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7 Büchertipps für den Sommer

Literatur & Musik

7 Büchertipps für den Sommer

Ob in der Badi, am Strand oder irgendwo im Trockenen bei Hudelwetter: Wir empfehlen euch zum Sommerbeginn sieben neue Bücher.

Roman: «Alice» von Frank Heer

Alice ist eigentlich zwei: Die Exfreundin des Protagonisten und eine mysteriöse Sängerin, die Max in seiner Stammbar kennenlernt. Es ist das Jahr 1975. Die Jugend probt den Aufstand, das Establishment fürchtet um seine Wohnzimmergarnituren. Als Nachwuchsreporter beim erzkonservativen Stadtblatt hadert Max mit seinen Vorgesetzen und sucht generell nach einem Platz in der Welt, während er seine Herzensangelegenheiten zu regeln und Rätsel zu lösen versucht: Welches Monster reisst in der Gegend Tiere? Wer steckt hinter dem anonymen Anrufer, der seine eigene Todesanzeige aufgeben will? Frank Heer gelingt es hervorragend, Kleinbürgermief und grosse Träume zu einer Liebesgeschichte zu verbinden, die vielleicht gar keine ist oder erst eine werden wird. Ein Roman über emotionale und andere Revolutionen, mit Tränen(-gas) und Lokalkolorit.

 

Frank Heer: Alice. Limmat Verlag, Zürich 2022, 208 Seiten, 30 Fr.

 

Frank Heer liest am 28. Mai um 13 Uhr an den Solothurner Literaturtagen und am 2. Juni um 19:30 Uhr in der Kleberei Rorschach.

Roman: «Der letzte Sommer in der Stadt» von Gianfranco Calligarich

Knapp dreissig und im Leben schon gescheitert? Leo gibt sich Mühe, seine Situation anders zu sehen. Das erweist sich allerdings als zunehmend schwierig, während er in Dauergeldnot durch Roms Bars zieht, bei Einladungen im Hause Besserbemittelter die Snacks annektiert und einer Frau verfällt, die seine Gefühle durch sämtliche Stadien der Hölle schickt. Dabei hat alles so vielversprechend begonnen. Endlich seiner Familie und dem miefigen Mailand entkommen eröffnete sich ihm die Ewige Stadt in ihrer ganzen kulturellen Pracht. In den intellektuellen Salons schien es einst ein Leichtes, das Dasein in ein Kunstwerk zu verwandeln. «Der letzte Sommer in der Stadt» erschien 1973 im italienischen Original und wurde zum Kultroman. Kein Wunder: Selten sind Witz, Verzweiflung und schicksalshafte Liebe so hinreissend in Form gebracht worden. Jetzt endlich auch auf Deutsch.

 

Gianfranco Calligarich: Der letzte Sommer in der Stadt. Aus dem Italienischen von Karin Krieger. Zsolnay Verlag, Wien 2022, 204 Seiten, ca. 34 Fr.

Roman: «Unser Glück» von Natalie Buchholz

Eine junge Familie, eine Traumwohnung und ein kleines Problem: Zu Parkettboden und Stuckdecke an bester Lage gehört der Exmann der Vermieterin. Anfangs scheint das Arrangement akzeptabel zu sein. Doch als sich der mysteriöse Mitbewohner mit einem unmöglichen Angebot bemerkbar macht, ist das Ticken der Beziehungsbombe nicht mehr zu überhören. Zwei- und Dreisamkeitskrämpfe, die bis dahin mit dem Kamillentee des Alltags und ein paar Zuckerwürfeln Illusion beruhigt werden konnten, brechen heftiger aus denn je. Ein Roman über die Rätsel, die wir für einander sind und bei aller Liebe oft auch bleiben.

 

Natalie Buchholz: Unser Glück. Penguin Verlag, München 2022, 220 Seiten, ca. 32 Fr.

