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Mein neuer Stadtgarten

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Mein neuer Stadtgarten

  • Text und Bilder: Jessica Prinz

Endlich ein eigener Garten! Doch nach ihrem Umzug fehlt bei unserer Autorin Jessica Prinz noch die Bepflanzung. Wo soll sie anfangen, was passt gut in so einen Stadtgarten, was macht wenig Arbeit? Zum Glück hat sie Hilfe von zwei Profis.

Ein Ort zum Rausgehen war zwar jeweils ein Punkt auf meiner Wunschliste für eine neue Wohnung, Priorität hatte der aber bisher nie. Umso glücklicher war ich darum, wenn ich an einem neuen Wohnort mit einer tollen Dachterrasse oder einem Balkon beschenkt wurde. Oder wie jetzt: mit zwei Gartenbeeten und riesiger Grünfläche direkt vor dem Schlafzimmer. Und das mitten in der Stadt. Ich weiss, das Leben meint es echt gut mit mir.

Das Problem: Was ich damit anfangen soll, weiss ich dann doch nicht so richtig. Eigentlich behaupte ich von mir selbst, einen grünen Daumen zu haben. An der Umsetzung einer Blütenpracht haperte es bisher aber. Vielleicht lags an der Geduld, an den Sommerferien, die der Erntezeit in die Quere kamen, oder daran, dass ich die falschen Pflanzen nebeneinandergesetzt habe. Ich bin also nicht unglücklich, als meine Arbeitskolleginnen vorschlagen, dass ich mir für einen Artikel von einem Profi helfen lassen soll, was die Gartenplanung betrifft. Was und wann wird wo eingepflanzt? Braucht der Schnittlauch viel Sonne? Und sollten die Tomaten neben dem Koriander gepflanzt werden? Ja, Koriander. Das ist der einzige Wunsch. Und der kommt nicht von mir, sondern von meiner vietnamesischen Mitbewohnerin. Alles andere überlasse ich den Profis. Wichtig ist, dass es nicht nur schön aussieht, sondern im besten Fall auch nachher in der Küche gut schmeckt.

Die Profis, die meinen Garten auf Vordermann bringen, sind Julia Goedicke und Christine Strauss von Veg and the City, ein Unternehmen, dass es sich zum Ziel gesetzt hat, Stadtbewohnern das Gärtnern wieder näherzubringen. Zuerst einmal muss der gute Garten aber ausgemistet werden. Was von den trist aussehenden Pflanzen kann man noch brauchen? Was macht lieber Platz für Neues? Und – eine der wichtigsten Fragen für mich – wo kommen die Tomaten hin? «Die müssen leider noch ein wenig warten», lacht Julia Goedicke. Eigentlich ist jetzt grad der optimale Zeitpunkt für die Aussaat, nur für sämtliches Fruchtgemüse sei es noch etwas früh, das müsse noch bis nach den Eisheiligen Mitte Mai warten. «Und ausserdem gefällt es Tomaten in einem Topf sowieso viel besser», sagt Goedicke, während sie mit der Schaufel beginnt, den Garten zu bearbeiten. Auf der einen Seite sollen später Beeren gepflanzt werden, auf der anderen Seite Kräuter. Beides schon mal praktisch für die Küche. «Und dann haben wir dir noch ein Hochbeet mitgebracht – für Salat», sagt Goedicke strahlend.

Die Vorbereitungen dauern immer am längsten. Je besser man da aber arbeite, das Beet säubere und alle Wurzeln entferne, umso schöner wachse es nachher auch und man habe weniger mit lästigem Unkraut zu tun, sagen die Expertinnen «Die Iberis hier würde ich rausnehmen. Das ist eine Schleifenblume, sieht zwar schön aus, ist aber nicht sehr bienenfreundlich», sagt Goedicke. Das ist den Gärtnerinnen wichtig: Reine Zierpflanzen wie beispielsweise Geranien werden bei Veg and the City gar nicht erst verkauft. Alle Pflanzen sollen möglichst lange blühen und insektenfreundlich sein. Wie die mitgebrachte Küchenschelle zum Beispiel. Die wird später zwischen die vielen Kräuter zwar hauptsächlich zur Zier gesetzt, gleichzeitig haben Bienen die Blume aber sehr gern. Und auch der Lavendel blüht schön zwischen den Kräutern – und hält ausserdem Schädlinge fern.

Nach dem Säubern der Beete beginnt Goedicke damit, die Kräuter zu sortieren. Für mich ohne erkennbares System. Die Expertin erklärt: «Minze sollte besser in einen Topf, die verdrängt sonst alles andere. Auch der Koriander gehört in den Topf – weil er empfindlich ist und nicht zu viel Sonne verträgt. Und lieber nicht Petersilie und Schnittlauch nebeneinander, denn der Peterli mag die ätherischen Öle des Schnittlauchs nicht. Und als Faustregel: einjährige Kräuter, wie Schnittlauch und Dill, miteinander einpflanzen, aber getrennt von mehrjährigen, wie Salbei oder Rosmarin. Von dem kann man die Blüten übrigens auch verarbeiten», erklärt Goedicke und streckt mir einen Rosmarin mit violetten Blüten entgegen. Zu Sirup zum Beispiel. Oder man streut sie einfach über den Salat. Und grad der Orangenthymian, der einen feinen Zitrusgeruch verströmt, schmecke wahnsinnig gut zu Pasta mit Olivenöl.

