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Kleinod-Reigen: «Atlas eines ängstlichen Mannes»

Leben

Kleinod-Reigen: «Atlas eines ängstlichen Mannes»

  • Redaktion: Claudia Senn; Text: Verena Lugert

Christoph Ransmayrs Buch «Atlas eines ängstlichen Mannes» macht uns deutlich: Wer genau hinschaut, sieht im Kleinsten das Grosse aufschimmern.

«Ich sah …», so beginnt jede der siebzig Episoden, die der grosse Stilist Christoph Ransmayr in seinem wunderbaren Buch zusammenfügt. Begegnungen werden zu Fixpunkten, kartografiert in einem Atlas des Lebens und der Welt.

Da ist der dünne Mann, dem nichts mehr schmecken will. Die schwimmende Schmetterlingsretterin von Bali, die verrückte Frau aus der Nervenheilanstalt in den Donau-Auen. Und Mr. Fox, der den «Wall aus Gesang» erfassen will, den Vögel in ihrem Jubilieren errichten, als «ob sie damit gleichzeitig alle Plumpheit, Erdgebundenheit und jeden verspotteten, der nicht das unbeschreibliche Glück hatte, ein engelgleich gefiedertes, engelgleich singendes Wesen zu sein, im Fallen die Schwingen auszubreiten, plötzlich zu schweben und sich vom Aufwind zurücktragen zu lassen in den Himmel».

«Ich sah …» beginnt Ransmayr jedes seiner Kleinode. Und wirklich, so scheint es: Hinsehen muss man. Vielleicht kommt sie dann, die Erkenntnis – wie ein Geschenk.

Christoph Ransmayr: Atlas eines ängstlichen Mannes. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2012, 456 Seiten, 35.50 Franken bei Buch.ch

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