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«Meine Fotos auf Onlyfans sollen nicht einfach nach Porno aussehen»

Leben

«Meine Fotos auf Onlyfans sollen nicht einfach nach Porno aussehen»

  • Text: Anna Böhler; Foto: Getty Images

Auf der Social-Media-Plattform Onlyfans verdienen sich immer mehr junge Menschen mit Nacktfotos etwas dazu. So auch Vanessa* aus dem Kanton Zürich. Ein Gespräch über Fussfotos, Eltern und sexuelle Selbstbestimmung. 

Spätestens seit die 23-jährige US-Schauspielerin Bella Thorne im August auf Onlyfans mit Nacktfotos und -videos an nur einem Tag eine Million Dollar verdient haben soll, spricht die halbe Welt von der Social-Media-Plattform. Auch weitere Promis wie Rapper Tyga oder Cardi B zeigen dort viel Haut – ebenso unzählige junge Männer und (vor allem) Frauen ohne Promi-Status.

Onlyfans gibt es schon weitaus länger, als es für Furore sorgt. Seit 2016 kann man sich registrieren – entweder als gewöhnlicher User oder als Content-Creator. Letztere müssen sich mittels eines amtlichen Dokuments verifizieren lassen, bevor sie für ihre Inhalte Geld verlangen können. Laut Onlyfans wird die Volljährigkeit überprüft.

Wie eine unzensierte Version von Instagram

Die App erinnert mit ihrem Feed und der Möglichkeit, zu interagieren, stark an Instagram. Die Preise für den Zugang zum eigenen Profil sowie zusätzlichen, von Usern angefragten Fotos und Videos legen die Creator selbst fest. Mittlerweile dürfen pro Anfrage maximal fünfzig Dollar (etwa 45 Franken) verlangt werden. Zwanzig Prozent der Einnahmen gehen direkt an Onlyfans – der Rest der Einnahmen ist Ende Monat auf dem Konto.

Vanessa, die ihren richtigen Namen nicht nennen möchte, lebt im Kanton Zürich – und ist seit Mai auf Onlyfans als Content-Creator angemeldet. Hier hat die junge Frau seitdem fast 9000 Franken verdient. Auch wenn Nacktheit eine zentrale Rolle spiele, gehe es auf Onlyfans um mehr, sagt sie.  

annabelle: Vanessa, wie kamen Sie auf die Idee, ein eigenes Profil auf Onylfans zu erstellen?
Vanessa:
Zu Beginn war es eigentlich nur ein Scherz, um meinen Ex-Freund zu nerven. Der meinte immer, er würde nie mit einer Frau ausgehen, die einen Onlyfans-Account hat. Ich kannte die Plattform von Leuten, denen ich auf Instagram folge, und aus der Game-Szene. Aus diesem spontanen Entscheid wurde dann etwas Grösseres als ursprünglich geplant.

Können Sie sich an Ihren allerersten Post erinnern?
Ja, darauf sieht man mich von hinten im Spiegel. Zu sehen sind mein nackter Rücken und mein Po. Mir ist wichtig, dass die Fotos ästhetisch sind. Dass sie auch jemand ansehen kann, nur um sie schön zu finden – ganz ohne sexuelle Konnotationen. Meine Fotos sollen nicht einfach nach Porno aussehen. Ich bekomme auch immer wieder Komplimente von Frauen – das freut mich sehr.

Ab wann würde ein Foto für Sie denn «nach Porno» aussehen?
Ich würde nie Full-Nudes, also Ganzkörper-Nacktbilder, veröffentlichen. Das ist meine Grenze. Ich zeige meine Brüste oder meinen Po, aber mehr nicht. Meine Vulva würde ich auf den Fotos nie zeigen. Ausser irgendjemand würde mir eine Million Franken bieten, dann würde ich es mir wahrscheinlich nochmals überlegen (lacht). Wenn mir einer schreibt und zum Beispiel sagt, er wolle mich gern mit einem Sexspielzeug sehen, sage ich ebenfalls klar Nein.

Und das wird dann respektiert?
Wann immer ich bisher eine Anfrage abgelehnt habe, wurde dies respektiert – ohne Ausnahme. Sie können sich den gewünschten Inhalt ja woanders holen, von einer Userin, die sich damit wohl fühlt, ein spezielles Bild zu senden.

Wie viel bezahlt man für ein Foto von Ihnen?
Ich verlange zehn Franken für den Zugriff auf mein Profil. Für weitere Fotos, die ich direkt per Privatnachricht sende, möchte ich nochmals zehn Franken, denn die Bilder mach ich ja dann speziell für die Person. Für besondere Wünsche verlange ich etwas mehr.

Zum Beispiel?
Ich habe mal ein Foto meiner Füsse verschickt – von dem Typen wollte ich dann 15 Franken. Ich finde, man darf nicht zu viel verlangen, schlussendlich ist es ja doch nur ein Foto.

Dreht sich auf Onlyfans alles um nackte Körper?
Onlyfans ist in der Sexbranche bekannt geworden, weil man die Möglichkeit hat, nackte Fotos und Videos zu posten. Auf Instagram wird Nacktheit zensiert und man läuft Gefahr, dass einem das Profil gesperrt wird. Aber es gibt auf der Seite nicht nur 18+-Inhalte, sondern auch Fitness- oder Koch-Accounts, so wie man es von anderen Social Media her kennt.

Was reizt Sie an der Plattform?
Ich kann Geld verdienen, ohne dass mir jemand etwas vorschreibt. Ich kann posten, wann und was ich will. Ich kann das in meiner Freizeit machen – und jederzeit damit pausieren oder aufhören.

