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Künstlerin Duffeyz im Gespräch: «Wir Albanerinnen müssen uns ständig beweisen»

Zeitgeist

Künstlerin Duffeyz im Gespräch: «Wir Albanerinnen müssen uns ständig beweisen»

Künstlerin Duffeyz und Autorin Adelina Gashi, beide Schweiz-Kosovarinnen, sprechen über die Absage des Alba-Festivals, Identitätskrisen – und darüber, warum Vegeta auf Rösti gehört.

Die junge schweizerisch-kosovarische Künstlerin Duffeyz, kurz Duff, hat es satt, dass ständig über die albanische Community gesprochen wird, aber nur selten mit ihr. In ihrer Diplomarbeit für die Zürcher Hochschule der Künste, einer dreiteiligen Webserie, hat sie sich mit Albaner:innen in der Schweiz unterhalten – über Ablehnung, Diskriminierung und Zugehörigkeit. Unsere Autorin Adelina Gashi, die selbst eine kosovarische Migrationsgeschichte hat, hat Duffeyz (im Bild rechts) zum Gespräch getroffen.

Adelina Gashi: Im September hätte das Alba-Festival stattfinden sollen, das grösste albanische Musikfestival der Schweiz. Weil die Bewilligung zu spät eintraf, haben die Organisator:innen den Event letzten Freitag erneut abgesagt. Im Vorfeld waren die Zürcher Behörden in Kritik geraten – sie würden die albanische Bevölkerung in der Schweiz mit ihrer zögerlichen Haltung im Stich lassen. Was nach der Absage der diesjährigen Ausgabe geschah, war verrückt: Auf Social Media regnete es fremdenfeindliche Kommentare von Leuten, die sich erleichtert darüber zeigten, dass der Anlass abgesagt wurde. Gleichzeitig empörte sich ausgerechnet die SVP darüber – dies nachdem die Partei jahrelang in verschiedenen Kampagnen gegen die albanische Bevölkerung in der Schweiz gehetzt hatte – und instrumentalisierte die Absage für ihre Zwecke, um gegen die links-grüne Regierung in Zürich zu schiessen. Ich fühlte mich vor den Kopf gestossen. Wie hast du die Debatte erlebt?

Duffeyz: Das Verhalten der Behörden war für mich ein Zeichen dafür, dass die albanische Community in der Schweiz nicht berücksichtigt wird oder jedenfalls nicht genug. Erschreckend fand ich die Online-Kommentare – Userinnen und User, die geschrieben haben, wir sollen das Festival doch einfach in Albanien feiern. Das zeigt doch bloss, dass diese Menschen keine Ahnung von uns haben. Sonst wüssten sie nämlich, dass die meisten Albanerinnen und Albaner in der Schweiz aus Kosovo kommen und nicht aus Albanien. Es hat mich eigentlich motiviert, weiterzumachen und es nicht bei den drei Folgen zu belassen. Es braucht mehr Aufklärungsarbeit.

Adelina Gashi: Lass uns über deine Abschlussarbeit reden. Du sprichst in der Webserie mit jungen Albaner:innen in der Schweiz. Warum hast du dich dazu entschieden, dich für deine Diplomarbeit mit der albanischen Community auseinanderzusetzen?

Duffeyz: Ich bin in einem Vorort in der Ostschweiz aufgewachsen, in meiner Realschulklasse gab es gerade mal drei Schweizerinnen und Schweizer. Erst spät realisierte ich, dass ich in einer Art Parallelgesellschaft aufgewachsen bin. Meine Welt wandelte sich komplett, als ich in die Lehre ging. Dort war es plötzlich umgekehrt: Ich war die einzige Ausländerin in meiner Klasse. Ich dachte selbst immer – das klingt jetzt doof –, dass Schweizerinnen und Schweizer mehr wert sind als Ausländer. Ich habe mich selbst immer heruntergestuft.

Adelina Gashi: Internalisierter Rassismus – den kennen viele Personen mit Migrationsgeschichte. Vor solchen Narrativen, wie du sie beschreibst, ist man nicht gefeit. Oder jedenfalls braucht es viel Reflektionsarbeit, um sich davon lösen zu können.

Duffeyz: Genau. Mein Erleben ist oft nicht verstanden worden. Es gab eine Phase, da redete ich mir ein, ich bin ja nicht wie andere Albanerinnen. Heute weiss ich: Das ist natürlich Quatsch. Ich bin genau so wie alle anderen Albanerinnen! Trotzdem: Ich litt lange unter dieser Zerrissenheit, nicht zu wissen, wo ich hingehörte, und hatte ein grosses Bedürfnis, über dieses Leiden zu sprechen.

Adelina Gashi: Woraus dann deine Webserie entstanden ist.

