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Liebe Christelle Kocher

Stil

Liebe Christelle Kocher

  • Text: Tanja Ursoleo

Sie haben diese Woche während der Pariser Fashion Week Ihre Kollektion für Frühling/Sommer 2019 präsentiert. Bereits die Location Ihrer Show hat mir gefallen: ein futuristisch anmutendes Meisterwerk des brasilianischen Architekten Oscar Niemeyer. Das ungewöhnliche Gebäude befindet sich am Platz Colonel Fabien, einem populären Quartier, abseits der üblichen chicen Salons, Hotels oder imposanten Monumente der anderen Shows und Präsentationen. Die Wahl Ihrer Show-Locations ist immer aussergewöhnlich und passt zu Ihnen: nicht elitär und abgehoben sondern mitten im Leben.

Als Tochter eines Elektrikers und einer Erzieherin sind Sie in Strassburg aufgewachsen, weit entfernt von der glamourösen Modewelt in Paris. In Kontakt mit der Mode kamen Sie nicht wie üblich über persönliche Kontakte, elterliches Networking oder bekannte Mentorinnen und Mentoren, sondern über das Fernsehen: Als Sie im TV eine Dokumentation über Christian Lacroix gesehen hatten, wussten Sie: Ich will in der Mode arbeiten.

Sie waren schon damals kreativ und talentiert, dank eines Stipendiums studierten Sie an der Prestige-Ausbildungsstätte Central Saint Martins in London. Anschliessend waren Sie in Häusern wie Bottega Veneta, Dries Van Noten, Chloé, Sonia Rykiel, Martine Sitbon und Giorgio Armani tätig. Ihr Talent ist unbestritten und die Szene wurde auf Sie aufmerksam. Sie wurden für mehrere Mode-Preise nominiert, wurden künstlerische Leiterin des Chanel-Ateliers Lemarié und gründeten 2014 Ihr eigenes Label Koché.

Diversität und Street-Credibility sind für Sie keine Marketing-Hülsen, sondern Teil Ihres Schaffens und Ihrer Identität. Ihre Models sind keine Stereotypen, die einem definierten Ideal der Mode entsprechen, sondern ein «casting sauvage» – Menschen mit ihrer eigenen Persönlichkeit, denen man jeden Tag auf der Strasse begegnet. Ihre Kreationen sind einzigartig, eine breite Palette an Kreationen, die in Ihrem Kopf und mit Hilfe Ihres Ateliers entstehen. Farbenfroh, raffiniert, überraschend. Gleichzeitig ist Ihr Talent sichtbar: In der Auswahl Ihrer Materialien, Ihren Schnitten, Ihren Stickereien.

In einer Modewelt, in der Image und Kommunikation alles ist, und vor allem immer mehr formatiert und kontrolliert wird, andere Chefdesigner riesige Egos aufbauen, braucht es Designerinnen wie Sie. Sie regieren nicht in Ihrem kreativen Elfenbeinturm, sondern sind sich als Gründerin den finanziellen Herausforderungen bewusst und kämpfen jeden Tag, um Ihr eigenes Label vorwärts zu bringen. Authentizität ist ein kostbares Gut – und im aktuellen Kontext des Modebusiness leider viel zu selten.

Herzlich, 

Tanja Ursoleo

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