Welche Nachteile gibt es aus Ihrer Sicht?
Wie sonst auch überall im Internet stürzt manchmal der Server ab. Und nach dem Vorfall mit Bella Thorne mussten sie Anpassungen vornehmen: Die Zahlung ist mittlerweile erst nach dreissig Tagen auf deinem Konto statt nach sieben. Und auch der technische Support könnte sich noch verbessern – dort dauert es ewig, bis man eine Antwort erhält.

Wie viel verdienen Sie in einem guten Monat?
Der beste Monat war der letzte – ich habe etwa 3600 Franken ausbezahlt bekommen. Seit Mai habe ich brutto 11 000 Franken verdient, netto sind es noch etwa 8800 Franken. Zusätzlich zu meinem Job kann ich auf Onlyfans nebenbei also fast einen Monatslohn dazu verdienen. Es ist wirklich krass, wie viel und wie schnell man so Geld verdienen kann. Das muss man sich mal vorstellen: du kannst dein doppeltes Einkommen verdienen, indem du einfach Fotos von dir postest, wann es dir passt. Wer würde dazu schon Nein sagen? Ich wohne allein – wenn ich mal knapp bei Kasse bin, habe ich immer diese Option, mir Geld dazuzuverdienen.

Nicht jede wiederum würde sich mit der Vorstellung wohlfühlen, dass sich fremde Menschen intime Fotos von einem anschauen.
Ich habe kein Problem mit nackter Haut. Wenn ich in der Badi bin, sieht man mich ja auch im Bikini – warum nicht Geld damit verdienen?

Sind unter Ihren Followern auch Personen aus Ihrem privaten Umfeld?
Klar, alle meine Freunde wissen von meinem Account. Als ich mir das Profil neu gemacht habe, abonnierten sie mich alle gleich, um mich zu unterstützen. Meine Familie weiss aber von nichts – das glaube und hoffe ich zumindest.

Wäre das ein Problem für Ihre Eltern?
Ich will keinen Streit provozieren – und ich weiss, es gäbe einen, würde ich ihnen davon erzählen. Ich denke, mein Vater würde es vielleicht akzeptieren. Aber meine Mutter hat ein eher konservatives Weltbild und eine starke Meinung, von der sie sich auch nicht abbringen lässt. Wenn sie es herausfinden sollte, dann ist das so – sie wird mich nicht davon abhalten können.

Haben Sie keine Bedenken, zum Beispiel von Ihren Arbeitskollegen auf Onylfans entdeckt zu werden?
Nein, ich habe keine Angst. Die meisten meiner Kollegen nutzen keine Social Media ausser Linkedin und Facebook, deshalb sehe ich keine grosse Gefahr, entdeckt zu werden. Auch wenn ein Gespräch mit meiner Chefin unangenehm wäre – kündigen könnte sie mir deshalb nicht.

Haben Sie für Ihren Onlyfans-Account jemals negative Rückmeldungen bekommen? 
Nein, weder mein Partner noch meine Freunde haben ein Problem damit. Der Einzige, der etwas einzuwenden hatte, war ein Typ, mit dem ich mal ausgehen wollte – das Ganze hat sich dann relativ schnell erübrigt.

Wo lauern bei Onlyfans die Gefahren?
Es gibt überall im Internet komische Menschen. Aber die kann ich blockieren, dort sehe ich keine Gefahr. Ein Risiko, das immer besteht, ist ein Hackerangriff. Oder dass irgendein Idiot einen Screenshot macht von deinem Foto und es verbreitet. Das ist zwar illegal, aber was bedeutet das schon? Onlyfans arbeitet jedoch ständig daran, die Sicherheit der Userinnen zu verbessern.

Bekommen Sie Nachrichten unter der Gürtellinie?
Obwohl das auf Instagram ständig passiert, wurde ich auf Onlyfans noch kein einziges Mal belästigt. Es gibt ja auch keinen Grund dazu. Die Followers möchten ja mit dir interagieren und in Kontakt stehen. Es gibt Leute, die erkundigen sich, wie es mir geht, und manchmal habe ich wirklich gute Gespräche, in denen sexy Fotos gar keine Rolle spielen.

Geht es Ihnen bei Onylfans also nicht nur ums Geld?
Nein, es geht um mehr. Der Account hat mein Selbstwertgefühl gestärkt. Die Followers bezahlen für meinen Content – sie verehren mich auf eine gewisse Weise.

Haben Sie keine Bedenken, sich als sexuelles Objekt darzustellen?
Für mich geht es bei Onlyfans um sexuelle Selbstbestimmung. Ich kann mit meinem Körper machen, was ich will. Niemand hat mir vorzuschreiben, was ich als Frau nicht darf oder kann. Es ist meine Entscheidung, ein Foto hochzuladen, und die Männer bezahlen dann dafür, es anschauen zu können. Die Frau sitzt hier für einmal am längeren Hebel.

Sehen Sie sich als Sexarbeiterin?
Ja und nein. Ich denke, was ich mache, geht in Richtung Sexarbeit – es gibt aber auch hier, wie überall sonst, verschiedene Arten. Es gibt viele Frauen, die bieten explizitere Bilder und Videos als ich an. Weil auch meine Inhalte aber dazu da sind, die Fantasie anzuregen, denke ich, dass ich sicher eine Art der sexuellen Dienstleistung anbiete.

Wem würden Sie von Onylfans ganz klar abraten?
Allen, die kein gutes Selbstbewusstsein haben – man muss selbstsicher sein, um solche Bilder von sich hochladen zu können. Und allen, die nicht damit umgehen könnten, wenn ein Foto geleaket wird. Man sollte sich darüber im Klaren sein: Auch wenn du dein Profil jederzeit deaktivieren kannst – was einmal im Internet ist, bleibt für immer dort.

* Der Name ist der Redaktion bekannt