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Fussball-EM der Frauen: Augen auf Schweiz, sonst wird es peinlich

Politik

Fussball-EM der Frauen: Augen auf Schweiz, sonst wird es peinlich

Vier Millionen für die Fussball-EM der Frauen in der Schweiz: Fussballaktivistin und Politikerin Sarah Akanji fordert in ihrem Kommentar, dass der Bund diesen Entscheid revidiert.

Die Schweiz hat fürs 2025 etwas Grossartiges geschafft: Sie konnte sich gegen andere, weitaus mehr in Frauenfussball investierende Länder durchsetzen und den Standort der nächsten Fussball-Europameisterschaft für sich gewinnen. Die Fussball-EM ist der grösste europäische Sportevent von Frauen. Yep, lies diesen Satz nochmals: Die Fussball-EM ist der grösste europäische Sportevent von Frauen. Denn der Frauenfussball ist gross geworden. Wirklich gross – ganz besonders in Europa.

Die Sportart wächst und wächst und zieht immer mehr Menschen an. In Spanien, Deutschland oder England werden derweil immer wieder Zuschauer:innenrekorde gebrochen. Wir sprechen hier von 50’000 bis 90’000 Menschen in den Stadien. An der WM letzten Sommer in Australien und Neuseeland wurden 1,5 Millionen Tickets verkauft, die weltbesten Teams konnten sich vor ausverkauften Rängen messen.

Die zweitbeliebteste Sportart unter Mädchen

Und die Begeisterung, die Australien und Neuseeland entfachen konnte, schwappte über die Stadien hinaus. Noch nie haben mehr Menschen eine Fernsehsendung im australischen TV geschaut als das Halbfinale Australien–England. Ganze 7,13 Millionen Menschen fieberten allein in Australien mit.

Beobachter:innen, Fans, Fussballbegeisterte haben schon längst bemerkt, dass der Frauenfussball nicht mehr ein Nischendasein fristet. Aitana Bonmati, Sam Kerr oder Beth Mead sind Stars, die Massen verzaubern. Und diese Fussballbegeisterung hat auch vor der Schweiz nicht Halt gemacht. Im Kanton Zürich ist Fussball die zweitbeliebteste Sportart unter Mädchen, Tendenz steigend.

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«Die vier Millionen sind nicht nur aus Sicht der Gleichberechtigung eine Frechheit, sondern der Betrag ist unwürdig in jeder Hinsicht»

Einige, die die Entwicklung des schweizerischen Frauenfussballs schon länger mitverfolgen und wehmütig mitansehen müssen, wie andere Länder mehr Ressourcen, mehr Herzblut, mehr Interesse in den Frauenfussball hineinstecken, beobachteten die Bewerbung der Schweiz als Austragungsort mit stillschweigender Skepsis.

Schafft es die Schweiz bis 2025 genügend in Infrastruktur, Institutionen, in Kommunikation, Marketing, Organisation und Förderung zu investieren, dass sie eine attraktive Gastgeberin für die EM wird? Kann sie die bisherige Lethargie gegenüber dem Frauenfussball wieder wettmachen und zu anderen europäischen Nationen aufschliessen? Schafft sie es doch noch – vielleicht auch durch einen EM-Zauber – auf die internationale Begeisterungswelle aufzuspringen?

Ein Zwanzigstel von dem, was den Männern zugesprochen wurde

Auf diese Fragen antwortete der Bund mit einem klaren, sehr klaren Nein. Denn er entschied soeben, vier Millionen Franken für die Heim-EM zu sprechen. Vier. Millionen.

Vier Millionen Franken ist ein Zwanzigstel (!!!) von dem, was für die Männer 2008 gesprochen wurde. Ein Zwanzigstel. Und für all diejenigen, die jetzt schon wieder wutentbrannt ihr klassisches Argument in die Tasten hauen «In den Frauenfussball zu investieren lohnt sich halt einfach nicht!»: Die letzte Europameisterschaft in England generierte knapp 90 Millionen Franken. Und die Zuschauer:innenzahl nahm in der Folgesaison 2022/2023 in England um 172%, in Deutschland um 231% zu.

Eine komplette Blamage

Der Bund muss diesen Entscheid zwingend revidieren. Denn dieser Betrag ist nicht nur aus Sicht der Gleichberechtigung eine Frechheit, sondern er ist unwürdig in jeder Hinsicht. Er ist dem Fussball und dem Sport generell gegenüber unwürdig. Er ist Frauen gegenüber unwürdig. Er ist dem Schweizer Nationalteam gegenüber unwürdig.

Und er ist unwürdig den Fans und Fussballbegeisterten gegenüber – auch den internationalen Fussballcommunitys, die für die EM in die Schweiz anreisen sollen. Der Bund sendet mit diesem niedrigen Beitrag ein komplett falsches Zeichen. Sollte er dabei bleiben, ist dies eine Blamage. Eine internationale Blamage für die Schweiz, die lange noch nachhallen wird – und eine Klatsche für alle Frauen und Sportlerinnen, denen erneut gesagt wird: Wir nehmen eure Arbeit nicht ernst.

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