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Karen Alexander

Stil

Karen Alexander

  • Text: Lars Jensen

“Was mich heute wirklich fasziniert, ist der Tod”

Der 24-jährige Fotoassistent entdeckt Karen Alexander am Eingang des Fotostudios. Sie könnte seine Mutter sein, doch er hätte sie gern zur Freundin. «Unfassbar», sagt er. «So eine schöne Person habe ich noch nie gesehen. Sie sieht frischer, eleganter, gesünder aus als die Mädchen in meinem Alter.» Der Assistent ist nicht der Einzige, den Alexanders Erscheinung beeindruckt. Fotograf, Stylistin, Reporter geht es ähnlich. Nur eine Person bleibt vollkommen gelassen – Karen Alexander selbst. «Mir wurde mein Leben lang erklärt, ich sei zu gross oder zu klein, zu dick oder zu dünn, zu schwarz oder zu hell. Diese ständige Kritik nagte an mir. Zum ersten Mal habe ich mich während meiner ersten Schwangerschaft als schön empfunden.» Dann lächelt sie mit der Milde einer Buddhistin. Alexander scheint so entspannt, als habe sie dank einer religiösen Erleuchtung alle weltlichen Probleme für sich gelöst. 1966, als sie in New Jersey zur Welt kam, erschien erstmals ein schwarzes Mädchen auf dem Titelbild eines weissen US-Modemagazins.

Nach Donyale Luna war Karen Alexander eine der ersten Afroamerikanerinnen, die es im Modelbusiness an die Spitze schafften. Regelmässig wurde sie für Covers von «Vogue», «Elle» und «Glamour» gebucht, auch für den Pirelli-Kalender und die Bademodeausgabe von «Sports Illustrated» stand sie Modell. Kurz nach ihr folgten Naomi Campbell, Tyra Banks, Veronica Webb – mit Alexanders Erfolg begann der Durchbruch schwarzer Mädchen in der Modeindustrie. Ob sie sich als historische Figur sieht? «Nein, aber es freut mich, dass es heute keine Sensation mehr ist, wenn ein nicht weisses Model Erfolg hat.»

Nachdem sie den Film- und Musikproduzenten Adam Kidron geheiratet hatte, zog Karen Alexander 1990 nach Pasadena. Damals wütete Aids in Kalifornien. Auch Dutzende Bekannte von Alexander und Kidron raffte die Krankheit dahin. Eine Tragödie, die Alexander dazu inspirierte, in einem Hospiz zu arbeiten. Seit zwanzig Jahren besucht sie nun mehrmals wöchentlich Menschen, die ihre letzten Tage oder Wochen erleben. Manchmal fährt sie direkt von einem Fotoshooting zum Hospiz. «Häufig schreibe ich auf, was die Menschen mir erzählen, und schicke die Briefe ihren Angehörigen», sagt Karen Alexander. «Ich empfinde es als Geschenk, diese Leute zu treffen.» Es ist seltsam. Alexander sieht aus, als habe sie das Geheimnis der ewigen Jugend entdeckt. Doch was sie wirklich fasziniert, ist der Tod.

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