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«Diskriminierung herrscht innerhalb der Queer-Community»

LGBTQIA+

«Diskriminierung herrscht innerhalb der Queer-Community»

  • Text: Carina Parke
  • Foto: Getty Images     Dieser Artikel erschien zuerst bei Refinery29 Germany / Instagram / Facebook

Eine Definition liegt im Auge des Betrachters – auch wenn es um Geschlechter geht. Markus Kenzie, geboren als Mann, fühlt sich als Frau und will nun auch offiziell eine werden. Für das TV-Sternchen bedeutet das Hormontherapie, Laserbehandlungen, Brust-OP, aber eben keine Genitaloperation. Warum sie sich dagegen entschieden hat und welche Hürden Transmenschen bei der Geschlechteranpassung vom Staat in den Weg gestellt bekommen, erzählt sie im Interview mit «Refinery29».

Refinery29: Du befindest dich gerade in der Transition zur Frau, willst aber deinen Penis nicht zur Vagina umoperieren lassen. Warum?
Markus Kenzie: Es gibt Menschen, die einfach vom Aussehen, vom Pass und vom Namen her als Frau leben möchten, sich aber wohl dabei fühlen, immer noch ihr männliches Geschlechtsteil zu haben. So ist es bei mir auch. Ich bin mega zufrieden mit meinem Schwanz, ich habe mich nie davor geekelt. Viele Leute fragen mich, ob ich dann überhaupt einen Partner finden werde. Ich antworte immer: «Guckt euch an, wie ich vorher gelebt habe. Ich habe Frauenklamotten angezogen, war geschminkt und hatte High Heels an. Wo ist da der Unterschied?»

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Wie kann man sich denn ­– unabhängig von der Genitaloperation – den Weg vom Mann zur Frau vorstellen?
Menschen, die sich noch nicht so sicher sind oder keine Unterstützung haben, gehen erstmal zum Psychologen oder zum Therapeuten. So etwas brauche ich nicht – ich weiss, was ich will. In Berlin gibt es eine Hormonklinik, wo mir für die Therapie zunächst Blut abgenommen wurde. Dabei hat man komischerweise festgestellt, dass mein Körper, obwohl er komplett gesund ist, nur die Hälfte des Testosterons produziert, das er eigentlich in meinem Alter produzieren sollte. Vielleicht habe ich deswegen bereits diese weiblichen Gesichtszüge – ich weiss es nicht.

Und wie ging es weiter?
Die Ärzte haben entschieden, welche Hormone ich bekommen soll und wie hoch sie dosiert werden. Es kommt darauf an, in welche Richtung man gehen will. Ich wollte weder, dass sich meine Stimme und mein Gesicht verändert, noch mein Brustwachstum angekurbelt wird. Ich habe mir da Silikon reingehauen und damit hatte sich die Sache. Ich nehme die Hormone auch nur kurze Zeit, damit meine Hüfte und die Taille ein bisschen femininer werden. Ausserdem bekomme ich etwas für meine Haut, damit meine Brust dann etwas weicher wird. Zusätzlich lasse ich mir meine Brust- und Barthaare weglasern. Mit einem neuen Ausweis wird deine Geschlechtsanpassung offiziell.

Wie schwierig ist es in Deutschland, so eine zu bekommen?
Es ist sehr schwierig. Ich habe alle Anträge ausgefüllt und abgegeben. Dann habe ich ein Rückschreiben vom Gericht bekommen und musste vorab einen Betrag von 1500 Euro bezahlen. Insgesamt liegen die Kosten zwischen 3000 und 5000 Euro. Ich habe aber eine Rechtsschutzversicherung, die das alles trägt. Es wird bis zu einem Jahr dauern, bis alles durch ist. Das Gericht will nämlich meinen Lebenslauf sehen und, dass ich zu einem Psychologen gehe.

Könnte da noch etwas schiefgehen?
Bei mir ist das alles eigentlich ganz einfach – wenn man meinen Namen googelt, sieht man ja, was Sache ist. Und zum nächsten Termin habe ich schon meine langen Haare und meine Brüste.

