Werbung
Kochshows auf dem Prüfstand

Stil

Kochshows auf dem Prüfstand

  • Text: Julia HoferFotos: Fotos: Christian Lanz/SF, Oscar Alessio/SF, Andreas Fahrni, ZDF BilderdienstErstellt: 24. März 2010

Köche sind die neuen TV-Stars. Doch was taugen ihre Rezepte wirklich? Ein Versuch: annabelle-Redaktorin Julia Hofer hat sie nachgekocht.

Sven Epiney und die FischTerrine: Die Kochplatten laufen heiss auf allen Kanälen, Köche sind die neuen TV-Stars. Doch was passiert, wenn man ihre Rezepte nachkocht?

Ich gehöre zu den Menschen, die in der Lage sind, noch dem fadesten Tag mit einem guten, selbst gekochten Essen etwas Positives abzugewinnen. Es muss nicht kompliziert sein. Ein einfacher Sugo aus Tomaten, einer Zwiebel und viel Butter, wie ihn Marcella Hazan, die Königin der italienischen Küche, in einem ihrer Bücher beschreibt, reicht völlig.

Obwohl ich sehr gern koche, bin ich keine perfekte Köchin. Ich bin weder Expertin im Niedergaren, noch habe ich jemals ein Soufflé gebacken oder einen Aal gehäutet. Vielleicht gerade deshalb gehöre ich zu jenen, die ein gutes Kochbuch von der ersten bis zur letzten Seite verschlingen können (ja, sogar abends im Bett), weil sie ständig in der Hoffnung leben, sie könnten etwa das Siedfleisch noch etwas besser, noch etwas raffinierter zubereiten. Bis es vielleicht eines Tages eine wahre geschmackliche Offenbarung wird.

Bislang habe ich Kochbücher den TV-Shows als Inspirationsquelle vorgezogen. Ob mein Misstrauen berechtigt ist oder mehr nostalgischen Gründen geschuldet, vermag ich nicht zu sagen. Also entschliesse ich mich, die Probe aufs Exempel zu machen. Ich setze mich vor den Fernseher, Primetime, Vorhang auf für die SF-Kochsendung «Al dente». Sven Epiney begrüsst die Zuschauer mit seinem gewohnten Elan, im Studio flackert ein digitales Feuer, wahrscheinlich ein Symbol für die Sehnsucht nach einer Kochstelle wie zu Urgrossmutters Zeiten, ein Symbol auch für die Sehnsucht nach selbst gekochtem Essen.
Der Sommelier Alberto Russo löst Epineys Versprechen «Hüt wei mer öppis ganz Bsundrigs zoubere, schliesslich si mer bi ‹Al dente›» gleich zu Beginn ein, indem er aus heissem belgischem Bier, Orangen-, Zitronensaft und Honig einen so genannten Bierpunsch mixt. Dass Originalität um jeden Preis dem Geschmack meistens nicht förderlich ist, beweist die Degustation tags darauf in meiner Küche. Das Getränk, klebrig und herb wie Hustensaft, scheint meinem Mann höchstens geeignet, um «obdachlose Alkis besser durch den Winter zu bringen».

Das Getränk passt allerdings zum kulinarischen Niveau einer Sendung, deren Moderator einen Studiogast strahlend fragt: «Bisch du muetig? Probiersch im Usland Gricht, wo du nid kennsch?» Auch dass die Kandidatin als Lieblingsgericht «Nudelpfanne Tricolore» angibt, hinterlässt ein eher schales Gefühl. Und die Preisfrage, die am Schluss der Sendung gestellt wird, irritiert jeden, der sich nicht ausschliesslich von Rösti und Fondue ernährt: «Sind Crevetten Meerestiere oder Wurstwaren?»

