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Hilfe, Mama bloggt!

Stil

Hilfe, Mama bloggt!

  • Interview: Jacqueline Krause-Blouin; Fotos: Pierluigi Macor (1), sandrascloset.com/David Biedert

Die Mutter: Sandra Bauknecht (43), die Schweizer Influencer-Pionierin. Die Tochter: Teenager Anouk (16), die ihren Instagram-Account auf privat gestellt hat. Ein Generationen-Clash?

annabelle: Sandra Bauknecht, war Ihnen Ihre berufliche Richtung schon immer klar?
Sandra Bauknecht: Ich wollte schon immer etwas mit Mode machen. Schon als kleines Mädchen habe ich meine Mutter oft in die Verzweiflung getrieben mit meiner Leidenschaft dafür. Ich war auf einer Mädchenschule, und auf der Maturareise nach Rom bin ich mit meinen Lehrerinnen einkaufen gegangen. Damals war gerade der berühmte Moschino-Gürtel rausgekommen, von dem ich sie dann überzeugt habe. (lacht) Erst kürzlich hat mir eine von ihnen über meinen Blog geschrieben, dass sie ihn heute noch trägt. Ich experimentierte schon immer gern. Meinen Schönheitsfleck habe ich mir zum ersten Mal mit neun, an meiner Erstkommunion, ins Gesicht gemalt. Jetzt ist er mein Markenzeichen.

Sie werden als Influencerin bezeichnet – ist es Ihre Absicht, Menschen modisch zu beeinflussen?
Zunächst muss ich einmal sagen, dass ich den Begriff Influencer überhaupt nicht mag. Ich möchte die Leute nicht beeinflussen, ich möchte sie nur inspirieren. Aber um noch mal auf die Berufswahl zurückzukommen: Ich wollte eigentlich Modedesign studieren oder Modejournalistin werden. Das Problem war nur, dass ich eine recht gute Matura hatte und mein Vater fand, dass man mit einem solchen Abschluss nicht Mode, sondern etwas vermeintlich Anständiges studieren sollte. Heute verstehe ich ihn besser, aber damals war das ein grosser Konflikt. Ich habe dann tatsächlich Jus studiert und im Anschluss Modedesign durchgezogen.

Ich stelle Sie mir wie die modebegeisterte Harvard-Studentin Elle Woods in «Legally Blonde» vor!
Das war tatsächlich lustig. Eines Tages hat mich mein Professor gefragt: «Sie scheinen eine echte Passion für Mode zu haben. Sind Sie sicher, dass Sie Jus studieren möchten?» Ich habe ihm gebeichtet, dass ich Strafrecht zwar interessant finde, meine Leidenschaft aber tatsächlich die Mode ist, und er hat mich überzeugt, dass man sich bei solch wichtigen Entscheidungen auch gegen die Eltern durchsetzen muss. Das habe ich dann auch getan. Mein Vater war allerdings erst versöhnt, als mein erster Artikel in «Marie Claire» erschien.

Was ist Ihr Berufswunsch für Ihre Tochter?
Anouk möchte Psychologie und Schauspiel studieren. Ich fände es toll, wenn sie neben dem Schauspielstudium Medizin studieren und sich dann auf Psychiatrie fokussieren würde. Das hätte mich auch selbst interessiert, aber ich wollte halt nie Berufskleidung und kurze Nägel (lacht). Anouk soll unbedingt ihrer Leidenschaft nachgehen und studieren, was sie will. So viel habe ich gelernt.

Anouk, was denken deine Freundinnen über den Beruf deiner Mama?
Anouk Bauknecht: Sehr viele finden es richtig cool und verfolgen auf Instagram alles, was Mama macht. Sie fragen mich zum Beispiel: «Wie geht es deiner Mama gerade auf der Reise in New York?» oder sie wollen mit mir über ein bestimmtes Kleidungsstück auf einem Foto sprechen. Manche quatschen auch lang mit Mama über Mode, wenn sie mich besuchen.

Wer beeinflusst die Art, wie du dich kleidest?
Da mir Mode nicht so wichtig ist, beeinflusst mich auch niemand. Es kommt eigentlich aus mir selbst.

