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Echt Jetzt?

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Echt Jetzt?

  • Text: Leandra Nef; Foto: Instagram

Die Modeindustrie setzt immer häufiger virtuelle Influencer für Werbekampagnen ein. Dabei werden Charaktere geschaffen, welche die Vielfalt in der Welt präsentieren sollen. Unsere Autorin Leandra Nef findet, Labels sollten sich deswegen nicht mit Diversität brüsten.

Virtuelle Influencer wie Lil Miquela machen die geschönte Welt von Instagram jetzt noch künstlicher. Ja, richtig gelesen: Zu all den Kylie-Jenner-lippigen, Facetune-App-gepimpten Gesichtern kommen seit geraumer Zeit noch die zur Perfektion computergenerierten hinzu. Stören tut mich das grundsätzlich nicht. Ich finde es sogar legitim, dass grosse Player der Modeindustrie Geld dafür zahlen, dass Avatare ihre Kleider virtuell einem Millionenpublikum präsentieren. Lil Miquela etwa hat schon mit Prada zusammengearbeitet und kürzlich in einem Werbespot Topmodel Bella Hadid geküsst – woraufhin sich Auftraggeber Calvin Klein allerdings wegen Queerbaiting rechtfertigen musste: Dem Unternehmen wurde vorgeworfen, die heterosexuelle Bella Hadid aus Marketinggründen in einer homosexuellen Rolle zu zeigen. Nicht das erste Mal, dass eine Werbekampagne mit virtuellen Charakteren ein Fäkaliengewitter auslöst.

Balmain widerfuhr dies letztes Jahr, nachdem die Marke das digitale Supermodel Shudu (Foto) in der Herbst-Kampagne neben zwei weiteren virtuellen Models gezeigt hatte: der Französin Margot und der Chinesin Zhi. Eine Afrikanerin, eine Europäerin, eine Asiatin. Man ahnt, worauf Balmain hinauswollte. Art Director Olivier Rousteing nannte seine «Virtual Reality Army» den «Anfang dessen, was es bedeuten wird, Vielfalt in der Welt zu präsentieren». Kritiker nannten es falsch verstandene Diversität. Und Shudu-Schöpfer Cameron-James Wilson, ein britischer Visual Artist, hat bereits die nächsten «diversen Charaktere» erschaffen, darunter Brenn, ein ebenfalls dunkelhäutiges Model – mit sichtbaren Dehnungsstreifen (!). Kampagnen mit digitalen Supermodels afrikanischer Herkunft und vermeintlichen Schönheitsmakeln? Bitte gern. Sich als Label deswegen mit Diversität brüsten? Bitte nicht. Erstens erhalten dunkelhäutige Models in der realen Welt viel zu selten die Chance auf einen Job, zweitens fände ich es wünschenswert, wenn Unternehmen selbstverständlich Menschen unterschiedlicher Backgrounds zeigen könnten, ohne gleich Diversity zu schreien.

Und dann hätte ich noch einen unverschämt revolutionären Vorschlag in Sachen Brenn: Man fotografiere eine echte Frau und lasse für einmal die Retuschen weg. Schon hat man es: Das Model mit dem einen oder anderen Dehnungsstreifen – ganz in echt. Wahnsinn, was heute in der Realität alles möglich wäre!

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