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3 Gründe, warum Zürich mehr Style hat als Berlin

Fashion

3 Gründe, warum Zürich mehr Style hat als Berlin

Autorin Carlott Bru lebt in Berlin – hat sich diesen Sommer aber Hals über Kopf in den Stil der Zürcher:innen verliebt. Warum? Das erklärt sie hier.

1. In Zürich sind Accessoires ein persönliches Revival der 2000er. In Berlin ein generisches.

Kurz nachgedacht, woran denken wir bei 2000er-Styling? An windschnittige Brillen, an Christina Aguileras Blockstreifensträhnen und an gelayerte Ketten, die mit jedem Christbaumschmuck konkurrieren könnten. Was trägt Berlin? Windschnittige Fake-Chanel-Brillen, blondierte Schläfen und unzählige Ketten. Einerseits ein offenes Eingeständnis junger Frauen, dass sie endlich ausleben können, was sie als kleine Mädchen (höchstwahrscheinlich) nicht durften. Dass sie nur dazugehören wollen. Was wiederum schön ist, dass sie es heute tun. Aber eben gleichzeitig weniger Befreiung als Nacheifern nach besseren Zeiten.

In Zürich hingegen ist Styling Selbstermächtigung. Eine Auseinandersetzung mit der eigenen Kindheit vielleicht sogar. Denn hier werden Schlüsselbunde um den Hals getragen. So mancher mit einem besonders schönen Bändel. Geknüpft, zum Beispiel, oder im Animalprint.

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Fanden wir nicht alle Schlüsselkinder insgeheim irgendwie cool? Diejenigen, die nicht von der Schule abgeholt wurden, sondern selbst nach Hause gehen durften. Die als Erste selbstständig waren, die im Bus mit anderen Kindern zurückfahren durften – diese Kinder trugen auch oft ihren Schlüssel oder ihre Busfahrkarte um den Hals. Oder die Geldbörse. Ist es nicht wunderbar, als Erwachsene auch wieder ein bisschen Kind zu sein? Und gleichzeitig mit stolzer Brust zu zeigen: Ich bin selbständig. 1:0 für Zürich.

2. Taschen müssen praktisch sein. In Berlin sind sie es nicht.

Bling-Bling-Taschen sind zurück, leider. Flohmärkte sind im Sommer die Fashionthermometer Berlins, die modebewusste Gesellschaft schiebt sich bei 30 Grad durch die Standreihen des RAW-Geländes und zeigt, wie cool sie ist. Doch die überladenen Taschen, vor denen es überall wimmelt, lösen in mir eher Abneigung als Bewunderung aus. Klar, viele Frauen fühlen sich nackt ohne Tasche – aber muss sie deshalb so viel glitzern und so überladen sein, dass die Trägerin dahinter verschwindet? Nein, meine ich, anders als die Berliner Bevölkerung.

Nieten, Strass, Kunstleder, Nylon, Tragegriffe, diverse Fächer und Reissverschlüsse – so viele, dass durch ihre Existenz der Platz genommen wird, den es zum Verstauen brächte. Mehrere Frauen auf dem Flohmarkt lassen sich deshalb Müllbeutel für ihre Käufe aushändigen, damit sie ihre Schnapper darin verstauen konnten. Modisch wie auf dem Weg zum Müllcontainer. Muss das sein? (Rhetorische Frage.)

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Wie in einem Traum erscheint mir da die Erinnerung an die lässige Zürcherin mit ihrer Freitag-Tasche. Unendliche Weiten scheinen manche Modelle zu bieten: Badi-Handtuch, Sonnencreme, Getränke, Zeitung, Buch, Fahrradschloss – alles hat Platz. Und noch dazu lokal hergestellt, recycelt. Mit einer solchen Tasche könnte sich auch der sonntägliche überfüllte RAW-Flohmarkt wie ein freitäglicher Feierabend anfühlen. 2:0 für Zürich.

3. Hosen sollten bequem sein – und kein Grund, um abzunehmen.

Eine gewisse Teilnahmslosigkeit ist den Berliner:innen sowieso vorbehalten, sonst könnten sie nicht an diesem dreckigen, lauten Durcheinander-Ort leben. Durch die 2000er-Mode erreicht diese Apathie jedoch ihren Höhepunkt: Die tiefhängenden Stone-wash-Hosen erlauben keine andere Fortbewegungsart als: Schlurfen. Weil man für diese Art von Hose zusätzlich einen flachen Bauch haben muss, spricht aus mir auch der Neid. Bei mir würde eine solche Hose überhaupt nicht gut aussehen.

Die vergangenen Body-Positivity-Jahre haben auch bei mir gewirkt, ich google zum Glück nicht: «Wie bekomme ich möglichst schnell einen flachen Bauch?». Sondern suche stattdessen nach einer Erklärung für die Hosen: Zum Fahrradfahren können sie nicht gedacht sein, denn sie sind zu steif. Unpraktisch für den Sommer.

Vielleicht sorgen die Träger:innen für Distanz zu schweissnassen U-Bahn-Sitzen? Ich finde keine Antwort. Stattdessen wünsche ich mich zurück zur velofahrenden Bevölkerung zwischen Lochergut und Oberer Letten. Dort konnte sich ein anderer Trend durchsetzen: die Adidas Shorts. Sehr bodypositiv. Man kann sie nämlich über das Bäuchlein ziehen. Und die drei vertikalen Streifen strecken optisch.

Oberschenkellang, bequem und beweglich, und doch auch rebellisch – schliesslich lassen sich damit kühne Stilbrüche erzeugen. Kombiniert mit einem Hemd beispielsweise. Oder mit Cowboyboots. So können alte Trends gern aufleben. 3:0 für Zürich. Entspannter und zugleich schöner als Zürich: Geht wohl kaum.

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