Damit auch alles genug Platz hat, verteilt die gelernte Landschaftsarchitektin vor dem Bepflanzen die kleinen Töpfchen auf der Erde. Bevor sie die Pflanzen einsetzt, lockert sie ausserdem die Wurzelballen auf, damit die eingesetzt in der Erde gut anwachsen können. Das Gleiche macht auf der anderen Seite bereits Christine Strauss mit den Beeren. Hinten die Johannisbeeren und Heidelbeeren, dann die Himbeeren, vorne der Rhabarber – und dazwischen immer mal wieder eine Erdbeere. Die werden bald schon Früchte tragen, im Mai und Juni kann bereits geerntet werden. «Und wenn die Erdbeeren Ausläufer bilden, also wenn ein Stiel einen Bogen macht, wieder in der Erde verschwindet und dort eine neue Tochterpflanze bildet, kann man die Verbindung zur Mutterpflanze einfach kappen und die neue Pflanze ein wenig versetzen.» Da Erdbeerpflanzen nur etwa zwei bis drei Jahre einen hohen Ernte-Ertrag liefern, lohnt es sich, auf diese Weise neue Mutterpflanzen heranzuziehen.

Mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen, wenn ich an die Beerenpracht denke, die mich schon bald jeweils nach Feierabend erwarten wird. Bei Salat und Rucola muss ich mich sogar noch weniger lang gedulden. Eingebettet im Hochbeet neben Fenchel und Kohlrabi sind sie vor Schnecken geschützt und können schon in wenigen Wochen geerntet werden. Die Erde sacke immer um etwa zwanzig Prozent in der Masse zusammen und sollte jährlich mit frischer Erde aufgefüllt werden, sagt Goedicke, während sie gemeinsam mit Strauss das Hochbeet befüllt, das vorher mit Vlies ausgelegt wurde. Der schützt das Metall, lässt Wasser durch, aber keine Erde.

«Ihr habt echt eine schöne Wiese hier», sagt sie dann in einer kleinen Verschnaufpause bei einer Tasse Tee. Ja, haben wir. Eine, auf der anscheinend auch Bärlauch wachse, wie mir eine Besucherin kürzlich zeigte. Nur bin ich mir beim Bärlauch nie so ganz sicher, wie genau er von den giftigen Maiglöckchen unterschieden wird. «Das eine riecht nach Knoblauch, das andere nicht. So einfach ist das», sagt Strauss. Botanisch gebe es da keinen grossen Unterschied, «einfach dran riechen, dann weiss mans».

Ich frage bei den beiden Profis nach den grössten Fehlern, die Hobbygärtner machen. «Zu kleine Töpfe», schiesst es wie aus der Pistole aus Goedicke heraus, während sie die eingepflanzten Kräuter, Beeren und Blumen ordentlich giesst. «Und zu viel Dünger.» Dünger sei zwar wichtig, besonders beim Fruchtgemüse. Tomaten etwa sollte man schon alle sechs Wochen düngen, da sie viele Nährstoffe brauchen. Aber nicht überdüngen – und biologischen Dünger verwenden. «Viele schneiden ausserdem die Kräuter zu früh zurück», ergänzt sie. Das darf noch nicht im Herbst gemacht werden, sonst geht der Frost in die Pflanzen und macht sie kaputt. Erst im März kann man mehrjährige Kräuter um etwa zwei Drittel zurückschneiden, dann wachsen sie wieder kräftig nach. Damit das Wasser abfliessen könne, brauche es ausserdem ein Loch. «Und zwar bei jedem Pflanzgefäss!», betont Goedicke. Ansonsten komme es zu Staunässe und Schimmel. Und ganz wichtig: am besten morgens oder spät abends giessen. Dann sei die sogenannte Spaltöffnung bei den Blättern offen, das heisst die Pflanze kann das Wasser aufnehmen. Ausserdem würde das meiste Wasser tagsüber direkt verdunsten und gar nicht erst zu den Pflanzen gelangen. «Giessen solltest du übrigens unbedingt heute Abend auch nochmal. Gleich nach dem Einsetzen ist es besonders wichtig, gut zu giessen, ja?», reden mir Goedicke und Strauss zum Abschied noch einmal ins Gewissen – und lassen mich mit meinem bunten Garten allein. Es ist kurz nach zwölf. Zeit für Pasta mit Orangenthymian.

 

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1.

Iberis, Primeln, Farn: Bevor neue Kräuter und Beeren gepflanzt werden können, muss die Erde von altem Unkraut befreit werden

2.

Gewisse Kräuter fühlen sich wohler in Töpfen: Damit dominante Pflanzen nicht alles andere verdrängen, sensible Kräuter nicht kaputtgehen – oder aus praktischen Gründen, damit man sie immer griffbereit hat

3.

Andere Pflanzen wiederum – Salat und Kohlrabi – fühlen sich am wohlsten in einem Hochbeet, wo sie vor Schnecken geschützt sind

4.

Ein paar letzte Handgriffe der Gartenexpertin und das grosse Ernten kann (fast) losgehen

5.