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Wie Virgil Abloh (†41) die Modewelt veränderte

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Wie Virgil Abloh (†41) die Modewelt veränderte

Mit nur 41 Jahren ist Virgil Abloh am Sonntag an einer seltenen Krebsart gestorben. Der Designer hinterlässt ein modisches Vermächtnis, das kaum überschätzt werden kann.

Als gestern via Instagram der Tod von Virgil Abloh – Artistic Director der Männerkollektionen von Louis Vuitton, Gründer des Modelabels Off-White und seit Juli 2021 Teil der Führungsetage des Luxuskonzerns LVMH – verkündet wurde,  reagierten viele fassungslos. «Ich kann es nicht glauben», schrieb das Model Bella Hadid, die seine Kreationen auf Laufstegen, roten Teppichen und im täglichen Leben trug. «Es ist wahrlich vernichtend auf Arten, die ich gerade noch nicht erklären kann», schrieb der befreundete Designer André Walker.

Für die Allermeisten kam Ablohs Tod als Überraschung, denn der 41-Jährige hatte seinen mehrjährigen Kampf gegen einen bösartigen Herztumor privat geführt und bis zuletzt an seinen unzähligen Projekten gearbeitet. Nur 2019 nahm er sich wegen Erschöpfung eine kurze Auszeit. «Er ruhte nie, noch ruhten die, die um ihn herum waren», schrieb der Modejournalist Anders Christian Madsen, der noch bis Samstagabend mit Abloh an den Pressetexten für die kommende Louis-Vuitton-Show gearbeitet hatte, «das Undenkbare ist nicht, dass wir ihn verloren haben, sondern dass wir ihn überhaupt hatten.» Abloh hinterlässt seine Ehefrau Shannon und zwei Kinder.

Gänsefüsschen und Kabelbinder

Virgil Abloh war über seine Karriere hinweg zum Giganten der Modewelt geworden. Dabei hatte er sich auch im Möbeldesign, als DJ und als Künstler profiliert. Vor allem aber war er ein guter Verkäufer und verstand die Wichtigkeit von Marketing: «New York Times»-Modekritikerin Vanessa Friedman nannte Abloh den Karl Lagerfeld der Millennials und Vergleiche zu Andy Warhol oder Jeff Koons warteten nie lange auf sich.

Seine Signaturen – das Remixen von Kleidern und Identitätssymbolen, als seien sie Musiksamples, das plakative Spielen mit Silhouetten und Schriftzügen, und eine Vorliebe für Gänsefüsschen und Kabelbinder – zogen sich durch sein breites Wirken hindurch und kreierten eine Bildsprache, die heute unumgänglich ist.

Die Grenzen der Mode sprengen

Abloh wurde 1980 in Rockford im US-Bundesstaat Illinois als Sohn ghanaischer Einwanderer geboren. Statt Mode studierte er Bauingenieurwissenschaften und Architektur und fand sich in der Skate- und Hiphop-Szene Chicagos wieder. Mit 22 Jahren lernte er Kanye West kennen und wurde bald Kreativdirektor des Rappers. 2012 gründete Abloh das Modelabel Been Trill, das zwei Jahre später zu Pyrex Vision wurde und mit Flanellhemden von Ralph Lauren auf sich aufmerksam machte, die via Siebdruck fett beschriftet wurden. Mit dem Nachfolger-Label Off-White erlangte Abloh globale Bekanntheit und wurde Finalist des LVMH-Preises für junge Designer:innen.

2018 wurde er zum Artistic Director der Männerlinie des französischen Traditionshauses Louis Vuitton ernannt und hob seine oft als Streetwear abgetane Mode endgültig in die High-Fashion-Stratosphäre. Seine erste Show endete in einer tränenüberströmten Umarmung von Kanye West und «Time» ernannte Abloh zu einer der einflussreichsten Personen des Jahres. Sowieso wollte Abloh die Grenzen der Mode sprengen; «Streetwear» oder «Designer» genügten ihm als Label nicht.

Kopieren als Kunst

In Porträts wurde Abloh als unermüdlich dargestellt, immer am iPhone, ewig am Herumjetten, sich unaufhörlich am neu erfinden. Er war die Verkörperung einer Modewelt, die kaum nach Luft schnappt und sich überall bedient.

Das war oft als Kritik gemeint, doch Abloh sah es anders. Denn seine lockere Beziehung zum Wort «Originalität» – er zitierte oft und gerne den Maler Marcel Duchamp und sah im Kopieren eine hohe Kunst – war vor allem in der Ära von «Diet Prada» und Co. einfach zu belächeln. Aber damit würde man eine der grössten Modegewalten des letzten Jahrzehnts unterschätzen.

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«Virgil Abloh kreierte Mode für die Welt, in der wir leben»

Stattdessen spielte Abloh mit seinen umstrittenen Techniken auf die Wichtigkeit von Beschriftungen und Identitäten an und begeisterte eine ganze Generation von vorwiegend jungen Männern für Kleidung, die genau das ausdrücken konnte.

Er kreierte Mode für die Welt, in der wir leben und wusste es, ständig im Gespräch zu bleiben. Er fand Kunst im Alltäglichen und kombinierte Marken von Nike bis Ikea via Kooperationen fast bis zur Absurdität. Abloh war fanatisch, an allem interessiert und stillte mit seinem eigenen Durst auch den der Massen.

Ein höherer Sinn

Wo Virgil Abloh nahm, gab er auch zurück. Er kreierte Kunstausstellungen und rief Stipendien und Kooperationen ins Leben, die junge Schwarze Talente förderten. Er wirkte am liebsten im Kollektiv und ebnete damit den Weg für befreundete Designer:innen wie Heron Preston und Yoon Ahn.

«Er arbeitete immer für etwas Höheres als nur seine eigene illustre Karriere,» schrieb Edward Enninful, Chefredaktor der britischen Vogue, auf Instagram zu Ablohs Tod. «Um die Tür zu Kunst und Mode für zukünftige Generationen zu öffnen, damit sie – im Gegensatz zu ihm – in einer kreativen Welt aufwachsen würden, in der sie sich selbst sehen.»

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