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Beschimpft und bedroht: Der Alltag einer Polizistin

Leben

Beschimpft und bedroht: Der Alltag einer Polizistin

  • Text: Stephanie Hess; Foto: Freeimages

S.M. arbeitet bei der Stadtpolizei Zürich und erzählt anonym davon, wie Autofahrer auf Bussen reagieren – und was die schlimmste Drohung war, die ihr im Berufsalltag widerfahren ist.

Politesse? Dieser Beruf existiert nicht mehr. Als Angestellte beim Polizeilichen Assistenzdienst der Stadtpolizei Zürich tragen wir auch keine Jupes mehr wie früher, sondern eine Polizeiuniform – inklusive schusssicherer Weste, Pfefferspray, Funkgerät und Handschellen. Und wir haben neben dem Verteilen von Bussen ein breites Aufgabenfeld: Wir sperren Strassen, regeln den Verkehr, sichern den Schulweg für Kinder, unterstützen die Sicherheitsabteilung der Stadtpolizei.

Zu unseren Hauptaufgaben gehören natürlich auch immer noch die Patrouillen. Jeden Morgen wird uns ein anderes Gebiet in der Stadt Zürich zugeteilt, das wir meist allein ablaufen und kontrollieren. Dabei arbeiten wir in Dreistundenschichten. Die Gebiete sind so fast rund um die Uhr besetzt.

Wie viele Bussen ich täglich schreibe? Nein, das kann ich wirklich nicht beantworten. Es ist so wetterabhängig, bei Schnee beispielsweise sind viel weniger Leute mit dem Auto unterwegs. Und dann hängt es auch vom zugeteilten Revier ab. Wenn man irgendwo im ruhigen Dolderquartier unterwegs ist, läuft verkehrsmässig natürlich viel weniger als in der Innenstadt. Es kann sein, dass man ohne Busse auf die Wache zurückkommt. Oder mit zehn. Am meisten muss ich Autofahrer wegen Überschreitens der Parkzeit büssen, das kostet 40 Franken.

Es macht mir nichts aus, der Buhmann zu sein. Ich mache einfach meinen Job. Die meisten Leute nehmen den Strafzettel gelassen. Aber Beschimpfungen kommen schon vor. Ich kann die Überreaktionen der Autofahrer auch verstehen. Man ist in diesem Moment halt aufgewühlt, man ärgert sich – ich finde das ganz normal. Darum perlen Ausfälligkeiten an mir ab. Einen typischen Nörgler gibt es nicht, das kann ein Bentley-Fahrer sein oder der Besitzer eines alten, klapprigen Autos. Und man kann Ärger in einem schicken Quartier bekommen oder an der Langstrasse, da gibt es keine Unterschiede.

Ein bleibendes Erlebnis hatte ich erst einmal: Ein Mann regte sich über eine Parkbusse von 40 Franken so auf, dass er seinen Gürtel aus den Hosenschlaufen zog. Er wollte damit auf mich losgehen, aber sein Sohn hielt ihn zurück. Über Funk rief ich nach Verstärkung, und die Situation beruhigte sich. Ich suche in heiklen Situationen immer das Gespräch mit den Leuten, das funktioniert gut. Und zuweilen entschuldigen sie sich später auch für ihr Verhalten.

Bevor ich zur Polizei gekommen bin, habe ich zehn Jahre als Kleinkindererzieherin gearbeitet. Wer weiss, vielleicht sind meine Nerven noch von damals gestählt. In der Zeitung las ich in einem Inserat, dass der Polizeiliche Assistenzdienst eine neue Klasse ausbildet, und wusste: Das will ich! Nach der neunmonatigen Ausbildung begann ich 2005 bei der Stadtpolizei Zürich zu arbeiten. Bereut habe ich diesen Wechsel nie. Ich mag es, draussen unterwegs zu sein. Pro Tag lege ich mehrere Kilometer zurück, und ich komme mit den verschiedensten Leuten in Kontakt.

Lustig finde ich immer wieder, dass mir die meisten Leute erklären wollen, weshalb sie ihr Auto nicht rechtzeitig weggefahren haben. Das ist nicht nötig, aber okay. Eine Geschichte bleibt mir besonders in Erinnerung. Ich wollte eben eine Busse schreiben, da kam ein Mann auf mich zugerannt. Ich sagte, es sei in Ordnung, ich hätte ja noch nichts geschrieben, und fügte spasseshalber an, dass er aber eine richtig gute Erklärung liefern müsse für seine Verzögerung. Und er sagte: Ich war beim Einkaufen, und als ich den Shop verlassen wollte, stand da ein Löwe. Das fand ich herzig.

Ob ich selber auch schon eine Parkbusse bekommen habe? Natürlich, schon mehr als eine. Schlimm finde ich das nicht. Das gehört doch einfach zum Autofahren dazu.