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Happy New Year? Warum Silvester so sehr nervt

Zeitgeist

Happy New Year? Warum Silvester so sehr nervt

Weisst du schon, was du am 31. Dezember machst? – Die Frage nach dem Plan der Pläne lässt uns derzeit schneller an die Decke gehen als jede Silvesterrakete. Warum stresst uns diese vermeintliche Deadline aka Neujahr so dermassen?

Knallen solls so richtig. Die Korken, der Look – in der Nacht der Nächte, der letzten des Jahres. Wer noch nichts vorhat, wird langsam nervös. Irgendwas sollte man schliesslich längst anvisiert haben. Wir träumen von einem gemütlichen Dinner bei Freund:innen, finden das dann aber doch irgendwie langweilig. Da muss doch mehr gehen. Oder: Alle haben was vor, nur wir nicht. Auch möglich: Wir haben eine Einladung zu rauschenden Festivitäten mit funkelnder Kleiderordnung – wenn wir aber aufs Jahr zurückblicken, vergeht uns die Feierstimmung.

War doch alles scheisse. Oder? Ums eigene Leben rum und drinnen auch. Wir sind vielleicht immer noch mit der Person zusammen und in der Jobposition, mit der wir nicht glücklich sind. Wir sind noch immer Single oder noch immer nicht schwanger. Wir kommen einfach nicht voran.

Silvester – ein kritikgeladener Tag der Verdammnis, dessen Dunkelheit ganz erbärmlich ein laut mahnendes Feuerwerk erhellen soll. Vorfreude aufs neue Jahr soll sich spätestens beim überschäumenden Zuprosten einstellen. Wird denn wirklich alles anders? «Kann nur besser werden», knurren wir uns dann tapfer lächelnd zu.

Was hat es mit dieser fatalen Nacht auf sich? Was macht diese mit uns? Und wie kriegen wir uns und unsere Erwartungen in den Griff? Wir haben eine gefragt, die es wissen muss: Katarzyna Fischmann, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie mit Praxis in Luzern.

annabelle: Warum zur Hölle stresst uns die Silvesterplanung so?
Katarzyna Fischmann: Silvester ist ein symbolischer Neuanfang, der traditionell mit einer grossen Feier begangen wird. Während früher die Regeln für diese Feiern streng festgelegt waren, haben wir heute eine riesige Auswahl an Möglichkeiten. Das kann Stress verursachen, besonders wenn man versucht, die perfekte Balance zwischen Spass, Tradition und Erwartungen zu finden.

Warum denken wir, Silvester müsse eine ganz besondere Nacht sein?
Der Jahreswechsel ist in vielen Kulturen der Meilenstein, an dem das alte Jahr abgeschlossen wird und ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Dies wird seit Jahrtausenden mit einer grossen Zeremonie begangen. Daraus sind die heutigen Silvesterfeiern und guten Vorsätze entstanden. Viele erwarten, dass die Silvesternacht ein Moment der Freude und des Feierns ist. Es gibt den Wunsch, in guter Gesellschaft zu sein, eine extrem gute Zeit zu haben und vielleicht sogar das Jahr mit einer besonderen Erinnerung abzuschliessen.

Klingt in der Theorie toll. Warum ist es aber für viele so belastend?
Die Kombination aus hohen Erwartungen, sozialem Druck und der Reflexion über das vergangene Jahr kann emotional belastend sein. Insgesamt werden Einsamkeit und unerfüllte Ziele um die Feiertage, also um Weihnachten und Neujahr, besonders ausgeprägt empfunden.

Was kann man tun, um sich entspannt darauf einzustellen?
Es hilft, seine Erwartungen möglichst realistisch zu halten und sich darauf zu konzentrieren, den Moment zu geniessen, egal wie man ihn verbringt. Sich selbst zu erlauben, Silvester auf eine Weise zu feiern, die persönlich erfüllend ist, statt sich von externen Erwartungen leiten zu lassen, kann sehr befreiend sein.

Wie geht man mit Einsamkeit am 31. Dezember um? Wenn niemand Zeit oder man schlicht keine Pläne hat?
Einsamkeit an Silvester kann schwierig sein. Wichtig ist es, diese Einsamkeit positiv zu besetzen: Es ist in Ordnung, allein zu sein! Man kann den Abend nutzen, um sich selbst zu verwöhnen, Hobbys nachzugehen oder einfach zu entspannen. Manchmal kann auch das Sich-Verbinden mit anderen über soziale Medien oder virtuelle Veranstaltungen helfen.

Warum ist dieses Datum besonders für Menschen mit psychischen Erkrankungen so schwer?
Für Menschen mit psychischen Erkrankungen beginnt bereits im November eine schwierige Zeit mit kürzeren Tagen und weniger sozialen Kontakten. In der Weihnachtszeit kann dann die ausgelassene Stimmung der Mitmenschen das Gefühl der Isolation und des Nichtdazugehörens verstärken. An Silvester kann schliesslich die Reflexion über das vergangene Jahr zusätzlichen Stress verursachen.

Wir kennen es alle: Wir haben die Vorsätze vom letzten Jahr nicht wirklich eingehalten. Mal ehrlich, machen Vorsätze überhaupt Sinn?
Grundsätzlich sind sie durchaus positiv zu sehen. Wichtig ist, dass sie machbar sind und zur persönlichen Entwicklung beitragen. Besser: ein überschaubares Ziel, das tatsächlich erreicht werden kann. Es nützt nichts, wenn der komplette Neustart schon nach zwei Wochen vergessen ist. Es ist wichtig, sich selbst gegenüber nachsichtig zu sein und Ziele zu setzen, die zu echten Verbesserungen im eigenen Leben führen.

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