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Macht, Missbrauch, Kannibalismus: Das Wichtigste zur Doku über Armie Hammer

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Macht, Missbrauch, Kannibalismus: Das Wichtigste zur Doku über Armie Hammer

Mehrere Ex-Freundinnen warfen US-Schauspieler Armie Hammer 2021 teilweise schweren emotionalen, psychischen und sexualisierten Missbrauch vor. Sogar von Kannibalismus war die Rede. Die neue Doku «House of Hammer» beleuchtet den Fall – wir haben für euch die wichtigsten Aussagen zusammengefasst.

Inhaltshinweis: physische, psychische und sexualisierte Gewalt, Missbrauch

 

Vom Hollywood-Star zur Persona non grata, die unzähligen Frauen geschadet haben soll: Was hat Armie Hammer getan? Die Schlagzeilen um den Schauspieler sorgten Anfang 2021 für Überraschung. In geleakten Nachrichten mit Ex-Freundinnen gab der «Call Me by Your Name»-Star an, ein Kannibale zu sein und einen Fetisch für menschliches Fleisch zu haben. Doch hinter den bizarren News steckte mehr als nur Celebrity-Gossip: Mehrere Frauen warfen Hammer emotionalen, physischen und sexualisierten Missbrauch vor und beschuldigten ihn der Nötigung, Vergewaltigung und Manipulation.

In der neuen, dreiteiligen Doku-Serie «House of Hammer» von discovery+, die in der Schweiz noch nicht offiziell erhältlich ist, werden die Missbrauchsvorwürfe gegen Armie Hammer nun beleuchtet. Wir haben für euch die wichtigsten Punkte zum Fall Hammer zusammengefasst.

Ein Instagram-Account outete Armie Hammer

«In meiner Fantasie beweist mir eine Frau ihre Hingabe, indem ich sie nachts an einem öffentlichen Ort kneble und ihren Körper Fremden zur Verfügung stelle. Um zu sehen, ob sie für mich Fremde ficken würde.» Oder: «Ich will dich brandmarken, dich tätowieren, deinen Kopf rasieren, dein Haar bei mir tragen, dir ein Stück Haut rausschneiden und es von dir für mich kochen lassen.» Diese und andere SMS-Nachrichten ähnlicher Art, in denen es um seine sexuelle Fantasien und Übergriffe geht und die von explizit bis maximal verstörend reichen, soll Armie Hammer mehreren Ex-Freundinnen geschickt haben.

Eine der Frauen teilte Anfang 2021 auf dem Instagram-Profil @houseofeffie zunächst anonym Screenshots von Nachrichten, die sie laut eigenen Aussagen von ihm erhalten hatte. Auch die Geschichten anderer Frauen, die mit Hammer in Berührung kamen, veröffentlichte sie auf dem Profil. Effie, so der Name der Ex-Freundin, warf dem «The Social Network»-Star vor, sie während ihrer On-off-Beziehung zwischen 2016 und 2020 im Jahr 2017 über mehrere Stunden lang brutal vergewaltigt zu haben.

Effie habe dabei um ihr Leben gefürchtet. Sie gab an, «klare Manipulationstaktiken» zu erkennen, die Hammer in ihrer Beziehung bei ihr anwendete. Sie habe versucht, seine Handlungen während ihrer Beziehung mit ihm als «verdrehte Form der Liebe» abzutun.

Das Los Angeles Police Department ermittelte im Februar 2021 aufgrund sexualisierter Gewalt gegen den 36-Jährigen, der alle Vorwürfe von sich wies. «Vom ersten Tag an hat Hammer angegeben, dass alle seine Interaktionen mit Effie und jeder anderen Sexualpartnerin von ihm völlig einvernehmlich waren, im Voraus besprochen und vereinbart wurden und beide Seiten daran beteiligt waren», sagte sein Anwalt laut «Variety» in einem Statement.

Mit ihrem Schritt an die Öffentlichkeit legte Effie den Grundstein für die anderen Frauen, die ebenfalls ihren mutmasslichen Missbrauch durch Armie Hammer öffentlich machten. Seine Schauspielkarriere stürzte ins Bodenlose: Seine Agentur trennte sich von ihm und er verlor Rollen in mehreren Projekten.

Ex-Freundinnen berichten von Hammers kannibalistischen Fantasien

Hammers-Ex-Freundin, die Tech-Unternehmerin Courtney Vucekovich, erzählt in «House of Hammer» ausführlich von ihrer Beziehung mit ihm. Sie ist eine der Frauen, die behaupten, dass Armie kannibalistische Fantasien habe – und diese immer wieder äusserte. «Ich bin 100 % ein Kannibale, ich will dich essen …», soll er ihr geschrieben haben. Er habe ausserdem einen Arzt in Los Angeles finden wollen, um bei ihr Rippen entfernen zu lassen. «Er wollte meine Rippen essen. Er wollte sie räuchern. Er war besessen von Fleisch. Ich glaube, dass er es wirklich ernst meinte.»

