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Shiseido – Japanische Botschaft

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Shiseido – Japanische Botschaft

  • Text: Niklaus Müller

Wie die kleine Tokioter Apotheke Shiseido in 140 Jahren mit ihrer Kosmetik die ganze Welt eroberte. Ausserdem: Miyabi Kumagaï-Regnier, Chief Product Planning Manager in Paris, über den Mythos Shiseido.

Wie die kleine Apotheke Shiseido aus Tokio in 140 Jahren mit ihrer Kosmetik die ganze Welt eroberte.

«Mein Grossvater war ein ruhiger und sanfter Mann von grenzenloser Neugier. Er war ein Abenteurer im besten Sinne des Wortes», so beschreibt Enkel Yoshiharu Fukuhara (81) den Mann, der 1872 in der Ginza, Tokios heutigem Ausgehviertel, die erste Apotheke westlicher Prägung gründete. Gerade 24 Jahre war Arinobu Fukuhara damals. Als Kind wohlhabender Eltern hatte er Pharmazie studiert und war bereits Chefpharmazeut am Marine-Hospital in Tokio. Unzufrieden mit der Qualität der Arzneien, die zu jener Zeit in Japan angeboten wurden, eröffnete er sein eigenes Labor – und nannte es Shiseido. Der Name ist aus drei alten chinesischen Schriftzeichen zusammengesetzt und bedeutet: Lobe die Tugenden der Erde, die neues Leben nährt und bedeutende Werte hervorbringt.

Arinobus Ziel, fernöstliche Ästhetik und Sensibilität mit wissenschaftlichem Fortschritt und westlichen Geschäftsmethoden zu verbinden, passt perfekt zum damals neu erwachten Interesse Japans für den Westen. Schon bald gehören Kreise des kaiserlichen Hofs, aber auch des reichen Bürgertums zu seinen Kunden. Und als er 1888 die erste japanische Zahnpasta lanciert, ist der Erfolg der Shiseido-Apotheke nicht mehr aufzuhalten. Gleichzeitig mit seinem Geschäft wächst auch Arinobus Familie. Mit seiner Frau Toku hat er neun Kinder, was den Fortbestand der Fukuhara-Dynastie mehr als sichert.

1897 lanciert der Apotheker mit Eudermine sein erstes Kosmetikprodukt. Die bis heute erhältliche Gesichtslotion wird wegen ihrer beruhigenden und befeuchtenden Eigenschaften zum Bestseller und als «rotes Wasser» in ganz Japan berühmt. Auch der erste hautfarbene statt weisse Gesichtspuder sorgt 1906 für Furore.

Zwei Jahre später schickt Arinubo Fukuhara seinen drittältesten Sohn Shinzo zum Pharmaziestudium nach New York. Es wird eine Bildungsreise in Beauty und Kultur: In den USA lernt Shinzo das Geschäft mit der Schönheit à fond kennen, und auf einer Europareise saugt der begeisterte Hobbyfotograf die neusten westlichen Tendenzen in Kunst und Design wie ein Schwamm auf.

Fanclub für Shiseido-Produkte

Zurück in Japan, setzt Shinzo voll auf den Ausbau der Kosmetiklinie. 1916 gründet er mit einem Team japanischer Künstler die Shiseido-Design-Abteilung, die eine Serie vom Pariser Jugendstil inspirierter Poster herstellt. Shinzos Überzeugung: Werbung ist auch Kunst und steigert als solche die Wertigkeit der Kosmetikprodukte. Doch auch den Ausbau der Produktepalette treibt der Juniorchef voran: Er lanciert farbige Gesichtspuder, Gesichtscrèmes sowie eine Parfumlinie. 1927, drei Jahre nach dem Tod des Gründers, wird das inzwischen zur Ladenkette angewachsene Unternehmen in eine AG umgewandelt und zu hundert Prozent von Shinzo übernommen. Seine Geschäfts- und Marketingideen sind für damalige Verhältnisse enorm fortschrittlich: So bildet er ab 1933 junge Frauen aus gutem Haus zu sogenannten Miss Shiseidos aus, die das Land bereisen, um die Japanerinnen in Sachen Schönheitspflege und Make-up zu beraten. Er gründet 1937 den Kamelien-Club, eine Art Fanclub für Shiseido-Produkte, dem inzwischen in Japan mehr als neun Millionen Mitglieder angehören, und er lanciert ein eigenes Magazin, das er «Hanatsubaki» (Kamelie) tauft.

Die Zeit der dritten Fukuhara-Generation kommt nach dem Krieg. Yoshiharu, der Neffe von Shinzo und Enkel von Shiseido-Gründer Arinubo, tritt 1953 im Alter von 22 Jahren in die Firma ein. Seine Aufgabe ist es, Shiseido international zu positionieren. In Japan kennt die Marke jedes Kind, aber der Rest der Welt weiss noch nichts von ihr. Mitte der Sechzigerjahre reist Yoshiharu nach Nordamerika, um das zu ändern. Aber er merkt schnell, dass er dafür neue, speziell für den westlichen Geschmack entwickelte Produkte braucht. So entstehen unter seiner Ägide die Duft- und Make-up-Linie Inoui sowie der Männerduft Tactics.

1980 geht Yoshiharu noch einen Schritt weiter: Er engagiert Serge Lutens als Creative Director für Shiseido Europa und gibt ihm Carte blanche. Der Franzose stellt die fernöstlichen Wurzeln der Firma gezielt in den Vordergrund, und es entstehen einige der einprägsamsten Shiseido-Kampagnen. 1997 tritt Yoshiharu als Präsident der Firma zurück, ist aber heute noch Ehrenvorsitzender des Verwaltungsrats. Eine vierte Generation von Fukuharas scheint nicht in Sicht. Yoshiharu: «Inzwischen sind nur noch wenige Aktien der Firma in Familienbesitz. Um ein weltweit agierender Konzern zu werden, mussten wir immer mehr Aktien verkaufen. Aber was bleibt, sind die Fukuhara-Tradition und hoffentlich die zeitlosen Philosophien meines Grossvaters.»

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1.

Verführerische Werbung für Lippenstift, 1978

2.

Firmengründer Arinobu Fukuhara

3.

Farbige Gesichtspuder, 1917

4.

Der Hauptsitz von Shiseido in Tokio, 1919

5.

Art-Déco-Werbeinserat, 1927

6.

Dose für Schminkutensilien, 30er-Jahre

7.

Die junge Familie Fukuhara, 1886

8.

Lippenstift-Inserat, 1961