölfen, die früher durch die Berge streiften. In Radovans Haus hängt das Gewehr nach wie vor am Kleiderhaken, so ist das im Gebirge. Hundert Ziegen hat die Familie, drei Mobiltelefone und ein Maultier für die Transporte. Es bleibt nicht beim Kaffee, ganz selbstverständlich wird die Plastikflasche mit dem Selbstgebrannten auf den Tisch gestellt. Wir treten leicht angeschlagen den Rückzug an und steigen nach Njegusi auf. Das gemütliche Dorf ist für seinen Räucherschinken bekannt. Rustikale Ausflugslokale bieten ihn fein aufgeschnitten an. Man muss dabei nicht einmal auf das Fernsehen verzichten: Zwischen Geweihen und Fellen hängt der obligate Flachbildschirm, auf dem wahlweise Fussball oder Fashion TV läuft.

Alte Heldengeschichten und das Spiel auf der Gusle

In Njegusi kam 1813 Petar II. Petrovic-Njegos zur Welt, Bischof, Fürst und Nationaldichter von Montenegro. Dem jung Verstorbenen wurde auf dem nahen Lovcen-Gipfel ausgerechnet in sozialistischen Zeiten ein monumentales Mausoleum errichtet. Tonnenschwer hockt der grübelnde Marmorheld auf dem 1711 Meter hohen Gipfel des Lovcen. Ganz Montenegro breitet sich unter dem protzigen Tempelbau aus: Meer, Gebirge, Schluchten und Hochebenen. Eine herrliche Landschaft für Bergwanderer, aber auch ein Land, in dem man die abgeschnittenen Köpfe seiner Feinde noch zu Petrovic-Njegos’ Zeiten auf Zaunpfähle steckte. Man kann noch heute Männer treffen, die einem die alten Heldengeschichten vorsingen und dazu ihre Gusle spielen, ein Saiteninstrument, das mit der byzantinischen Lyra verwandt ist. «Ihr hättet mal meinen Grossvater hören sollen», sagt Gojko. Zwar weiss er nicht wirklich, wie man die Gusle spielt, aber immerhin trägt er die passende Tracht: golddurchwirkte Jacke, breite Schärpe und Gamaschen. Er ist hier gross geworden, auf dem Grundstück seiner Familie in den Bergen, in einem einsamen Haus voller Erinnerungen.

Der Abend wird ein rauschendes Fest mit gebratenen Forellen, vielen Trinksprüchen, ausladenden Gesten und schallendem Gelächter. Mögen die alten Saumpfade, die österreichischen Militärstrassen oder die Hirtenwege noch so gut markiert sein, das kleine Land hat sich seine archaische Seite bewahrt – oder wie der polnische Schriftsteller Andrzej Stasiuk in seinen Reiseskizzen über das postkommunistische Montenegro schreibt: Die Vergangenheit ist hier «äusserst real». Im Orjen-Massiv begegnet uns ein Bauer mit Maultier, ein junger Wanderer in modernster Funktionsbekleidung und ein alter Mann, der auf seiner Alp Kartoffeln aus dem Acker klaubt. Hinter seinem einsamen Häuschen erhebt sich aus dem Plateau und lichten Buchenwäldern der Gipfel der Subra. Unser Weg führt durch ein Labyrinth aus messerscharfem Kalkstein mit tausend Ritzen, Spalten, Schlünden. Wir müssen kraxeln, springen und aufpassen, nicht danebenzutreten. Ein brüchiges Universum. Was für eine karge, wunderbare Landschaft, nur wenige Kilometer vom Ferienzentrum Herceg-Novi entfernt.

Unsere letzte Tour schlängelt sich durch die Berge hoch über der Luxusinsel Sveti Stefan. Der Blick über die Küste ist so spektakulär, dass weder die trutzige österreichische Festung noch die Bauruinen von Budva ihn trüben können. Und immerhin haben die einstigen Besatzer Dutzende von Kilometer Militärstrassen hinterlassen, die heute als bequeme Wanderwege dienen, gesäumt von Thymian, Oregano, Majoran und Rosmarin. Beim Abstieg von der Kirche des Heiligen Spiridon begegnen uns immer wieder Nonnen aus den umliegenden Klöstern. Sie sammeln wilde Kräuter, um aus ihnen Salben, Tees und Seifen herzustellen. Eine junge Schwester in schwarzer Ordenstracht öffnet die Pforte, als wir am Glockenzug des Manastir Rustovo ziehen. Sie führt uns durch verschiedene Kapellen, zeigt uns ein silbernes Taufbecken, russische Ikonen und ein modernes Madonnenbild, das wie das Plattencover einer Gothic-Band aussieht. Die blutende Muttergottes in Acryllack. «Eine heilige, wundertätige Ikone», wird uns versichert. Und irgendwie kommt uns das alles schon gar nicht mehr seltsam vor. Man weiss in Montenegro nie, in welchem Jahrhundert man gerade angekommen ist. «Vielleicht noch ein Gläschen Selbstgebrannter?», fragt die Nonne lächelnd.