Duffeyz: Ich habe gemerkt, dass das Leid, das uns widerfahren ist, kaum dokumentiert oder aufgearbeitet worden ist. Vor allem ist mir aufgefallen, wie festgefahren die teilweise rassistischen Klischees in den Köpfen der Schweizer Gesellschaft sind. Mir ging es aber nicht darum, andere anzuprangern. Ich will mich nicht ständig an der Opferrolle aufhängen. Diese Arbeit war für mich ein fast schon therapeutischer Weg, um das Trauma aufzuarbeiten, das ich in meinem Aufwachsen zwischen zwei Welten erlebt habe. Es war unglaublich wichtig für mich zu erkennen, dass ich nicht die Einzige bin, die darunter gelitten hat. Erst diese Erkenntnis hat meine Erfahrung in meinem Kopf real gemacht.

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«Als Teenager habe ich mich von meiner Herkunft distanziert»

Adelina Gashi

Adelina Gashi: Ich sehe mich in vielem, was du erzählst. Mir ging es ähnlich – als Teenager wollte ich meine Herkunft nicht anerkennen und habe mich davon distanziert. Es war ein Überlebensmechanismus, denn die ständigen Mikroaggressionen taten weh. In der Gemeinde, in der ich aufgewachsen bin, waren wir eine von drei albanischen Familien. Ich hielt es damals für schlauer, mich anzupassen, als mich ständig für meine Herkunft und mein Anderssein erklären zu müssen. Nur begriff ich irgendwann, dass ich meine Herkunft nicht auslöschen konnte. Sie spielte immer eine Rolle. Sie spielte eine Rolle dabei, wie meine Lehrpersonen mit mir umgingen und später: welche Jobmöglichkeiten ich hatte; mein Name konnte darüber entscheiden, ob ich eine Stelle bekam oder nicht.

Duffeyz: Ich musste mir von meinen Lehrpersonen immer anhören: Mach doch eine Detailhandels- oder eine KV-Lehre. Nur wusste ich: Das ist nicht mein Weg. Ich wollte eine kreative Laufbahn einschlagen. Meine Lehrer warnten mich davor, ich würde es nicht schaffen mit meinem Realschulabschluss. Ich fand dann trotzdem eine Lehrstelle. Nach dem ersten Lehrjahr kam der Schock: Mein Lehrmeister liess mich durchfallen. Als ich mich gegen die Bewertung wehrte, soll mein damaliger Chef gesagt haben: «Wir müssen aufpassen, sonst kommt sie mit ihrer schei** Türken-Familie». Das war das erste Mal, dass mir bewusst wurde: Der Hass gegen uns findet nicht nur in den Medien statt, er passiert auch im echten Leben. Er betrifft auch mich. Aber ich wollte nicht aufgeben und fand schliesslich eine neue Lehrstelle als Mediamatikerin, die ich dann auch durchzog. Ich beschloss, dass mich die Ablehnung nicht davon abhalten würde, meine Träume zu verwirklichen. Heute kann ich sagen, ich habe einen Hochschulabschluss von der ZHdK. Mir wurden mehrere Türen knallhart vor der Nase zugeschlagen, mein Weg war nicht leicht. Damals dachte ich, ich arbeite nicht hart genug, ich sei zu wenig talentiert. Heute weiss ich, dass ich nun mal nicht die gleichen Voraussetzungen hatte.

Adelina Gashi: Du sprichst den Hass gegen die albanische Community in den Medien an. Ich finde, Medienschaffende haben eine grosse Verantwortung bei der Steuerung von Narrativen, die aber in der Schweizer Medienlandschaft noch nicht genug wahrgenommen wird. Stattdessen werden in vielen Berichten noch immer Stereotype reproduziert.

Duffeyz: Meine albanischen Freunde und ich haben früher über die fremdenfeindlichen Artikel über Albanerinnen und Albaner gelacht. Bis ich irgendwann verstand, dass viele Menschen tatsächlich so denken. Kein Wunder – die Medienberichte sind für sie oft ihre einzige Referenz. Im echten Leben haben diese Menschen noch nie etwas mit uns zu tun gehabt.

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«Ein Schweizer musste noch nie beweisen, dass er ein guter Schweizer ist»

Duffeyz

Adelina Gashi: Zwischen den Stereotypen der Albanerin mit der Erfolgsgeschichte, die es geschafft hat und heute Chefärztin ist, und dem kriminellen Albaner, der geklaut haben soll, scheint es in der medialen Abbildung kein Dazwischen zu geben. Du hast für deine Webserie junge Menschen porträtiert, die eben nicht in diese Klischees passen. Wie waren die Reaktionen darauf?

Duffeyz: Die Kommentare waren die Belohnung, die ich mir für meine Arbeit erhofft habe. Ich habe viel Dankbarkeit erfahren dafür, dass ich der Community eine Stimme gegeben habe. Jemand hat mir geschrieben: Du hast damit Grosses für uns getan. Dieser Teil der Gesellschaft, den ich abgebildet habe, findet in den Medien kaum statt und wird nicht gesehen. Entweder du hast es geschafft und es allen gezeigt oder du fällst durch die Maschen. Diese Extreme sind teilweise verantwortlich für die Identitätskrise, in der sich so viele Albanerinnen und Albaner in der Schweiz befinden. Ständig müssen wir beweisen, dass wir gut sind, dass wir hierher gehören. Um dazuzugehören, wird von uns verlangt, uns von unserer Herkunft zu distanzieren, besser zu sein als andere Ausländerinnen und Ausländer. Aber ein Schweizer musste noch nie beweisen, dass er ein guter Schweizer ist. Ein bezeichnender Moment, der das offenbart hat, war die Doppeladler-Affäre.