Hammers Ex-Freundin Paige Lorenze gibt an, dass er regelmässig besondere Nächte veranstaltete, in denen es darum ging, seiner Partnerin Schmerzen zuzufügen. Er wollte sie gemäss eines Screenshots zu seiner «perfekten kleinen Sklavin» machen. An einem solchen Abend habe er ihren Körper angeschaut und sie gefragt: «Wo sollen meine Initialen hin?»

Er habe angefangen, seine Initialen einzuritzen und ihr Blut zu trinken. «Ich habe einfach nichts gesagt», erinnert sie sich. Zuvor sei dies nicht abgesprochen gewesen. «Ich war in einer schwachen Position und er in einer starken. Er wusste, wie unangenehm es für mich war, aber ich sagte nie nein. So werden wir zu Dingen genötigt: Indem wir nicht nein sagen und damit unattraktiv wirken wollen. Es ist traumatisierend.»

Armie Hammer soll zwei Gesichter haben

In «House of Hammer» wird deutlich, in welchem erschreckenden Gegensatz sein öffentliches Image zur grusligen Realität steht. Der «Tod auf dem Nil»-Schauspieler schien alles zu haben – und wollte diese Fassade aufrechterhalten: Als Urenkel des Ölhändlers und Milliardärs Armand Hammer stammt er aus einer privilegierten Familie, in Hollywood wurde er für seine Rolle in «Call Me By Your Name» als Oscar-Anwärter gehandelt. Mit der Schauspielerin Elizabeth Chambers, mit der er von 2010 bis 2020 verheiratet war, hat er zwei Kinder. Das perfekte Leben, so scheint es.

Doch hinter den Kulissen gab es in der Filmszene bereits Gerüchte über Hammers angebliche explizite Fantasien. «Es gibt Menschen, die dich glauben lassen, du bist die einzige Person im Raum, wenn sie ihr Licht auf dich scheinen. Das war auch bei Armie so», sagt einer seiner ehemaligen Schauspielschule-Kollegen über ihn.

Gleichzeitig schien er seine düstere Seite vor ausgewählten Personen nicht zu verstecken. Auf einem privaten Instagram-Profil postete Hammer sexuelle Sujets wie eine Frau in Lingerie, die in seinem Hotelzimmer auf allen vieren ist. Oder Selfie-Videos, die ihn dabei zeigen, wie er beim Fahren Drogen oder Alkohol konsumiert.

«Wir alle kennen seine öffentliche Persönlichkeit. Sein Team und seine Familie scheinen dieses Image zu kuratieren», so seine Ex-Freundin Courtney Vucekovich. Die Hammers seien sehr erpicht darauf, sich in der Öffentlichkeit makellos zu präsentieren, sagt Edward Epstein, Autor von «Dossier: The Secret History of Armand Hammer». «Man sieht nicht, was hinter dem Vorhang abläuft.»

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Er soll systematischen Missbrauch ausgeübt haben – nach dem immer gleichen Muster

In der Doku sprechen mehrere Frauen darüber, wie sie mit Hammer zusammenkamen – und welchen Missbrauch sie erlebt haben sollen. Auffällig: Es scheint, als sei dies stets nach demselben Muster abgelaufen. Mit Lovebombing, also dem anfänglichen Überschütten mit Liebe und Aufmerksamkeit, um eine Person zu manipulieren, gewann Hammer offenbar das Vertrauen der Frauen. Ehe er mit Misshandlungen Macht und Kontrolle über sie ausübte.

Courtney Vucekovich, die Hammer 2019 in einer Bar kennenlernte, sagt etwa: «Du gehörst ihm, komplett. Ich verlor meinen gesamten Selbstwert.» Sie erzählt von einer Beziehung zu Hammer, die schnell an Intensität gewann. Sie habe ihr Glück mit ihm nicht glauben können – «aber es gab Momente, in denen sich etwas nicht richtig anfühlte.»

Hammer habe gegen ihren Willen eine sexuelle Praktik, die «sehr degradierend» sei, mit ihr durchgeführt. Sie trennte sich nach dem Übergriff von ihm – ehe sie wieder zusammenkamen. «Es ist verrückt, was man bereit ist, zu ignorieren oder rechtzufertigen, wenn einem jemand wichtig ist», sagt sie in der Doku-Serie. Der Schauspieler habe immer wieder Hand- und Bissspuren auf ihrem Körper hinterlassen. Und sie dazu aufgefordert, diese als «Ehrenabzeichen» zu tragen. «Ich interpretierte das als Liebe. Heute macht es mich krank, wenn ich darauf zurückschaue. Er überschritt deine Grenzen immer ein bisschen mehr», erklärt Vucekovich.