Roman: «Eine verdächtig wahre Geschichte» von Antoine Laurain

In Frankreich ist die Verleihung des Prix Goncourt eine Staatsangelegenheit. Deshalb kommt es einer Staatskrise gleich, wenn von einem:r Nominierten noch in der Endrunde dieses angesehnsten Literaturpreise nichts als der Name bekannt ist. Erst recht heikel ist der Fall von Camille Désencres, weil die Handlung seines – oder ihres? – Romans auf die Blutstropfen genau einer tatsächlichen Mordserie entspricht. Während Désencres Lektorin Violaine ebenso wie die Polizei versuchen, die mysteriöse Person aufzuspüren, wird die Grenze zwischen Erfindung und Wirklichkeit immer durchlässiger. Hat Violaine, die nach einem knapp überlebten Flugzeugabsturz gegen Gedächtnislücken kämpft, etwas Entscheidendes vergessen? Ein vergnüglicher Gesellschaftsroman mit Krimi-Kitzel und eine Hommage an die Zauberkünste der Literatur.

 

Antoine Laurain: Eine verdächtig wahre Geschichte. Aus dem Französischen von Claudia Kalscheuer. Atlantik Verlag, Hamburg 2022, 206 Seiten, ca. 34 Fr.

Essays: «Mein Privatbesitz» von Mary Ruefle

«Lila Traurigkeit ist die Traurigkeit von klassischer Musik und Aubergine», schreibt Mary Ruefle. Sie schreibt auch über rosa und gelbe Traurigkeit, über Weihnachtsschmuck und einen verschlafenen Konzertbesuch in den Schweizer Alpen. Die Prosaminiaturen der amerikanischen Autorin spriessen wie Gedankenblumen und führen humorvoll von skurrilen Ansichten zu überraschenden Einsichten. Eine Sammlung voller literarischer Karfunkelsteine und Bonbons.

 

 

Mary Ruefle: Mein Privatbesitz. Aus dem Amerikanischen von Esther Kinsky. Suhrkamp Verlag, Berlin 2022, 125 Seiten, ca. 28 Fr.

Krimi: «Tiefes, dunkles Blau» von Seraina Kobler

Ein toter Arzt im Zürichsee, Ausflüge in die Biotechnologie und ins Rotlichtmilieu, dazu die Begegnung mit einem Herzblatt von einst: Rosa saust viel um die Ohren, mit denen sie eigentlich lieber den Tomaten in ihrem Garten beim Wachsen zuhören würde. Die Ermittlungen in ihrem ersten Fall gehen der Protagonistin unangenehm nah, weil sie das mutmassliche Mordopfer selber noch kurz vor seinem Tod aufgesucht hat, um ihre Eizellen einfrieren zu lassen. Ein Krimi mit grossen Themen und Honigbrot-Atmosphäre für alle, die es dick aufgetragen mögen.

 

 

Seraina Kobler: Tiefes, dunkles Blau. Diogenes Verlag, Zürich 2022, 266 Seiten, ca. 21 Fr.

Roman: «Meter pro Sekunde» von Stine Pilgaard

«Muh!» So simpel fasst ihr kleiner Sohn zusammen, was die Ich-Erzählerin in Westjütland vorfindet. Dahin ist sie mit ihrer Familie gezogen, und ausser Kühen und Windmühlen gibt es in einem Kaff wie Velling und rundherum nicht viel. Ihr Freund unterrichtet an der örtlichen Schule, die sich der Nachhaltigkeit und der Inklusion verschrieben hat, während sie zwischen Mutterfrust und Mutterfreuden pendelt und mit ihrem Mitteilungsbedürfnis die wortkargen Anwohner brüskiert. Doch dann übernimmt sie den Kummerkasten des Lokalblatts und wird plötzlich Kult. Eine liebevolle Parodie auf Menschen, die alles richtig machen wollen und merken, dass einen manchmal erst das Danebenhauen menschlich macht.

 

Stine Pilgaard: Meter pro Sekunde. Aus dem Dänischen von Hinrich Schmidt-Henkel. Kanon Verlag, Berlin 2022, 253 Seiten, ca. 34 Fr.

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