Warum ist Mode dir nicht so wichtig?
Ich glaube, weil ich Mode und das ganze Drumherum schon so früh von meiner Mama mitbekommen habe, beeindruckt mich das einfach alles nicht.

Sandra Bauknecht, haben Sie versucht, Ihre Liebe für die Mode an Anouk weiterzugeben?
Nein, ich habe sie frei sein lassen. Als sie klein war, spielten wir natürlich Barbie und Verkleiden. Schon als Kind durfte sie selbst entscheiden, was sie anziehen möchte. Mir war wichtig, dass sie früh ihren eigenen Stil entdecken kann. Ich bezog Anouk auch oft in meinen Job mit ein. So legte ich ihr zum Beispiel alle Lookbooks hin, schlug ihr ein Trendthema vor und liess sie dann eine Auswahl treffen, die sie mir später präsentierte und die ich dann auch zum Teil verwendet habe, was sie sehr stolz machte. Auch zu Events und Presseterminen nahm ich sie mit, Anouk war bei Interviews mit Karl Lagerfeld oder Tommy Hilfiger dabei. Hilfiger hat eigentlich nur mit ihr gesprochen. (lacht)

Wurde Ihnen selbst die Faszination für die Mode in die Wiege gelegt?
Zum Teil. Meine Oma war absolut modeaffin, meiner Mutter und meiner Schwester hingegen ist Mode nicht besonders wichtig.
Anouk: Ich glaube, die Verrücktheit für Mode hat eine Generation übersprungen.
Sandra Bauknecht: Du bist ja auch stur, das würde gar nichts bringen, wenn ich dich zwingen würde, dich mehr mit Mode zu beschäftigen. (lacht)
Ich wollte Anouk mal eine Designertasche mit zur Schule geben, weil sie die perfekte Grösse hatte, aber sie weigerte sich. Sie wollte nicht, dass ihre Mitschüler sie für eine Angeberin halten. Sie argumentierte, dass sie nicht wegen der Tasche, sondern um ihrer selbst willen gemocht werden möchte. Das hat mich schwer beeindruckt.

Anouk, wie beschreibst du deinen eigenen Stil?
Sehr basic, bequem und praktisch. Chic mache ich mich nur für besondere Anlässe.

Und den deiner Mama?
Meine Mama ist ja eine Trendsetterin. Farbenfroh, extravagant. Und sie achtet sehr aufs Detail. Sie experimentiert gern, im Gegensatz zu mir. Aber ich mag es auch, wenn sie mal im Schlabberlook zuhause sitzt.

Sind Markenkleider in deiner Schule Thema?
Ja, Thema sind sie schon. Interessant ist, dass die Jungs mindestens genauso auf ihre Kleidung achten wie die Mädchen. Mir gefallen auch viele Labels, ich finde die Sachen schön, aber ich sehe trotzdem oft keinen grossen Unterschied zu günstiger Kleidung.

Wie kam es dazu, dass du alle Fotos für den Blog deiner Mama schiesst?
Ich bin die Einzige, die ständig um sie herum ist. Wir haben uns am Anfang einen Spass daraus gemacht, dann habe ich aber einen Fotografiekurs in der Schule belegt und wurde immer besser.
Sandra Bauknecht: Fakt ist, dass ich mich bei meiner Tochter freier fühle als bei Profifotografen. Wir haben meistens viel Spass dabei, besonders auf Reisen.

Anouk, dein Instagram-Account ist privat. Wieso?
Ich finde einfach, die Welt muss nicht wissen, was ich in den Ferien mache. Wenn ich Bilder teile, dann nur mit Freunden und der Familie. Ich habe durch meine Mutter auch gelernt, dass man sich im Internet sehr schnell verwundbar machen kann.