So habe er ihr immer wieder die japanische Bondage-Kunst des Fesselns nahegelegt, obwohl sie kein Interesse daran hatte. Eines Nachts soll er sie gegen ihren Willen gefesselt und, wie in der Doku impliziert wird, sexuelle Praktiken durchgeführt haben. «Er wollte jegliche Kontrolle über mich. Er wollte jeden Sinn meiner körperlichen Kontrolle zerstören, das war seine ultimative Fantasie.» Vucekovich habe sich nach der Beziehung mit Hammer in eine Rehaklinik begeben müssen, weil er sie immer wieder traumatisiert habe. In der Klinik sei bei ihr eine durch den Missbrauch ausgelöste posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden.

Courtney Vucekovich ist überzeugt, dass Hammer nach einem Muster vorgehe. So habe sie sich mit seiner Ex-Freundin Paige Lorenzo ausgetauscht: «Ihre Geschichte ist ein exakter Abklatsch. Wir machten den gleichen Roadtrip mit ihm, im gleichen Motel. Wir schauten den gleichen (BDSM-)Film. Er liess die gleiche Musik laufen, als er mich fesselte und traumatisierte. Er nannte uns beim exakt gleichen Kosenamen. Wir hatten die gleiche Beziehung. Und er hätte diesen destruktiven Kreis weitergeführt – bis er es nicht mehr konnte.»

Armie Hammer soll seine Übergriffe mit BDSM verschleiert haben

In der Doku wird anhand von Nachrichten-Screenshots oder Interview-Ausschnitten und Aussagen von Ex-Partnerinnen festgehalten, dass sich Hammer klar der BDSM-Community zuordnete. So reiste er laut Ex-Freundin Courtney Vucekovich für diesen Zweck oft mit Shibari-Seilen, Messern und Sicherheitsnadeln, wenn sie zusammen unterwegs waren.

Mehrere Frauen behaupten in «House of Hammer», dass der Schauspieler BDSM aber nur als eine Art Deckmäntelchen nutzte, um Frauen zu schaden und ihnen Schmerzen zuzufügen. Paige Lorenze: «Er war so einnehmend. Er gab mir das Gefühl, dass ich sicher bin, dass das normal ist und es schön und sexy wird. Aber ich glaube, dass er BDSM als Vorwand nutzte, um Frauen wehzutun, was das Unheimlichste ist.»

Denn, das wird in der Doku klar: In der BDSM-Szene ist Konsens besonders wichtig – Sicherheit und Vertrauen seien die Basis für eine BDSM-Bindung. Das Überschreiten von Grenzen und das Missachten von Sicherheit, Einvernehmlichkeit und Kommunikation gelte als No-Go – und habe nichts mit BDSM zu tun. «Je mehr ich recherchierte, desto mehr kam ich zum Schluss, dass die Dinge, die er tat, nicht BDSM sind. Er nennt sie nur so. Aber es ist eigentlich unsicheres Verhalten, das eigentlich kriminell ist», so Lorenze.

Eine BDSM-Expertin erklärt in der Doku: «Für mich ist es offensichtlich, dass Armie Hammer Personen aussuchte, die keine Erfahrung mit BDSM hatten, weil es ihm einen Vorteil verschafft, um sie zu seiner Beute zu machen. Weil sie nicht wissen, was BDSM wirklich ist, sind sie einfacher zu nötigen. Sich an der Angst des Gegenübers aufzugeilen, wenn diese Person sich nicht wohl damit fühlt, ist keine kinky Person, die BDSM ausübt, sondern ein Missbraucher.»

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Die Hammer-Familie hat eine lange Vorgeschichte an Missbrauch und Gewalt

Eines der grossen Themen im Fall Armie Hammer ist der familiäre Hintergrund des Schauspielers. In «House of Hammer» spricht Armie Hammers Tante, Casey Hammer, über die Dynastie – und verrät, wie sich Gewalt und Missbrauch bereits seit Generationen durch die Blutlinie ziehen. Die Männer der Hammer-Familie seien «vermögende privilegierte Männer, die über Generationen mit bösen Taten» davonkamen, so die TikTokerin Lauren Skae, die sich intensiv mit der Familiengeschichte der Hammers befasste.

Armie Hammers Urgrossvater Armand Hammer (†1990) war nicht nur der CEO des Ölunternehmens Occidental Petroleum, sondern auch bestens vernetzt mit der Elite: Er soll Zugang zum Buckingham Palast, zum Weissen Haus, zum Papst und zum Kreml gehabt haben, wird in der Doku häufig mit König Charles III. und Prinzessin Diana gezeigt.