Für den Auftritt der beiden Fernsehköche kann man leider ebenfalls weder Punkte noch Sterne verteilen: Andreas C. Studer (Studi) mit seinem verkehrt herum getragenen roten Baseballcap ist die wohl spiessigste Adaption des englischen Fernsehstarkochs Jamie Oliver. Und bei Sibylle Sager kann man sich nicht entscheiden, was schlimmer ist: ihre krächzende Piepsstimme oder ihre Schulkochbuch-Instruktionen im Stil von «Soodeli, dä Peterli hacked mir jetzt perfekt regelmässig».
Trotzdem gebe ich der Sendung eine zweite Chance. Während ich den Zander von seinen Gräten befreie, ihn mit Brot, Halbrahm, Dill, Peterli, Salz und Pfeffer püriere, um ihn anschliessend in einem Wasserbad im Backofen in eine Terrine zu verwandeln, denke ich darüber nach, dass die Fischterrine, ein Modegericht der Achtzigerjahre, der Vorläufer der Molekularküche sein muss. Zuerst in die Einzelteile zerlegen und dann etwas Neues draus machen.

Immerhin besticht das Rezept durch Einfachheit, erst beim Niedergaren verliere ich die Geduld und erhöhe gegen Schluss die Temperatur. Ein Anfängerfehler mit Folgen: Die Plastikfrischhaltefolie, mit der ich die Cakeform ausgelegt habe, schmilzt und kräuselt sich unappetitlich. Ich befürchte schon, dass sie geschmacklich auf den zarten Fisch abgefärbt hat, doch die Überraschung beim Essen ist, wie Sibylle Sager sagen würde, «perfekt»: Die Zanderfarce ist harmonisch und wird von der Lachsforelle schön ergänzt. Ausserdem ist der Molekularfisch ein idealer Kinderfisch, da vollständig grätenlos.

Als Beilage hat der rot bemützte Studi so genannte Papillons (gebacken aus einem «Päckli Strudelteig» und «wenig Mandarinenöl zum Bestreichen») vorgeschlagen. Aber das wäre dann wieder eine andere Geschichte. Wir haben die Fischterrine ganz langweilig mit Reis gegessen, was jedenfalls nicht schlecht gepasst hat.
Das zweite Testkochen widme ich Anne-Marie Wildeisens Sendung «Kochen», die über insgesamt sechs verschiedene Schweizer Lokalsender flimmert. Wildeisen bestreitet kein Unterhaltungsprogramm, ihre nur wenige Minuten dauernde Sendung versteht sich vielmehr als Antwort auf die Frage: Was koche ich heute? Die Köchin, so stand es einst in annabelle, werde von Millionen für ihre «tubelisicheren» Rezepte geliebt. Natürlich muss, wer so viele Fans hat, auch mit Feinden rechnen. Auf Facebook haben sich 157 Leute zusammengefunden, die Anne-Marie Wildeisens Sendung mit einer «zu dünn geratenen Sauce» vergleichen.

Tatsächlich erläutert Wildeisen, nach einem kulturhistorischen 1-Satz-Exkurs über den Freitag als Wähentag, die Zubereitung einer italienischen Hackfleischtorte so emotionslos, als habe sie zufällig die Karte «Hackfleischtorte» aus einer Rezeptkartei gezogen. Es bleibt ihr Geheimnis, ob sie diese schon einmal zube reitet hat, ob und warum sie das Gericht mag. Zu diesem Kult des Pragmatischen passt der Sponsor der Sendung, dessen Produkte (sehr aggressiv wirkende, giftige Backofenreiniger) gut sichtbar im Kochstudio platziert sind. Nein, Anne-Marie Wildeisen ist keine zweite Nigella Lawson, die ihre Zuschauer auf NBC mit tiefem Décolleté, Schokolade und Schlagrahm verführt und zu Recht als Göttin der Hausfrauen verehrt wird. Schon eher versprüht sie den Charme einer Hauswirtschaftslehrerin kurz vor der Pensionierung.