Und das Gericht entscheidet letztendlich, wie viele Sitzungen man machen muss, bevor man einen neuen Pass bekommt?
Ja, sie können dich zu bis zu neun Gutachtern schicken. Ich finde, das ist eine Art von Diskriminierung und ausserdem eine psychische Belastung. Ich bekomme sehr viel Unterstützung und bin generell sehr stark und weiss, dass mich meine Entscheidung total glücklich macht. Aber es gibt Leute, denen es nicht so geht. Wenn der Staat diese dann über ein Jahr von einem Gutachter zum anderen schickt, ist das ein Unding.

Happy NYE … PEACE & ❤️

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Spielt im alltäglichen Leben auch Diskriminierung eine Rolle?
Ich kenne einige Personen, die jetzt Frauen sind, die keine Probleme mit Diskriminierung haben, weil es einfach nicht auffällt. Ich würde sogar fast sagen, dass innerhalb der Queer-Community mehr Diskriminierung herrscht. Die Leute müssen sich dann nämlich wieder neu erfinden oder finden, sind aber die Gay-Community gewohnt. Sie hängen noch da drin, sind aber nicht mehr schwul, vielleicht aber noch nicht so ganz Frau und in der Entwicklung. Darüber wird innerhalb der Community abwertend geredet – seien es die Muskelmänner oder die Dragqueens. Diese Diskriminierung innerhalb der Community sollte erstmal aus dem Weg geschafft werden, um außerhalb mehr für Akzeptanz und Toleranz zu kämpfen.

Und trotzdem hast du dich entschieden, ohne Wenn und Aber diesen Weg zu gehen. Wie kamst du zu dem Entschluss?
Nach der Beerdigung meines Vaters habe ich intensiv über mein Leben nachgedacht. Ich habe mich gefragt, ob meine Entscheidungen und die Wege, die ich eingeschlagen habe, richtig waren. Dinge, die mir sonst sehr wichtig erschienen, waren mir plötzlich gar nicht mehr wichtig. Dinge, die aber in meinem Unterbewusstsein schlummerten, sind auf einmal nach vorne getreten. Die wurden so prägnant. Da habe ich einfach für mich gemerkt, dass wir so wenig Zeit haben, und wie wichtig es ist, dass wir selbst glücklich sind. Ich denke, es ist das Allerschönste, wenn man zu sich selbst gefunden hat.

Und das hast du jetzt?
Ja. Ich habe ja schon öfter darüber nachgedacht und mit Freunden darüber geredet, dass ich mir vielleicht ein paar Brüste machen lasse. Dieses Scherzen wurde auf einmal ernst. Viele gratulieren mir jetzt, dass ich zu mir selbst gefunden habe. Aber ich habe schon immer gewusst, wer ich bin. Ich gehe jetzt nur eine Stufe weiter. Ich möchte jetzt auch nicht mehr zwischen Mann und Frau leben, was ich bisher immer cool fand und womit ich auch gespielt habe. Das war eine Phase in meinem Leben – und jetzt wird es Zeit, ernsthafter zu werden. Ich möchte jetzt nur noch eins sein: entweder richtig Mann oder richtig Frau. Und da brauchte ich gar nicht lange überlegen.

Markus Kenzie will ihren neuen, weiblichen Namen noch nicht verraten – spätestens im September, wenn sie pünktlich zum 30. Geburtstag ihren neuen Ausweis erwartet. Im Februar 2019 soll eine Dokumentation über ihre Transformation bei der Berlinale gezeigt werden, auch ehrenamtlich will sie sich künftig einsetzen. Der Schritt in die Öffentlichkeit liegt ihr besonders am Herzen. Für andere Transmenschen, die sich noch unsicher sind, hat sie eine Botschaft: «Lasst euch nicht von der Aussenwelt beeinflussen. Macht genau das, was ihr möchtet. Wenn ihr dadurch zu euch findet, gibt es nichts Schöneres, so sein Leben zu verbringen.»

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