Aber du hast doch sicher einen Finsta-Account!
Sandra Bauknecht: Oh ja, das hat sie! Und dem darf nicht mal ich folgen!
Anouk: Ja, das haben alle, und meinem Finsta-Account dürfen nur meine fünf besten Freunde folgen. Da kommen alle hässlichen Bilder drauf! (lacht)

Sandra Bauknecht, wie gehen Sie mit Hatern um?
Ich folge dem Credo von Coco Chanel: «Mitleid bekommt man geschenkt, Neid muss man sich erarbeiten. » Ich versuche auch Anouk beizubringen, dass man sein Leben nicht für die anderen, sondern für sich selbst lebt. Man muss als Bloggerin aber schon eine dicke Haut haben. Es gab mal eine Art Gegenblog zu «Sandra’s Closet», so eine Lästertruppe gegen mich. Das war toll, weil es mir extrem viele Klicks gebracht hat. Irgendwann habe ich denen mal einen Dankesbrief geschrieben, da haben sie dann blöderweise aufgehört. (lacht)

Was sind die dümmsten Vorurteile, mit denen Sie konfrontiert werden?
Dass ich mich für nichts anderes interessiere als für mich selbst und die Mode. Dass ich oberflächlich und egozentrisch sei. Wenn man es mal von einer anderen Seite betrachtet, ist die Mode doch ziemlich tiefgründig. Erstens: Man bedeckt das Wichtigste, was man hat, nämlich Körper und Seele. Zweitens: Der erste Eindruck entsteht in den ersten Sekunden, folglich kann Mode unglaublich viel Macht haben und auch Menschen extrem manipulieren. Und drittens: Mode, Kultur, Film, Musik, ja sogar Religion, alles beeinflusst sich gegenseitig … Von daher finde ich es immer sehr amüsant, dass viele Menschen die Mode für etwas Oberflächliches halten.

Anouk, beobachtest du einen Trend unter Teenagern, Social Media abzuschwören?
Wir Jungen benutzen Social Media auf jeden Fall privater als viele Erwachsene. In meiner Schule gibt es auch solche, die keine Social Media benutzen, weil sie lieber wollen, dass man sie persönlich fragt, wie es ihnen geht oder was sie am Wochenende gemacht haben. Nachrichten schreiben wir vor allem über Snapchat. Whatsapp benutzt fast keiner mehr.
Sandra Bauknecht: Unter uns war das eine Art Deal – ich lasse dir Snapchat, dafür habe ich Instagram.

Teilen Sie auch private Familienbilder?
Das mache ich sehr selten, ich möchte meine Familie schützen. Ich habe Anouk eigentlich immer rausgehalten und wollte, dass sie selbst bestimmen kann, ob sie abgelichtet werden möchte. Dieses Interview ist ein Primeur, jetzt ist sie alt genug, solche Entscheidungen selbst zu fällen. Ausserdem geht es mir bei meinem Blog ja auch nur um die Mode und nicht darum zu zeigen, mit wem und wo ich jetzt gerade einen Kaffee trinke.

Aber Sie sind natürlich das Gesicht Ihres Blogs und auf vielen Fotos zu sehen!
Ja, ursprünglich wollte ich nur Mode zeigen und nicht mich selbst. Aber ganz ehrlich: Es lief einfach viel besser, als ich auf den Bildern selbst drauf war.

Was bewundert ihr an der anderen?
Sandra Bauknecht: Ich bewundere deine Bodenständigkeit, ich finde es genial, dass du dich nicht so leicht beeindrucken lässt. Das ist nicht einfach als junger Mensch.
Anouk: Das ist ja auch ein Kompliment an dich, Mama. Ich bewundere dein Durchsetzungsvermögen und dass du dein Ding durchziehst, egal, was andere über dich denken.

Und was nervt an der anderen?
Beide gleichzeitig: Dein Perfektionismus!
Sandra Bauknecht: Nur haben wir den Perfektionismus nicht an den gleichen Stellen. Ich stecke abends Schuhspanner in meine Schuhe, und du schmeisst deine Sachen schon mal in die Ecke. Dafür übertreibst du manchmal, wenn bei den Hausaufgaben alles perfekt sein muss, obwohl es schon längst gut ist.
Anouk: Also ich meine deinen Perfektionismus bei der Haus-Deko oder beim Anziehen, immer muss alles abgestimmt sein!

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Sandra Bauknecht zeigt sich auf Instagram gern extravagant, während sich Tochter Anouk lieber hinter der Kamera versteckt

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