Auf der nächsten Seite finden Sie Tipps und Adressen für Ihre Reise nach Montenegro!

Die besten Tipps und Adressen für Ihren Besuch in Montenegro

Das Land:

Montenegro ist eine perfekte Wanderregion. Fast das gesamte Land besteht aus Gebirge. Neben dem Küstengebirge eignet sich vor allem der Nationalpark Durmitor und das noch einsamere Prokletije zum Wandern. Viele Wege sind gut markiert, doch führen viele Touren durch sehr einsames Gelände. Hier ist grosse Vorsicht geboten. In den meisten Orten gibt es Taxi-Unternehmen, die einen zum Ausgangspunkt einer Tour bringen und abholen können. — Infos: www.montenegro.travel (staatliche Tourismusorganisation)

Übernachten:

Aman Sveti Stefan & Villa Milocer
Die Insel als Resort und das Resort als Insel. Aman Sveti Stefan gehört zu den aufregendsten Hotel-Locations der Welt. Ein verschachteltes Fischerdörfchen, umgeben von Wasser, duftend nach Kräutern und Meer. Die fünfzig Luxussuiten sind edel ausgestattet, ohne zu prahlen. Nur durch einen Park getrennt, liegt wenige Hundert Meter entfernt der einstige Sommerpalast der serbischen Königin, die Villa Milocer. — Sveti Stefan, Tel. 382 33 42 00 00, www.amanresorts.com, DZ ab ca. 950 Fr.

Hotel Queen of Montenegro
Praktisches, etwas unpersönliches Viersternehaus mit riesiger Lobby, gutem Wellness-und Fitnessbereich und schönem Strand. — Narodnog fronta bb, Becici/Budva, Tel. 00382 33 66 26 62, www.queenofmontenegro.com, DZ ab 120 Fr. (Hochsaison)

Hotel Restaurant Conte
Direkt an der Bucht von Kotor gelegenes kleines Hotel mit gutem Restaurant. Die Zimmer und Ferienwohnungen liegen, umgeben von schönen Gärten und Terrassen, in mehreren Gebäuden im Altstadtkern des wunderschönen Städtchens Perast. Man blickt direkt auf den Glockenturm der Kirche, auf die Meerenge und das Gebirge. — Tel. 00382 32 37 36 87, www.hotel-conte.com, DZ/Frühstück ab ca. 100 Franken

Essen & Shoppen:

Konoba Catovica Mlini
Schon die lauschige Lage bei einer alten Getreidemühle in der Bucht von Kotor macht dieses Restaurant zu etwas Besonderem. Dank seiner hervorragenden Seafood-Speisen gehört die Mühle der Familie Catovica zu den besten Restaurants des Landes. Unbedingt probieren: Tintenfisch und die Gambori na buzaru! — Morinji, Boka Kotorska, Tel. 00382 32 37 30 30, www.catovicamlini.me

Restoran & Susara Zora
Exzellenten Räucherschinken und Bergkäse gibt es in diesem mit Jagdtrophäen und Kuriosa geschmückten Gasthaus frisch aus der Räucherei. Man beachte das Ölgemälde eines LKWs in der Café-Bar. — Njegusi, Tel. 00382 69 515 038

Klosterladen Manastir Rustovo
Lotions, Salben, Tees, Selbstgestricktes und viele andere Dinge gibt es im winzigen Lädeli des Klosters zu kaufen.

Wanderferien:

Montenegro Holidays
Eine der Spezialitäten dieser in Budva ansässigen Reiseagentur sind Wanderreisen. Montenegro Holidays bietet mehrere geführte Touren durch Montenegro an. In den Packages sind Abholung vom Flughafen, Transfers, Unterkünfte und ein Teil der Verpflegung enthalten. Die Touren werden von erfahrenen mehrsprachigen Guides geleitetet. Kulturelle Highlights und Sehenswürdigkeiten werden in die Wanderreisen integriert. Die Betreuung ist herzlich und professionell, das Angebot kann mit den Teilnehmenden abgestimmt werden. — Tel. 00382 33 40 25 22, www.mn-holidays.com

Monteline Travel
Wer seine Touren auf eigene Faust unternehmen möchte und einen Fahrdienst braucht, liegt bei diesem Unternehmen richtig. — Tel. 00382 33 45 26 07, [email protected]

Rother-Wanderführer
Wer sich auf eigene Faust in die montenegrinischen Berge begeben möchte, sollte sich den Rother-Wanderführer zulegen. Darin sind fünfzig Touren enthalten, vom kurzen Spaziergang bis  zur mehrtägigen Wanderung. — Marcus und Rosemarie Stöckl: Montenegro. Die schönsten Küsten- und Bergwanderungen.

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Der Badeort Budva ist bei Billig-Touristen sehr beliebt.

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Wer seine Ruhe möchte, folgt in den Bergen den Wanderweghinweisen.

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Blick von der Luxusinsel Sveti Stefan.

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Blick auf Sveti Stefan

7.

Im Restaurant Njeguska Sijela in Njegusi