Trotzdem folge ich ihrer Auff orderung «Warum nid einisch en huusgmachte Chuecheteig herstelle?» gern. Quark, Mehl, Butter und Salz lassen sich wie versprochen mühelos zu einem Teig verarbeiten. Da ich besonders vorsichtig sein will, backe ich die Hackfl eischtorte entgegen der Anleitung zuerst kurz ohne Füllung. Was leider nichts nützt: Der Boden ist nach der angegebenen Backzeit schlapp wie Cornfl akes, die zu lange in Milch gelegen haben. Von wegen «tubelisicher». Irgendwann kann ich meine Gäste, die ich zu diesem einfachen Abendessen eingeladen habe, und vor allem die quengelnde Kinderschar nicht mehr länger mit Salat vertrösten. Ich stopfe die hungrigen Mäuler mit der Apfelwähe, die ich ebenfalls noch in den Backofen geschoben, aber eigentlich als Nachspeise vorgesehen habe.
Das Essen entwickelt sich dennoch (oder gerade deshalb) zu einem gelungenen, wilden Abend. Der Alkohol fl iesst, die Erwachsenen unterhalten sich schon fast schreiend, um den Kinderlärm zu übertönen. Die Freundin lobt den «selbst gemachten» Teig der Apfelwähe, mein Geständnis, gerade diesen hätte ich zum Quervergleich in der Migros geholt (Bio-Kuchen teig!), geht im Gelächter unter.

Endlich ist der Boden der Fleischtorte knusprig – leider ist jetzt die Füllung trocken. Der Mascarpone-Gorgonzola zerfl iesst nicht mehr im Fleisch, um dort seine Aromen frei zugeben, sondern ist gummig geworden wie Mozzarella auf einer erkalteten Pizza. Unseren Freunden macht das nichts aus. Im Gegenteil, sie gehen in ihrer Rolle als Gourmetkritiker ebenso auf wie die Gäste in der Vox-Kochsendung «Das perfekte Dinner», über die jemand mal geschrieben hat: «Es sind Gäste aus der Hölle.» Der selbst gemachte Kuchenteig der Hackfleischtorte nach Anne-Marie Wildeisens Rezeptur wird von meinen Freunden ebenso in Frage gestellt («Ehrlich gesagt: eine Schwachstelle») wie das Verhältnis von Aufwand und Ertrag insgesamt («Wenn man bedenkt, wie lange du für die beiden Gerichte in der Küche gestanden bist …»).

Vielleicht kann die ZDF-Kochsendung «Lanz kocht!», in der jeweils fünf Sterneköche einen Fünfgänger zubereiten, mehr überzeugen. Die Show dauert wie «Al dente» eine Stunde, allerdings wird sie jeweils am Freitag gegen Mitternacht ausgestrahlt. Der Sendeplatz signalisiert: kein Familienprogramm, sondern ein anspruchsvolles Format für Wochenendköche, die sich zu später Stunde vielleicht noch zu einem beeindruckenden Menü inspirieren lassen wollen. In der heutigen Sendung erhalten die Fernsehköche je einen Korb mit Zutaten, aus denen sie ein Gerichterfindenmüssen. So soll der Blick in den Kühlschrank und das Kochen mit dem Vorgefundenen simuliert werden. Improvisation ist gefragt, ein sympathischer Ansatz.Doch da es sich um eine Art Wettkochen handelt, zeichnet sich auf dem Gesicht von Fernsehkoch Steff en Henssler bald Enttäuschung über seine Zutaten ab: Mozzarella, Peperoni, Flusskrebse und, tja, Knäckebrot. Natürlich weiss der Moderator Markus Lanz um den Unterhaltungswert dieses kleinen Dramas und bittet die Regie schadenfreudig, «im Laufe der Sendung immer wieder mal eine Grossaufnahme von Steffens von Panik entstelltem Gesicht zu zeigen».

