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Wie ist es eigentlich, aus eigener Kraft Millionärin zu werden?

Stil

Wie ist es eigentlich, aus eigener Kraft Millionärin zu werden?

  • Foto: unsplash / Tim Evans Hattiesburg 

Ich bin jetzt 80 Jahre alt und verrate Ihnen mal, wie ich aus eigener Kraft zu Wohlstand und Reichtum gekommen bin.

Wer wie ich bei null beginnt, braucht Intelligenz und die Klugheit, seine Fähigkeiten auszubilden. Unabdingbar ist zudem ein starker Willen, etwas Gutes zu leisten. Also Zielstrebigkeit. Die Prise Glück, die so oft in Biografien grosser Menschen erwähnt wird, war auch dabei: Man muss dem Glück die Tür öffnen, damit es eintreten kann. Am Anfang meines Wegs stand eigentlich ein grosses Unglück. Ein Arzt diagnostizierte bei mir als Folge der Nachkriegs- und Hungerzeit eine Lungentuberkulose. So kam ich als 23-Jährige zur Heilung von Deutschland in ein Höhensanatorium nach Arosa. Das Fahrgeld musste ich mir leihen. Neun Monate lang lag ich auf dem Rücken. Dass ich mit der damals möglichen Therapie geheilt werden konnte, erachte ich als Glück.

In Deutschland hatte ich meine Ausbildung als Optikerin mit Bestnote abgeschlossen und den Fähigkeitsausweis in der Tasche. Damit konnte ich mich nach dem Kuraufenthalt im Kanton Graubünden bewerben, wo ich mit der entsprechenden Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung angestellt wurde. Mein erster Monatslohn betrug 500 Franken. Meine Mansarde kostete 100 Franken. Von meinem ersten Löhnchen kaufte ich einen Kolbenfüllhalter mit Goldfeder für 35 Franken und später ein schönes Costume. Nie habe ich billigen Schmarren gekauft; meine wenigen Kleider waren von guter Qualität und hatten Stil. Wenn ich von der Arbeit nach Hause kam, habe ich mich umgezogen, um die teuren Kleider zu schonen.

Es war für mich relativ einfach, mit Geld umzugehen. Ich folgte der Regel «Kaufe nur dann etwas, wenn du das Geld dafür hast». Ich habe nie Lohnvorschuss bezogen, nie Schulden gemacht. Stets habe ich diszipliniert gelebt. Gutes Brot, Früchte und täglich eine ordentliche Mahlzeit waren mir wichtig. Damals habe ich jeden Rappen aufgeschrieben, um zu sehen, wohin mein Geld fliesst. Meine eisernen Reserven bestanden aus zwei gefüllten Markenbüchlein vom Konsumverein, Wert beim Einlösen: zehn Franken. Nur: Ich konnte sie nicht einlösen. Das Wechselbüro hatte nur zu Zeiten geöffnet, zu denen ich arbeiten musste.

Ich habe die Stelle zweimal gewechselt, die Weiterbildung stets im Auge behalten. Wenn man als Frau in einem Metier mit lauter Männern erfolgreich sein will, muss man etwas zu bieten haben. 1966 konnte ich die Firma, in der ich im Kanton Bern 11 Jahre angestellt war, übernehmen. Da musste ich zum ersten Mal dem Geld nachlaufen. Auf meiner Bank erhielt ich eine Lektion in Kreditbegehren. Sie lautet: Wenn man von der Bank Geld will, muss man beweisen, dass man es eigentlich nicht braucht. Ich schloss eine Lebensversicherung mit Risikogarantie ab, bekam Geld durch Bürgschaftsgenossenschaften und von zwei Berufskollegen. Und viel Zuspruch von Kollegen und Freunden. Obwohl ich mit einem respektablen Schuldenberg belastet war, empfand ich mich als reich, weil mit grossem Vertrauen beschenkt. Nun konnte ich meine Qualifikationen einsetzen, meine Pläne realisieren. Als oberste Prämisse galt für mich, fachlich erstklassig zu arbeiten.

Zwar habe ich nicht mehr jede Ausgabe aufgeschrieben, aber ich lebte weiterhin sparsam und diszipliniert. Ich habe mich nicht als Firmeninhaberin betrachtet, sondern als eine Geschäftsführerin der Bank. So zahlte ich mir einen bescheidenen Monatslohn aus, um möglichst bald Besitzerin der Firma zu sein. Nach zehn Jahren war es soweit. Nun, mit 43, konnte ich Geld sparen und mir Wünsche erfüllen, die ich bisher zurückstellen musste. Dazu gehören Musik- und Theaterbesuche, aber auch Sport. 1994 merkte ich, dass ich wohlhabend bin. Das war, als ich meinen reparaturanfälligen Peugeot ganz spontan gegen einen Mercedes C190 eintauschen konnte. Ich empfand dabei das wohltuende Gefühl, eine Möglichkeit wahrnehmen zu können, die ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht in Anspruch genommen hatte.

Auf den Ausdruck Millionärin reagiere ich gereizt. Er erweckt ein falsches Bild von dem, was ich als Reichtum betrachte: Vertrauen, Freunde, Wissen, Gesundheit. Deswegen habe ich auch keine Angst, mein Geld zu verlieren. In meinem Verhalten gegenüber Finanzen änderte sich auch als «Reiche» nicht viel. Ich habe nie exzessiv gelebt. Viel Geld gab ich eigentlich nur für Ausbildungen und Reisen aus. Ich war überall. Überall. Ausser im Nahen Osten, in Norwegen und Island. Sogar China bereiste ich mutterseelenallein.

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