Adelina Gashi: Inwiefern?

Duffeyz: Sobald du deine Herkunft thematisierst, was Granit Xhaka damals mit seiner Geste getan hat, wirst du kritisiert. Menschen, die nie wegen ihrer Ethnie unterdrückt oder verfolgt wurden, begreifen nicht, was der Doppeladler damals für uns bedeutet hat. Natürlich ist es eine politisch aufgeladene Geste. Aber sie war deshalb nicht gegen die Schweiz gerichtet oder hat Xhaka weniger schweizerisch gemacht. Eigentlich war es doch ein Beweis für eine erfolgreiche Integration. Lass es mich anders ausdrücken: Warum sollte es jemanden stressen, wenn ich Vegeta* auf meine Rösti streue? Es geht beides miteinander. Ich muss mir zum Beispiel oft anhören, ich sei ja gar nicht so eine typische Albanerin.

Adelina Gashi: Warum?

Duffeyz: Allein der Fakt, dass ich als Albanerin Design studiert habe, zerstört für viele Menschen ein Weltbild. Als wäre es unalbanisch, an Kunst und Design interessiert zu sein. Dir wird das Albanischsein abgesprochen. Leute, die so reagieren, offenbaren eigentlich bloss, dass Albanischsein für sie negativ behaftet ist.

Adelina Gashi: Was braucht es, damit sich das ändert?

Duffeyz: Ich glaube, es hilft, Vorurteile abzubauen, indem wir auf andere zugehen und ihnen helfen, uns zu verstehen. Sie zum Tee einladen. Dafür braucht es auch Offenheit von unserer Community.

Adelina Gashi: Aber ist das wirklich unsere Aufgabe?

Duffeyz: Wenn wir weiterkommen wollen, ja. Ich will die Veränderung sein, die ich mir wünsche.

Adelina Gashi: Die SP-Politikerin Ylfete Fanaj hat im Mai die Luzerner Regierungsratswahlen gewonnen. Ihre Wahl war ein Meilenstein. Sie ist die erste Schweizerin mit kosovarischer Migrationsgeschichte, die es in eine Kantonsregierung geschafft hat. Weisst du noch, was dir durch den Kopf ging, als du von ihrer Wahl erfahren hast?

Duffeyz: In solchen Momenten werde ich ein bisschen patriotisch. Aber vor allem identifiziere ich mich mit so einer Person, denn wahrscheinlich hatte sie es auch nicht leicht und musste genauso hart kämpfen wie ich. Ich bin solchen Menschen dankbar für ihren Durchhaltewillen.

Adelina Gashi: Ist Fanajs Wahl vielleicht ein Zeichen dafür, dass sich der Diskurs im Wandel befindet? Dass wir eine neue Sichtbarkeit erreicht haben?

Duffeyz: Ich glaube, es braucht trotzdem mehr Repräsentation. Ich finde es schade, dass viele Albanerinnen und Albaner in der Schweiz sich nicht oder nur wenig am Politgeschehen beteiligen, obwohl sie einen Schweizer Pass haben.

Adelina Gashi: Hast du eine Vermutung, warum das so ist?

Duffeyz: Meine Familie und ich haben damals den Schweizer Pass gemacht, um frei zu sein. Um jederzeit nach Kosovo reisen zu können und nicht, um eine Stimme in der Schweiz zu haben. Ich vermute, viele andere Albanerinnen und Albaner in der Schweiz denken auch so. Und das ist ein Problem. Ich wünsche mir von der albanischen Community mehr politische Partizipation.

 

*Vegeta ist ein beliebtes Gewürz auf dem Balkan und schmeckt ähnlich wie Aromat

Das Bachelorprojekt «Shnosh – Identität Shipi» der Künstlerin Duffeyz thematisiert die Position albanischer Secondos in der Schweiz. Auf Instagram werden Interviews, Erfahrungsberichte und Fakten im Hip-Hop- und Street-Style präsentiert, um das Thema authentisch darzustellen und ein Bewusstsein zu schaffen. Die Zielgruppe wird aktiv mit Fragen zu den eigenen Erfahrungen eingebunden.

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Beni

Ein super Interview, aber, schade hat die Journalistin Adelina verpasst darüber zu reden, wie Opfer von Rassismus selbst die rassistischen Narrative (Sh****) übernehmen, sie reproduzieren und normalisieren.

Last edited 8 months ago by Beni
Heidi

Als CHlerin schätze ich eure Community sehr. Ist immer sehr herzlich unter euch. Im Ausgang wart ihr mir als Teenie der sichere Hafen. Danke

tom

Wo kann mensch die Webserie von Frau Duff sehen? Super interview und danke, dass ihr euch des Themas annehmt. Grüße auf (Piefke) Deutschland! 😉

Hausi

Dreht den Spiess einmal um und stellt euch vor wir würden ein Swiss-Festival in Albanien durchführen? Warum? Ich verstehs nicht, ansonsten cooler Artikel.