Auch sonst sind die Sprüche um Klassen besser als in «Al dente», zum Beispiel wenn Markus Lanz, wie er selber sagt, «klugscheisserisch» fragt: «Ist es wahr, dass du ein Problem kriegst, wenn du die Papaya aufschneidest und dir der Saft ins Auge geht?» und einer der Köche trocken zurückgibt: «Wenn der Stein mitgeht, dann ja.» Alfons Schuhbeck scheint dank seines (körperlichen und kulinarischen) Formats so etwas wie der Alphakoch der Sendung zu sein. Was er an kulinarischem Wissen weitergibt, saugen Hobbyköche auf wie Auberginen das Olivenöl. Er weiss nicht nur, dass das Papaya-Enzym Papain Eiweiss spaltet und deswegen zum Garziehen von Fisch genutzt werden kann, sondern erklärt auch, warum man schwarze Trüff el am besten in Portwein haltbar macht oder warum Knoblauch und Vanille so gut zusammenpassen.

Markus Lanz kann sich einen weiteren Seitenhieb gegen den vom Knäckebrot gebeutelten Steff en Henssler nicht verkneifen und fragt einen weiblichen Fan des gut aussehenden Sternekochs: «Finden Sie den aus kulinarischen oder rein optischen Gründen gut?» Auch wenn hier richtiggehend gegen das konzentrierte Schweigen ange- schwafelt wird, das Kochen eigentlich auszeichnet (als einzige Kochshow macht hier Patrick Müllers legendäres «Silent Cooking» auf 3sat eine Ausnahme), muss man zugeben: Die Dialoge sind schnell, der Unterhaltungsfaktor ist hoch.Doch welches von diesen experimentellen Gerichten soll ich nun nachkochen? Im Februar koche ich weder mit Erdbeeren noch mit Spargeln – also scheiden zwei Gerichte schon mal aus. Und das Dessert, ein mit Olivenöl und Balsamico angemachtes Ananasragout mit Marshmallows, macht mich nicht wirklich an. Bleibt noch Alexander Herrmanns Kopfsalatsuppe mit Frühlingsrollen. Um das Gericht am Schluss beurteilen zu können, widerstehe ich der Gewohnheit, das Rezept allzu sehr abzuwandeln, und lasse nur die Minze weg, die meiner Meinung nach im Tee meistens besser aufgehoben ist als in Speisen. Tatsächlich, die Kopfsalatsuppe überzeugt: Dank der Kombination mit Zitrone und Ingwer hat sie sogar etwas von einer gelungenen Jongliernummer im Zirkus, was einen richtig fröhlich macht. Dass die Suppe in der Sendung wegen eines bitteren Nachgeschmacks als «Kopfsalat metallic» ver spottet worden ist, können wir nicht nachvollziehen. Wahrscheinlich war es eine gute Entscheidung, die Minze wegzulassen, denn wie schmeckt Salat, wenn man dazu Pfefferminztee trinkt? Bitter, genau.

Über die Frühlingsrollen kann ich hingegen gar nichts Gutes erzählen. Beim Ausbacken haben sie sich mit Fett voll gesogen, die Füllung schmeckt ebenso traurig, wie die ungeniessbare Hülle aussieht. «Bratwurst im Schlauch», hat einer der Fernsehköche seine Enttäuschung in Worte gefasst. Als ich die Rollen kurz im Ofen warm halten wollte, stiegen erst noch Rauchschwaden aus dem Ofen, die eine Evakuierung der Küche notwendig machten. Aber das hatte zugegebenermassen mehr mit einem alten Klecks Schokoladen kuchenteig und daher mit mir zu tun.

«Al dente», Montag, 20.05 Uhr, SF1
«Kochen» mit Anne-Marie Wildeisen, diverse Regionalsender, Sendedaten auf www.wildeisen.ch
«Lanz kocht!», Freitag, 23.30 Uhr, ZDF
«Das perfekte Dinner», Mo–Fr, 19 Uhr, Vox
«Silent Cooking», Donnerstag, ca. 0.40 Uhr, ORF

Werbung

1.

Sven Epiney

2.

Sendung “Kochen” mit Anne-Marie Wildeisen

3.

Sendung “Lanz kocht” mit Markus Lanz und Alfons Schuhbeck