Armand Hammer wurde etwa eine moralische Mitschuld an der Katastrophe auf Piper Alpha, der Ölbohrinsel seiner Firma, gegeben, die mit 167 Todesopfern als schwerster Unfall auf einer Bohrinsel gilt. Hinter dem Hammer-Familienvermögen stecke «eine grosse Anzahl von Straftaten», so Edward Epstein, Autor von «Dossier: The Secret History of Armand Hammer». Und auch Neil Lyndon, Journalist und Autor von Armand Hammers Biografie, sagt: «Ich glaube, er war der satanischste Mann der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.»

Laut Casey Hammer kontrollierte Armand Hammer die gesamte Familie, nahm heimlich ihre Telefongespräche auf und führte Akten über jedes Mitglied des Clans. «Unser Leben war wie ein Schachbrett und er kontrollierte jeden Schachzug», so Casey. Er habe den Familiennamen um keinen Preis beschmutzen wollen. Sein öffentliches Bild sei dabei sorgfältig von seinen privaten Aktivitäten getrennt gewesen. Denn auch er habe Frauen kontrolliert, die unter anderem seine sexuellen Verlangen stillen mussten.

Caseys Vater, Julian Hammer, kam – dank Geld und Familienstatus – mit einem Mord davon, ohne dafür Verantwortung tragen zu müssen, und er verdiente in der Ölfirma seines Vaters als dessen «Spion» Geld, indem er heimlich Telefongespräche von Kund:innen aufzeichnete, um sie erpressen zu können. Und, einer der schlimmsten Vorwürfe: Er soll Tochter Casey sexuell missbraucht haben. Casey, die nach der Trennung ihrer Eltern bei ihrer Mutter aufwuchs, empfand es als normal, dass sie auf Besuch bei ihrem Vater Drogen, Gewalt, Waffen und seinen besorgniserregenden Umgang mit minderjährigen Mädchen erlebte.

Armie Hammers Vater und Caseys Bruder, Michael Hammer, beschreibt Casey als «ein entfesseltes Monster». «Michael spiegelte früh meinen Vater und zeigte Anzeichen davon, wie mein Vater war. Es war angsteinflössend.» Michael Hammer habe den Grossteil des Familienerbes von Armand bekommen und so viel Macht und Geld an sich gerissen, wie möglich gewesen sei.

Während er sich nach aussen als streng religiös und gesittet präsentiere, sei er im Besitz eines mehr als zwei Meter grossen und eigens für ihn entworfenen «Sex-Throns» – eines Sitzes mit einem eingebauten Käfig und einem Fleischerhaken.

«Von aussen waren wir die perfekte Familie. Aber unter allem war eine dunkle Welt von Täuschung, Verrat, Korruption – und deshalb spreche ich darüber. Es ist Zeit, den Kreislauf zu beenden», so Casey Hammer, die über die Vorwürfe gegen Armie nicht überrascht sei. Bei den Männern in der Familie wisse man nicht, was sich hinter ihrem offensichtlichen Auftreten verberge – das gelte auch für ihren Neffen. «Man wacht nicht eines Morgens auf und ist ein bösartiger Täter. Es muss einen Samen geben, der gepflanzt wurde. Dieses Verhalten hat tiefe Wurzeln.»

Seinen Ex-Freundinnen erzählte Armie Hammer offenbar transparent von seiner Familiengeschichte – mit Stolz. Courtney Vucekovich: «Armie sprach viel über die Boshaftigkeit der Männer in seiner Familie. Aber so, als wäre es eine Ehre, nicht, als würde er sich schämen.»

Das ist mit Armie Hammer passiert

Im Mai vergangenen Jahres checkte Hammer in eine Rehaklinik in Florida ein, um sich wegen Drogen-, Alkohol- und sexuellen Problemen behandeln zu lassen. Im Dezember verliess er die Einrichtung.

«Es ist eine übliche PR-Taktik», sagt Francesca Bacardi, Chef-Reporterin von «Page Six». «Ich glaube dass die Reha sein Sprungbrett zum Versuch ist, sich ein neues Image zu verpassen.» Seine mutmasslichen Opfer rechnen damit, dass Armie Hammer es schafft, sich trotz der schweren Vorwürfe wieder in Hollywood zu etablieren. Gegen ihn wird noch immer ermittelt.

Mehr Informationen und Hilfsangebote zum Thema psychische und physische Gewalt findet ihr hier:

Opferhilfe Schweiz

143 – Die Dargebotene Hand

BIF – Beratungsstelle für Frauen 

Frauenhäuser in der Schweiz

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