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Aktivist:innen auf dem Runway: Protest steht uns gut

Fashion

Aktivist:innen auf dem Runway: Protest steht uns gut

Peta-Aktivistinnen sind gut darin, sich an Fashion Shows zu schmuggeln. Warum diese Proteste im Modezirkus nötig sind.

Dieser Artikel erschien erstmals im November 2023.

 

«Was haben Modediebinnen und Bettwanzen gemeinsam?», fragte «The Cut» im Oktober. «Beide sind unglaublich gut darin, sich auf der Pariser Modewoche an Orte zu schmuggeln, an die sie nicht eingeladen wurden.» Modediebinnen? Getarnt in Prada schleichen sie sich auf leise klackernden Sohlen an eine Modeschau, stehlen keine Mode, aber sich in die Frontrow.

Als Taschenlampe dient ihnen der Blitz ihrer iPhones, sie filmen ihre Tat, geben damit auf Social Media an – was für ein Coup. Auch Peta-Aktivistinnen sind gut darin, sich an Orte zu schmuggeln, an die sie nicht eingeladen wurden. Zu vier Shows verschafften sie sich diese Saison unerlaubt Zugang.

Nachdreissig Sekunden vom Runway gezerrt

Ihr Motiv: den Gebrauch von Leder in der Mode anklagen. Ihr Vorgehen: Backstage-Bändeli ergaunern, in einem unbeobachteten Moment aus der Deckung preschen und mit Protestplakat – Hände hoch! – über den Laufsteg stampfen. Nach rund dreissig Sekunden wurde die Aktivistin bei Coach in New York vom Runway gezerrt, jene bei Burberry in London und Gucci in Mailand nach etwas mehr als zehn.

Bei Hermès in Paris spielte sich Modeblogger Bryanboy als Polizist auf und riss der Unruhestifterin ihr Plakat aus den Händen. Während er mit vollem Körpereinsatz seinen Frontrow-Sitz für kommende Saison verteidigte, konnten sich andere nicht entscheiden, ob sie hin- oder wegsehen sollten – als hätte sich vor ihren Augen ein Unfall ereignet.

Ungemütlich auf den begehrten Plätzen

Sie identifizierten sich selbst als Opfer, als Schaulustige wider Willen. Dabei, und dessen waren sie sich bewusst, sind sie als Teil der Industrie Mittäter:innen. Mitgehangen, mitgefangen. Ja, es wurde sichtlich ungemütlich auf den begehrten Plätzen. Die Modemenschen wurden empfindlich gestört bei ihrer Selbstbeweihräucherung. In ihrem Selbstverständnis. Es ging ihnen wie den Klassik-Fans im KKL, als Klimakleber:innen ein Konzert unterbrachen. «Wir wollen die Musik hören», schrie ein genervter Ticketbezahler in seine Echokammer, so besprechen es Barbara Bleisch und der «philosophische Querulant» Dieter Thomä in «Sternstunde Philosophie».

Das Anliegen wird weltweit sichtbar

Ihr Fazit: produktives Stören bringt Demokratie und Gesellschaft voran. Würden die Klimakleber:innen niemanden stören, sich, sagen wir, in ihrem Garten festkleben, würden sie damit nichts bewirken. Auch eine Demo auf der Strasse findet kaum Platz auf den Social-Media-Kanälen Schaulustiger. Ein instagrammable Fashion-Week-Protest hingegen schon, er macht Petas Anliegen weltweit sichtbar.

Der Protest mag den Modezirkus nur kurz unterbrochen haben, als Pausenattraktion sozusagen. Aber kurz sind auch Einbrüche. Und hinterlassen doch ein mulmiges Gefühl. Gut so in diesem Fall. Erst wem unwohl wird, hinterfragt sich und die Branche. Material, Transport, Retouren – zu reflektieren gibt es viel.

Je öfter wir daran erinnert werden, desto besser. Irgendwann müssen wir hinsehen. Und die Modehäuser? Verschärfen die nächste Saison ihre Sicherheitskontrollen? Schaffen sie sich eine Alarmanlage, einen Wachhund an? Vielleicht sind die Bettwanzen Wachhund genug. Wenn die sich in Paris weiter ausbreiten, kommen bald nicht mal mehr die Modediebinnen.

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